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Kampf gegen Abzugshauben

­Willi Bruckbauer ist gelernter Schreinermeister und Küchenhändler. Durch Beschwerden seiner Kunden kommt ihm eine Geschäftsidee, die er zu einem Unternehmen mit Pioniergeist entwickelt. Nun will Bora seinen festen Platz im anspruchsvollen Küchenmarkt behaupten.

Eines Tages fährt Willi Bruckbauer auf der Autobahn an Duisburg vorbei, einer alten Bergbauregion mit hohen Schloten. Der aufsteigende Dampf verteilt sich kilometerweit in der Gegend. Bruckbauer beobachtet, dass der Dampf wegen einer Brise zur Seite geht, anstatt nach oben zu steigen. Vom Ausflug ins Ruhrgebiet bringt Bruckbauer die Idee für seine Kücheninnovation mit nach Hause.

Bora ist aus reiner Intuition entstanden. Der Entwickler des Kochfeldabzugs nach unten ist weder Physiker noch Ingenieur. Bis vor gut zehn Jahren verkauft Bruckbauer in seinem Küchenstudio Werkhaus Einbauküchen und Hausgeräte. Die Kunden beklagen sich oft über die Dunstabzugshaube – bis dahin ein lautes, sperriges, aber notwendiges Übel in der Küche. Bruckbauer macht sich seit geraumer Zeit Gedanken über eine Lösung, bis ihm der genaue Blick auf den Duisburger Schlot zum Geistesblitz verhilft.

Wer sich heute die Produktbilder in den Prospekten anschaut, staunt immer noch über das Phänomen, das Kochdunst nach unten abgesaugt wird. Dabei macht das Austricksen der Naturgesetze Sinn: Wer Dampf und Gerüche dort einfängt, wo sie entstehen, braucht weniger Energie als an weiter entfernten Punkten, wo sich die Schwaden schon längst in alle Richtungen verflüchtigt haben. Der Staubsauger ist umso effektiver, je näher er am Dreck ist.

Beobachtung statt Berechnung

Um seine Idee in ein Produkt zu verwandeln, wird Bruckbauer zum Autodidakten für Aerodynamik. Die Herausforderung besteht darin, beim Abzug nach unten mittels eines Schaufelrades für Unterdruck sowie eine gleitende Luftführung zu sorgen. Zusammen mit einem Praktikanten entwickelt er nach Feierabend im Werkhaus die Technologie. Die beiden Tüftler testen verschiedene Motoren in Kochfeldern und untersuchen den Dampfabzug mit einer Messwand und einer Videokamera: „Wir mussten auf unsere Beobachtung vertrauen, berechnen konnten wir es ja nicht“, erzählt Bruckbauer heute.

Willi Bruckbauer ist gelernter Schreinermeister und Küchenhändler. Durch Beschwerden seiner Kunden kommt ihm eine Geschäftsidee, die er zu einem Unternehmen mit Pioniergeist entwickelt. Nun will Bora seinen festen Platz im anspruchsvollen Küchenmarkt behaupten.

Weder die Fachleute noch die Branche nehmen die Idee am Anfang ernst. Auch die Bank versagt ihre Unterstützung. Allein das Kochfeldwerk Matrei in Triol kommt Bruckbauer entgegen, indem es die ersten Chargen streckt und dem Start-up damit Zeit gibt, einen Kundenstamm aufzubauen. Matrei produziert bis heute für Bora. Ansonsten muss Bruckbauer die Gründungsphase aus dem Cashflow seines Küchenstudios finanzieren. Mit fünf Kochfeldern und einem Prototypen geht er auf Küchenmessen, sammelt Visitenkarten ein und baut den Vertrieb auf. In den ersten sechs Jahren verdoppelt sich der Umsatz jährlich.

Büroklotz und Werkhaus

Heute sitzt Bruckbauer, ein drahtiger Mann im mittleren Alter mit bairischem Akzent und sonorer Stimme, mit seinen Mitarbeitern im achten Stock eines typischen Bürohauses aus der Nachkriegszeit, das er vor drei Jahren gekauft hat. Zwei weitere Etagen sind ebenfalls mit Bora-Mitarbeitern besetzt, der Rest ist vermietet. Die Flure geben bei klarem Wetter den Blick frei aufs Mangfallgebirge. Der Büroklotz, der nun schrittweise renoviert wird, steht direkt gegenüber vom Werkhaus, einem kreisrunden Bau, der auf zwei Stockwerken verschiedene Küchen- und Möbelanbieter vereint. Es ist ein Ikea für kaufkräftige Kunden mit besonderem Geschmack. Bruckbauer ist nach wie vor der Besitzer des Werkhauses, veranstaltet hier fast jedes Wochenende Kochvorführungen im Erdgeschoss oder auf der Terrasse. Im hinteren, angebauten Bereich ist ein Schulungsraum für den Vertrieb von Bora untergebracht.

Die Produktion hat Bora von Anfang an ausgelagert. Im österreichischen Niederndorf unweit der deutschen Grenze befindet sich das Produktionswerk der Firma Gronbach. Hier werden die Bora Basic-Modelle hergestellt. Sie sind das Einsteigermodell und mit 50 Prozent Umsatzanteil der Bestseller von Bora. Die Mitarbeiter schrauben die Chassis zusammen, ein Roboterarm klebt punktgenau die Glaskeramik-Platten darauf. Am Ende der etwa 30 Meter langen Produktionsstraße geht alles in eine Qualitätskontrolle, wird persönlich abgestempelt und anschließend verpackt.

Faszination Leistungswert

Bora ist verschwiegen, was die eigenen Umsätze und den Gewinn betrifft. Bruckbauer sagt nur, dass Bora „auf gesunden Beinen“ stehe. In den vergangenen fünf Monaten sind über fünfzig neue Angestellte dazugekommen, insgesamt sind es jetzt etwas mehr als 200. Die Entwicklungsabteilung wurde auf über 20 Mitarbeiter verdoppelt und bezieht bald neben der Produktionsstätte in Niederndorf ein eigenes Gebäude.

Willi Bruckbauer ist gelernter Schreinermeister und Küchenhändler. Durch Beschwerden seiner Kunden kommt ihm eine Geschäftsidee, die er zu einem Unternehmen mit Pioniergeist entwickelt. Nun will Bora seinen festen Platz im anspruchsvollen Küchenmarkt behaupten.

Bora Professional: Das älteste und teuerste von drei Kochfeldsystemen. Mittlerweile gibt es dieses in der zweiten Generation.

Neben Forschung und Entwicklung ist das Marketing zum zweiten Standbein geworden. 5.000 Fernsehspots auf 29 Kanälen sind allein im vergangenen Jahr über die Mattscheibe gelaufen. Ein enormes Investment für einen Mittelständler. Der Markenexperte Dr. Oliver Errichiello glaubt, dass sich der Aufwand lohnt: „Die Faszination der Marke dreht sich allein um den Leistungswert. Hier steht kein schönes Model oder der sympathische Herr Bruckbauer im Mittelpunkt, sondern die Innovation.“ Kontroverser sieht Errichiello dagegen das Sponsoring des Radsportteams Bora – Hansgrohe, das unter anderem die Tour de France in diesem Jahr mitgefahren ist. Schließlich ist der Profiradsport berüchtigt für sein Dopingproblem. Bruckbauer selbst ist allerdings überzeugt, dass die Szene mittlerweile geläutert ist. Als früherer Leistungsradsportler steckt hinter dem Engagement auch eine persönliche Leidenschaft.

Bora versucht durch weitere Aktionen wie einen schwebenden Foodtruck oder eine Hobbykoch-Meisterschaft ein Markenerlebnis zu schaffen. Es soll wie beim Kochfeldabzug ein Sog entstehen, der Menschen dazu bewegt, aktiv nach den Produkten zu suchen. Derzeit beträgt die gestützte Markenbekanntheit laut GfK rund 20 Prozent. Im Juli 2015 waren es unter fünf Prozent.

Bora-Innovation zum Massenprodukt gereift

Der Küchenmarkt ist ein Milliardengeschäft mit stetig wachsenden Umsätzen, wie die Statistiken des Branchenverbandes Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche (AMK) zeigen. Die Deutschen geben immer mehr Geld für eine Einbauküche aus. Die Küche wird schon als das neue Statussymbol statt des Autos gepriesen. Vor allem das Label Made in Germany ist ein Verkaufsschlager.

Als inhabergeführter Betrieb mit regionalen Wurzeln gilt es für Bora, sich neben den Riesen der Branche wie Miele oder BSH Hausgeräte (beziehungsweise Bosch und Siemens) zu behaupten. Diese haben zwar die Innovation der sogenannten Muldenlüfter verschlafen. Allerdings bieten mittlerweile fast alle namhaften Hersteller ein Konkurrenzprodukt an.

Willi Bruckbauer ist gelernter Schreinermeister und Küchenhändler. Durch Beschwerden seiner Kunden kommt ihm eine Geschäftsidee, die er zu einem Unternehmen mit Pioniergeist entwickelt. Nun will Bora seinen festen Platz im anspruchsvollen Küchenmarkt behaupten.

Die Vision von Willi Bruckbauer vom Ende der Dunstabzugshaube wird damit Schritt für Schritt Wirklichkeit. Der Abzug nach unten hat innerhalb von zehn Jahren einen Marktanteil von 6,4 Prozent erreicht und ist zum Massenprodukt gereift, konstatiert auch der Branchenverband AMK. „Der Wettbewerb bestätigt uns, dass wir recht haben“, kommentiert Bruckbauer. Aber es besteht eben auch die Gefahr, dass die Großen in der Herde dem Kleinen das Futter wegnehmen. Rund 60 Patente hat Bruckbauer seit der Firmengründung angemeldet, doch nur eines ist derzeit offiziell bestätigt. Markenexperte Errichiello sieht Bora deshalb auch in Zukunft eher als Nischenplayer: „Die großen Konzerne fahren eine Me-Too-Strategie und bedienen den Massenmarkt. Bora muss sich weiter als hochpreisiges High-Class-Produkt etablieren und dadurch Begehrlichkeit schaffen.“

Produktqualität vor Marktanteil

Bruckbauer selbst beschreibt Bora als Spezialisten in der Lüftungstechnik. Er will die Atmosphäre eines innovativen und familiären Start-ups beibehalten und die Produkte weiterentwickeln, statt zu sehr auf den Marktanteil zu schauen: „Umsatz- und Gewinnmaximierung war nie das Unternehmensziel.“ Bei Bora spielt die Intuition offensichtlich bis heute eine große Rolle.


Zur Person

Willi Bruckbauer ist Schreinermeister in sechster Generation, bevor er sich 1996 mit dem Werkhaus in Raubling bei Rosenheim selbstständig macht. Zwischendurch ist er semiprofessioneller Radsportler und fährt unter anderem mehrere Sechstagerennen. Im Laufe des Jahres 2006 entwickelt er zusammen mit einem Praktikanten Bora Professional als Alternative zur Dunstabzugshaube. 2007 folgt die Gründung der Bora Lüftungstechnik GmbH, die 2010 den Deutschen Gründerpreis gewinnt. Heute vertreibt Bora seine Kochfeldsysteme Basic, Classic und Professional in 55 Ländern. Das Gros des Umsatzes verdient das Unternehmen in der DACH-Region und den Niederlanden.

www.bora.com

 

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