Internationalisierung und Erbrecht

Für viele Unternehmer bedeutet die fortschreitende Internationalisierung eine breitere Streuung ihres Vermögens auf der ganzen Welt. Auch bei der Wahl des Wohnortes schwindet die räumliche Bindung an die Heimat. Bevor die Nachfolgeplanung ansetzen kann, muss deshalb zunächst ermittelt werden, welches Erbrecht im Todesfall Anwendung findet.

Regelungsansatz der Europäischen Erbrechtsverordnung

Anders als das frühere deutsche Recht, das vor allem an die Staatsangehörigkeit angeknüpft hat, richtet sich die neue Erbrechtsverordnung nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Hält sich ein Deutscher heute also gewöhnlich in Frankreich auf, so gilt für ihn zunächst französisches Erbrecht. Wo der gewöhnliche Aufenthalt liegt, muss anhand verschiedener Kriterien wie Dauer, Regelmäßigkeit, Umstände und Gründe des Aufenthalts bestimmt werden. Entscheidend ist, wo tatsächlich gelebt wird, nicht wo der Wohnsitz gemeldet ist.

Vorteil der Neuregelung ist die einheitliche Anwendung in allen beteiligten Mitgliedstaaten. Früher regelmäßig auftretende Kollisionen zweier Rechtsordnungen, etwa wenn Frankreich für Grundbesitz nach dem Belegenheitsort, Deutschland aber grundsätzlich nach der Staatsangehörigkeit entschieden hat, sind damit innerhalb Europas Vergangenheit.


“Bei komplexen Nachfolgeplänen oder schwierigen familiären Verhältnissen müssen Auslandssachverhalte künftig noch intensiver geprüft werden.”

Dr. Rainer Kögel und Florian Reinhart, Kanzlei Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz


Rechtswahl

Das europäische Recht lässt jedoch in weitem Umfang zu, dass der Erblasser in seinem Testament wählt, welches Recht Anwendung finden soll. Das oft ungewollte Ergebnis, dass plötzlich bei Verlagerung des Lebensmittelpunktes ausländisches Recht Anwendung findet, kann dadurch zumindest im Geltungsbereich der Europäischen Erbrechtsverordnung in weitem Umfang vermieden werden.

 Fazit

Die Neuregelung zwingt im Ausland lebende Deutsche noch mehr als bisher dazu, sich über das bei ihrem Tod anwendbare Erbrecht Gedanken zu machen. Gleichzeitig eröffnet sie aber mit der weitgehend zugelassenen Rechtswahl auch größere Gestaltungsmöglichkeiten. Vor allem bei komplexen Nachfolgeplänen oder schwierigen familiären Verhältnissen müssen Auslandssachverhalte künftig noch intensiver geprüft werden.


Zu den Personen

Dr. Rainer Kögel (© Kanzlei Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz)
Dr. Rainer Kögel (© Kanzlei Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz)

 

Dr. Rainer Kögel ist Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz in Stuttgart. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt unter anderem in der Beratung von Familienunternehmen in Fragen der Unternehmensnachfolge.

 

 

 

 

 

Florian Reinhart (© Hennerkes, Kirchdörfer Lorz)
Florian Reinhart (© Hennerkes, Kirchdörfer Lorz)

 

 

Florian Reinhart ist seit 2015 Anwalt in der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz. Er ist auf gesellschaftsrechtliche Fragestellungen spezialisiert und als Anwalt in Deutschland und im US-Bundesstaat New York zugelassen.

www.hennerkes.de

 

 

Autorenprofil

Dr. Rainer Kögel ist Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz in Stuttgart. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt unter anderem in der Beratung von Familienunternehmen in Fragen der Unternehmensnachfolge.

Florian Reinhart ist seit 2015 Anwalt in der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz. Er ist auf gesellschaftsrechtliche Fragestellungen spezialisiert und als Anwalt in Deutschland und im US-Bundesstaat New York zugelassen.

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