
„Gibt es denn irgendwas Neues?“ – Mit dieser rhetorischen Frage eröffnete Jörg Ziegler, der den Bereich Equity Plan Services für die DACH-Region bei J.P. Morgan Workplace Solutions verantwortet, die diesjährige Equity Based Compensation Konferenz. Und lieferte die Antwort sogleich selbst: „Es gibt viel Neues.“ Trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds war die Veranstaltung ein Beleg dafür, dass sich im Bereich der Mitarbeiterbeteiligung durchaus Bewegung zeigt – getrieben von steuerlichen Reformen, technologischen Entwicklungen und dem klaren Willen einiger Unternehmen, auch in Krisenzeiten attraktive Vergütungsmodelle zu etablieren.
Im Eröffnungsvortrag beleuchtete Ulrich von Auer, Head of Investments der J.P. Morgan Private Bank in Deutschland, die ökonomischen Rahmenbedingungen – insbesondere im Hinblick auf die USA, die gemeinhin als Heimatland der Mitarbeiterbeteiligung gelten. Seine Analyse war differenziert: Zwar sei der Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten eng und die Unternehmen grundsätzlich gesund – „im Schnitt hatten die S&P 500-Unternehmen ein Gewinnwachstum von 13 Prozent“, so von Auer –, doch seien geopolitische Spannungen, steigende Staatsschulden und ein überraschend schwacher US-Dollar Herausforderungen, die auch auf die Kapitalmärkte zurückwirken.
Besonderes Augenmerk legte von Auer auf die wirtschaftspolitischen Risiken der aktuellen US-Regierung, insbesondere Zollpolitik, Verschuldung und fiskalische Nachhaltigkeit. Dabei verwies er auf die paradoxe Wirkung jüngster Maßnahmen: „Zölle sind eine Lenkungssteuer – wenn sie wirken, gibt es kaum Einnahmen, und wenn sie hohe Einnahmen generieren, haben sie ihre Wirkung verfehlt.“
In diesem volatilen Umfeld sei der US-Dollar bemerkenswert widerstandsfähig geblieben. Von Auer erinnerte an die außergewöhnliche Rolle der US-Währung in der Weltwirtschaft: „Ungefähr 90 Prozent aller Währungsgeschäfte weltweit haben auf einer Seite den US-Dollar.“ Auch in den globalen Währungsreserven sei der Dollar mit einem Anteil von rund 60 Prozent weiterhin klar führend – „Japan ist dabei der größte Halter, nicht etwa China“, merkte er an.
Diese Dominanz setze sich auch im Welthandel fort: „Rund 50 Prozent aller Außenhandelsrechnungen werden in US-Dollar gestellt – selbst wenn kein US-amerikanisches Unternehmen beteiligt ist.“ Ebenso würden die meisten internationalen Bondemissionen in Dollar denominiert – ein weiteres Zeichen dafür, dass der Greenback als Leitwährung unangefochten sei. „Es gibt keine echte Alternative – weder den Euro, noch den Renminbi, noch Gold, schon gar nicht Bitcoin“, so von Auer.
Und doch habe sich der US-Dollar im bisherigen Jahresverlauf überraschend schwach entwickelt, was selbst erfahrene Marktteilnehmer überrascht habe. „Die meisten Prognostiker wurden auf dem falschen Fuß erwischt.“ Eine mögliche Erklärung: Die Angst vor einem umfassenden globalen Zollkonflikt, der insbesondere die USA selbst belasten könnte. Auffällig sei, so von Auer, dass der Dollar immer dann gefallen sei, wenn Donald Trump neue Zölle angekündigt habe – ein umgekehrtes Muster zu früheren Handelskonflikten.
Sein Fazit: „Die Finanzmärkte sind rationaler als viele Schlagzeilen vermuten lassen.“ Wechselkurse, Zinsen und Aktienkurse seien sensible Indikatoren für wirtschaftliche Erwartungen – und damit letztlich auch relevant für aktienbasierte Vergütungsmodelle, die sich langfristig an Stabilität und Kapitalmarktperspektive orientieren müssen.
Steuerliche Anreize und politische Rahmenbedingungen
Ein zentrales Thema war die steuerliche Förderung von Mitarbeiteraktien in Deutschland. Der steuerfreie Höchstbetrag wurde zuletzt auf 2.000 EUR angehoben – eine Maßnahme, die laut Ziegler „immer mehr Unternehmen zumindest dazu bringt, über eine stärkere Nutzung dieser Programme nachzudenken“.
Dr. Norbert Kuhn vom Deutschen Aktieninstitut bestätigte diesen Trend und beleuchtete die gesetzgeberischen Ambitionen. Zwar sei Deutschland weiterhin zurückhaltend im internationalen Vergleich, was steuerliche Begünstigungen angeht, doch seien mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz wichtige Weichen gestellt worden. Kuhn betonte auch die Rolle von Mitarbeiterbeteiligung zur Stärkung der Kapitalmarktkultur: „Wenn man Aktien im Depot hält, identifiziert man sich ganz anders mit dem Unternehmen.“
Besonders deutlich wurde Kuhn beim internationalen Vergleich: „In Ländern wie Großbritannien oder Frankreich sind die steuerlichen Anreize für Mitarbeiteraktienprogramme deutlich attraktiver.“ Dort könnten Unternehmen umfangreiche steuerfreie oder -begünstigte Programme anbieten, was die Beteiligungskultur sichtbar stärke. Auch in den USA seien Mitarbeiterbeteiligungen fest in der Unternehmenskultur verankert – nicht zuletzt durch Programme wie ESPPs (Employee Stock Purchase Plans), die dort steuerlich und operativ weit einfacher zu handhaben seien.
Für Deutschland sieht Kuhn daher weiterhin Nachholbedarf: „Die Richtung stimmt, aber wir sind längst nicht da, wo andere Länder schon seit Jahren stehen.“ Die staatliche Förderung müsse weiter ausgebaut werden – nicht nur aus steuerpolitischer Sicht, sondern auch, um Kapitalmarktteilhabe breiter Bevölkerungsschichten gezielt zu fördern.
Praxisbericht Mensch & Maschine: Überzeugung statt Pflichtübung
Ein konkretes Unternehmensbeispiel lieferte Markus Pech, CFO der Mensch & Maschine Software SE (MuM). Sein Vortrag „Gelebte Teilhabe aus Überzeugung“ zeigte, dass Mitarbeiteraktienprogramme nicht nur theoretisch sinnvoll, sondern auch operativ machbar sind – und zwar mit klar messbarem Nutzen.
MuM setzt auf klassische Belegschaftsaktienmodelle mit Matching Shares. Mitarbeiter können Aktien zum Börsenkurs erwerben und erhalten nach einer Sperrfrist Gratisaktien. „Die Identifikation mit dem Unternehmen ist dadurch enorm gestiegen. Wir merken, dass sich unsere Kolleginnen und Kollegen als Miteigentümer sehen – und genau das war unser Ziel“, so Pech.
Darüber hinaus sprach Pech offen über die Herausforderungen: Regulatorische Anforderungen, steuerliche Komplexität und die Notwendigkeit, für jeden Mitarbeiter ein passendes Angebot zu schaffen. „Es gibt keine One-size-fits-all-Lösung. Aber es gibt praktikable Wege, wenn man es wirklich will.“
Im Anschluss entwickelte sich eine rege Diskussion, bei der vor allem die Teilnahmequote, das Kursrisiko und steuerliche Aspekte im Fokus standen. Pech berichtete, dass rund 30% der Belegschaft regelmäßig am Programm teilnehmen – ein Erfolg, der auf jahrelange interne Kommunikation und Vorbilder aus dem Kollegenkreis zurückzuführen sei.
Zum Thema Kursrisiken betonte er die Bedeutung von Transparenz und Aufklärung: „Das ist ein Investment, kein Sparkonto.“ Auch zur steuerlichen Behandlung des Matchings gab es Nachfragen. Pech stellte klar, dass dieses lohnsteuerpflichtig sei, die Abwicklung aber dank digitaler Tools gut funktioniere. Sein Fazit: „Wir glauben an Beteiligung – nicht weil es gesetzlich gefördert wird, sondern weil sie wirkt.“
Juristische Strukturen und Modelle: Überblick und Abwägung
Im rechtlichen Teil der Veranstaltung führte Ulrich Weidemann von Heuking durch die verschiedenen Modelle aktienbasierter Vergütung – von Phantom Shares und Stock Appreciation Rights bis hin zu echten Aktienoptionen und Bezugsrechten. Weidemann betonte insbesondere die Notwendigkeit, steuerliche und gesellschaftsrechtliche Aspekte frühzeitig einzubeziehen.
Virtuelle Beteiligungsmodelle – insbesondere in Private-Equity-Strukturen – seien in Deutschland auf dem Vormarsch, so Weidemann. „Sie bieten Flexibilität, verursachen aber auch Liquiditätsbelastung beim Arbeitgeber.“ Dagegen seien echte Aktienprogramme steuerlich attraktiver und liquiditätsschonender, jedoch auch mit größerem rechtlichen Aufwand verbunden.
Kommunikation als Erfolgsfaktor: Total Rewards begreifbar machen
Ein zentrales Thema der Konferenz war auch die Vermittlung von Mitarbeiterbeteiligung als Teil eines ganzheitlichen Total-Rewards-Ansatzes. In ihrem gemeinsamen Vortrag zeigten Simone Schmitt-Schillig, Gründerin der Beratungsagentur Unequity, und Kerstin Birnbaum, verantwortlich für Group & Executive Compensation bei Merck KGaA, wie essenziell zielgruppengerechte Kommunikation für den Erfolg von Beteiligungsprogrammen ist.
„Mitarbeiterbeteiligung funktioniert nicht durch Excel-Tabellen, sondern durch Geschichten, durch Identifikation“, betonte Schmitt-Schillig. Programme müssten emotional anschlussfähig sein und verständlich erklärt werden – nur dann könnten sie ihre Wirkung als Motivations- und Bindungsinstrument entfalten. Besonders wichtig sei dabei die Verbindung mit anderen HR-Instrumenten wie betrieblicher Altersvorsorge (bAV) oder Finanzbildung: „Wer versteht, wie Aktien funktionieren, kann den Mehrwert von Mitarbeiterbeteiligung ganz anders einschätzen.“
Kerstin Birnbaum ergänzte die Perspektive aus der Unternehmenspraxis: „Wir sehen bei Merck, dass einfache Sprache, klare Visualisierungen und wiederholte Touchpoints im Jahr entscheidend sind.“ Gerade in einem internationalen Konzern mit unterschiedlichen Bildungs- und Erfahrungshintergründen bei den Mitarbeitenden sei die Individualisierung der Kommunikationskanäle und -inhalte unabdingbar.
Beide Referentinnen betonten, dass Kommunikation kein „Add-on“ sei, sondern integraler Bestandteil jeder Beteiligungsstrategie: „Wenn Mitarbeitende nicht verstehen, wie sie profitieren – werden sie auch nicht teilnehmen.“ Erfolgreiche Unternehmen würden deshalb bereits in der Konzeption von Programmen Kommunikation mitdenken – und diese nicht erst am Ende „draufsetzen“.
Avolta Group: LTI-Pläne im globalen Wandel
Einen visionären Einblick in den Transformationsprozess eines global agierenden Konzerns bot Philipp Bastian, Senior Vice President Total Rewards & People Technology bei der Avolta Group. Avolta ist aus der Fusion von Dufry und Autogrill hervorgegangen und betreibt weltweit Shops, Bars und Restaurants an Verkehrsknotenpunkten.
Bastian beschrieb offen die Ausgangslage: „Wir hatten keine echten LTI-Pläne, sondern eher Fake-Cash-Modelle.“ Inzwischen hat Avolta ein einheitliches Total-Rewards-Framework geschaffen, das auf einem Performance-Share-Plan basiert – mit den Zielgrößen Earnings per Share, Total Shareholder Return und Nachhaltigkeit. „Unser Plan richtet sich aktuell an 250 Senior Leaders. Es ist ein relevanter Bestandteil des Vergütungspakets – und zwar nicht nur symbolisch.“
Interessant ist der sehr differenzierte Ansatz: Die LTIs werden als Prozentsatz des Grundgehalts definiert, je nach Funktion und strategischer Bedeutung. „Für klassische Backoffice-Positionen liegt der Standard bei 35%, mit Spielraum nach oben oder unten“, so Bastian. Bemerkenswert ist auch, dass kaum ein Teilnehmer seine Aktien nach Vesting verkauft – ein Zeichen für langfristige Bindung und Vertrauen in die Unternehmensentwicklung.
Neben der Vergütung setzt Avolta auch technologisch neue Maßstäbe: Ein globaler Roll-out von SAP SuccessFactors unterstützt das neue Kompensationsmodell und ermöglicht erstmals eine konsolidierte Sicht auf die Belegschaft. „Wir wussten vorher gar nicht genau, wie viele Menschen für uns arbeiten“, so Bastian pointiert.
Fazit: Mehr Klarheit, mehr Möglichkeiten – aber auch mehr Verantwortung
Die Equity Based Compensation Konferenz 2025 bot ein facettenreiches Bild des Status quo und der Entwicklungsmöglichkeiten aktienbasierter Vergütung in Deutschland und darüber hinaus. Während steuerliche Rahmenbedingungen allmählich attraktiver werden, zeigt die Praxis: Der Schlüssel liegt in konsequenter Umsetzung, transparenter Kommunikation und maßgeschneiderter Ausgestaltung.
Jörg Ziegler brachte es zum Abschluss auf den Punkt: „Wir sehen, dass immer mehr Unternehmen Mitarbeiterbeteiligung nicht als Pflichtübung, sondern als strategisches Element verstehen.“ Beispiele wie die von MuM, Merck und Avolta zeigen: Wer Mitarbeitermotivation ernst meint, kommt an innovativen Beteiligungsmodellen nicht vorbei.