Studie zu Unternehmen: Raus aus Russland – und dann?

Nach dem kriegerischen Einmarsch Russlands in die Ukraine ziehen sich immer mehr westliche Unternehmen aus Russland zurück.
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Nach dem kriegerischen Einmarsch Russlands in die Ukraine ziehen sich immer mehr westliche Unternehmen aus Russland zurück – auch, weil die Öffentlichkeit diese Reaktion erwartet. Für die Entscheidung von Unternehmen, sich aus Russland zurückziehen, spielen derzeit verschiedene Faktoren eine Rolle, wie die Managementberatung Globeone untersucht hat und in einer Studie näher erklärt.

„Die großen Unternehmen verteidigen gerade ihre Glaubwürdigkeit und den Ruf ihrer Marke“, glaubt Dr. Niklas Schaffmeister, geschäftsführender Gesellschafter von Globeone. „Dass sie nur auf den Zug aufspringen und ihr russisches Geschäft aufgeben, um Reputationsgewinne zu erzielen, halte ich für sehr unwahrscheinlich.“ Kommerziell gebe es für Unternehmen in der derzeitigen Situation nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren. „Marken sind wie Menschen auf der Grundlage von Werten positioniert. Sind diese Werte stark, kann man nicht einfach schweigen und weitermachen, wenn so etwas passiert wie aktuell in der Ukraine“, meint Schaffmeister. Der Rückzug aus Russland könne in vielen Fällen schnell erfolgen – insbesondere bei Großkonzernen, die sich den Wegfall des Geschäfts leisten könnten und nicht von russischem Öl und Gas abhängig seien. Das Problem sei bei Nahrungsmittel- und Konsumgüterunternehmen jedoch, dass ihre Geschäftsaufgabe wegen des Einflusses auf lebenswichtige Infrastrukturen eher die russische Bevölkerung als die Machthaber treffe.

Drei Muster, wie Unternehmen reagieren

Grundsätzlich seien laut Schaffmeister derzeit drei Reaktionsweisen von westlichen Unternehmen zu beobachten: Zum einen sehr starke Reaktionen, oft verbunden mit der langfristigen Aufgabe des Geschäfts. Zum anderen eher verhaltene Reaktionen, bei der es vor allem um ein vorläufiges Aussetzen von Aktivitäten gehe. „Diese Reaktionen erfolgen häufig unter dem Hinweis, die Situation weiter beobachten zu wollen oder begleitet von Spendenaktionen. Eine schnelle Rückkehr in den russischen Markt ist hier nicht ausgeschlossen“, so Schaffmeister. Und schließlich gebe es auch viele Unternehmen, die gar nicht oder allenfalls nur mit vagen Statements als Antwort auf den Druck der Öffentlichkeit reagierten. „Diese Reaktionsweise kann langfristig zu starker Kritik und zu Imageschäden führen, vor allem bei Unternehmen, die stark in der Öffentlichkeit exponiert sind“, meint Schaffmeister.

Fünf Fragen, die Globeone in der Studie näher erläutert

Für die Entscheidung von Unternehmen, sich aus Russland zurückziehen, spielen derzeit verschiedene Faktoren eine Rolle, die Globeone in der Studie untersucht hat. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:

  1. Wie groß ist der Geschäftsanteil des Unternehmens in Russland und wie stark ist die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas?
  2. Wie stark ist das Unternehmen von den Sanktionen betroffen?
  3. Aus welcher Branche kommt das Unternehmen?
  4. Wie sehr steht das Unternehmen im Fokus der Öffentlichkeit?
  5. Was ist die bisherige Reputation des Unternehmens und wie wertebasiert ist das Unternehmen?

Hier geht es zur Studie: Download der Studie

Wann ist eine Rückkehr nach Russland angebracht?

Auch für die Zukunft benötigten Unternehmen, die Russland jetzt den Rücken kehrten, eine durchdachte Strategie, zumal westlichen Konzernen laut Kreml Enteignungen in Russland drohen. „Hoffentlich herrscht möglichst bald wieder Frieden. Spätestens dann stellt sich die Frage, wann und wie eine Rückkehr geboten ist. Woran ist sie festzumachen, was sind die Maßstäbe? Und wie gelingt Unternehmen dann eine Wiederaufnahme ihrer Geschäftsaktivitäten in Russland, ohne an Glaubwürdigkeit einzubüßen?“ Bis es so weit ist, seien viele Kunden zudem vermutlich erst einmal an chinesische Marken verloren, glaubt Schaffmeister, da diese bereitwillig die entstandenen Lücken auffüllten. „Branchenkenner gehen beispielsweise davon aus, dass Apple erhebliche Marktanteile an Xiaomi verlieren wird. Für das Markenmanagement sehe ich hier sowie bei anderen Unternehmen immense Aufgaben.“

Apropos China: „Wie reagieren große Konzerne wie etwa die deutschen Automobilhersteller, falls China einmal in Taiwan einmarschieren sollte, das in Peking als abtrünnige Provinz betrachtet wird? Geben Sie dann dieses für sie sehr wichtige Auslandsgeschäft ebenfalls auf?“, fragt Schaffmeister. Volkswagen beispielsweise verkaufe fast jedes zweite Auto in China. „Die Aufgabe der Profitabilität aus politischen Gründen dürfte dann schon weitaus schwerer fallen. Und die berechtigte Frage ist, ob das dann auch sinnvoll wäre.“ Grundsätzlich müssten sich Unternehmen jetzt rechtzeitig auf weitere denkbare geopolitische Krisen vorbereiten, um besonnen zu reagieren und gleichzeitig klare Haltung zeigen zu können.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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