Kreditzugang bleibt herausfordernd

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Nach den Erleichterungen beim Finanzierungszugang zu Jahresbeginn waren die Finanzinstitute in Deutschland im zweiten Quartal bei Kreditgesuchen ihrer Firmenkunden wieder vorsichtiger, wie die aktuelle KfW-ifo-Kredithürde zeigt. Dabei empfanden im Mittelstand nahezu gleich viele Unternehmen wie im Vorquartal das Bankverhalten bei Kreditverhandlungen als restriktiv. Bei den Großunternehmen kam es nach dem deutlichen Rückgang der Kredithürde im Vorquartal nun zu einer Gegenbewegung nach oben. Der Anteil der Unternehmen, die überhaupt Kreditverhandlungen mit Banken führten, stieg laut der Befragung im zweiten Quartal in beiden Größenklassen an, blieb aber jeweils unterhalb des langfristigen Durchschnitts. „Im zweiten Quartal zeichnet sich bei weiterhin herausfordernden Kreditzugangsbedingungen eine vorsichtige Belebung bei der Nachfrage von Unternehmen nach Bankdarlehen ab. Das spricht dafür, dass sich die Kreditaufnahme trotz des markanten Zinsanstiegs im letzten Jahr stabilisieren dürfte und ein ähnlicher Einbruch wie bei den privaten Wohnungsbaudarlehen vermieden werden kann“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Trotz des schwachen konjunkturellen Umfelds gehe ich auch deshalb weiter davon aus, dass es bei den Unternehmensinvestitionen 2023 für ein moderates Plus reichen wird. Angesichts des hohen Investitionsbedarfs für Digitalisierung und Klimaneutralität ist das eine gute Nachricht.“

Automobilindustrie mit weniger Aufträgen

Der deutsche Dienstleistungssektor hat zum Start des dritten Quartals abermals an Tempo eingebüßt. So hat sich nach einer Auswertung des Wirtschaftsinformationsdienstleisters S&P Global das Geschäftstätigkeitsplus zum zweiten Mal in Folge spürbar abgeschwächt. Ursächlich für die Verlangsamung sei ein massiver Nachfrageeinbruch – der erste seit sechs Monaten. Derweil ließ in der Befragung auch die Zuversicht nach, was wiederum den Stellenaufbau deutlich ausbremste. Ausschlaggebend für den Dynamikverlust war laut S&P, dass die Nachfrage im Servicesektor erstmals seit einem halben Jahr merklich einbrach. In den fünf Monaten zuvor waren die Neuaufträge noch durchgängig angestiegen. Der Rückgang im Juli war laut Befragten auf die knapperen Kundenbudgets, die unsicheren Konjunkturaussichten und die verschärften Kreditkonditionen zurückzuführen. Mit zum jüngsten Minus beigetragen haben auch die Einbußen beim Exportgeschäft. Dieses ging bereits den zweiten Monat hintereinander und mit der kräftigsten Rate seit Dezember 2020 zurück. Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, kommentiert die aktuellen Umfrageergebnisse: “Bei den Dienstleistungsunternehmen besteht die Befürchtung, dass die Beschäftigten bald Däumchen drehen könnten, da sich der Auftragseingang im Juli deutlich verschlechtert hat. Dazu passt der Einbruch bei den neuen Exportgeschäften und der Rückgang der Auftragsbestände. Die Firmen haben darauf reagiert, indem sie weniger Personal als in den Vormonaten eingestellt haben. Wir gehen davon aus, dass der Stellenaufbau in den nächsten Monaten zum Stillstand kommen wird, auch wenn die Unternehmen nicht in großem Umfang Arbeitsplätze abbauen werden.“

Preiserwartungen steigen geringfügig

Die Preiserwartungen der deutschen Unternehmen für die kommenden Monate sind laut dem Münchener ifo Institut geringfügig gestiegen. „Erstmals seit Oktober 2022 hat der Anteil der Unternehmen, der per saldo seine Preise anheben will, nicht weiter abgenommen“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Vor allem bei den Einzelhändlern und den konsumnahen Dienstleistern plant eine wachsende Mehrheit der befragten Unternehmen weitere Preiserhöhungen. „Damit dürfte sich der Rückgang insbesondere der heimischen Inflation weiter hinziehen“, ergänzt Wollmershäuser.  Im Gegensatz zu den konsumnahen Bereichen dürfte der Preisanstieg im Produzierenden Gewerbe laut ifo-Auswertung mittlerweile gestoppt sein. Die Autoindustrie plane vermehrt Preisanhebungen. Sinkende Preise planen laut ifo unter anderem das Papiergewerbe und die Chemische Industrie sowie das Baugewerbe.

Die Inflation in Deutschland im Jahr 2022 ist laut ifo-Experten vor allem auf höhere Kosten für Vorleistungen zurückzuführen. Die Verteuerung von Vorprodukten, Energie und einer Vielzahl von Rohstoffen würden den Großteil der Preissteigerungen erklären. „Einige Unternehmen konnten im vergangenen Jahr ihre Gewinnmargen aufgrund der kräftigen Nachfrage in vielen konsumnahmen Bereichen ausweiten“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der ifo-Konjunkturprognosen. Steigende Löhne trugen hingegen nur geringfügig zum Preisanstieg bei. „Eine Lohn-Preis-Spirale ist bislang ausgeblieben“, fügt Wollmershäuser hinzu. Teurere Vorprodukte hätten die Preise insbesondere in der Landwirtschaft, im Produzierenden Gewerbe, im Baugewerbe sowie im Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe angetrieben.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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