„Man kann eine Bohrinsel verlieren“

In schweren Zeiten helfen auch 40.000 PS Zugleistung nichts: Die Reederei Harms Bergung Transport & Heavylift musste mehrmals umstrukturiert werden. Heute ist sie der führende Dienstleister für Offshore-Schleppleistungen. Geschäftsführer Michael Albrecht erklärt warum. 

Ihr Unternehmen wurde immer wieder umstrukturiert. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Man muss mit den Markterfordernissen gehen. Als wir Harms Bergung 2001 vom holländischen Unternehmen Smit samt einem großen Schwimmkran und mehreren kleinen Schleppern kauften, war es vor allem im Wasserbau und der Bergung tätig. Wir haben dann einen größeren Schlepper für die Öl- und Gasförderungsindustrie hinzugekauft, zu einer Zeit, in der die Industrie noch fest in skandinavischer, englischer und holländischer Hand war. Wir haben uns unseren Platz erobert und nach und nach acht neue Schiffe gebaut. Unsere Schiffe sind dabei nach dem deutschen KG-Modell finanziert, also durch eine Vielzahl von Kommanditisten, zu denen wir selbst auch zählen.

Also weniger Bergung, hin zum Schleppen?

Zum Schleppen und ganz gezielt zu einer Dienstleistung für die Offshore- Öl- und Gasindustrie. Das war eher eine Neuorientierung als eine Restrukturierung. Restrukturierungen gab es dann 2009 bis 2011 wegen der Schifffahrtskrise. Damals haben die großen Ölgesellschaften ihre Investitionen praktisch über Nacht auf null gedreht, was bei uns zu Liquiditätsproblemen führte. Wir hatten unsere Liquidität immer dazu verwendet, Darlehen – die Schiffe sind ja zum größten Teil über Bankdarlehen finanziert – vorzeitig zurückzuführen. Zum Glück konnten wir die Liquiditätsprobleme innerhalb unseres KG-Gesellschafterkreises, dem die Schiffe ja gehören, über Vorzugskapital lösen. Diese Darlehen haben wir bereits 2013 vollständig zurückgezahlt.

Was sind Ihre unternehmerischen Lektionen aus dieser Zeit?

Eine gute Gegenwartslage nicht für die Zukunft zu nehmen, kritisch bleiben. Und, wichtig: Bei finanziellen Nöten muss in jedem Fall die Kommunikation mit den Banken perfekt sein. Heute bekommen unsere Banken alle vier Wochen von uns ein perfektes Reporting samt Liquiditätsplanung, sie wissen jederzeit, wie die einzelnen Schiffsgesellschaften dastehen.

Wie rüsten Sie sich angesichts Ihrer Erfahrungen für Zeiten, in denen die Aufträge vielleicht wieder einmal enger werden?

Wir haben unsere Abteilung, die die Schiffe mit Aufträgen versorgt, verstärkt. Wir haben die Qualitätssicherung perfektioniert, hier sind die Anforderungen der Öl-Majors sehr hoch. So betreiben wir eine hausinterne Trainingseinrichtung, unsere   Schiffsführer trainieren dort Krisensituationen und lernen unsere Firmenphilosophie. Deshalb haben wir auch kaum Fluktuation, wir sind ein wenig wie eine große Familie.

Gibt es von Harms Bergung technische Innovationen?

Ja, auf allen Feldern, also bei Sicherheit und Umweltschutz, aber auch für eine hohe Betriebssicherheit durch redundante Systeme, damit wir pünktlich ankommen. Eine Bohrinsel zu bauen, dauert vielleicht fünf Jahre. Wenn sie produziert, erwirtschaftet sie 20 Millionen Dollar pro Tag. Der Verlust jeden einzelnen Tages ist also erheblich. Was die Umwelt betrifft: Nichts aus dem Schiff wird außer Bord gepumpt. An der Außenhaut sitzen keine Öltanks mehr. Selbst bei Kollision oder Bodenberührung könnte kein Öl austreten.

Zum Schluss zu Ihrem Verfahren wegen Untreue und Korruption seit 2009. Der Vorwurf dazu lautete, Sie und Ihr Partner hätten beim Bau von drei Schiffen Geld für Leistungen berechnet, die sie gar nicht erbracht hätten. Deshalb wurden Sie 2012 in erster Instanz wegen Untreue verurteilt. Was davon ist geblieben?

Der Vorwurf stimmt nicht, das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof zwischenzeitlich vollständig aufgehoben und zur Neuverhandlung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen, und zwar nicht nur aus formalen Gründen. Dieser neue Prozess in Augsburg läuft gerade, und ich hoffe hier auf Sorgfalt und Gerechtigkeit.

 

Zur Person

Michael & Tim Albrecht/Harms BergungHarms Bergung Transport & Heavylift ist führender Anbieter von Offshore-Schlepp-Dienstleistungen. Die 1851 gegründete Reederei operiert mit einer Flotte von acht Hochseeschleppern, die in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen entwickelt wurden. Die Reederei ist seit 2001 unabhängig und befindet sich zu 100% in Familienbesitz. Geführt wird das Unternehmen von Michael Albrecht und seinem Sohn Tim. www.harms-bergung.de

Autorenprofil

Georg von Stein ist Gastautor.

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