Insolvenzwelle bleibt weiterhin aus

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Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2022 ist im Vergleich zum Vorjahr nur leicht gestiegen. Trotz großer Befürchtungen wegen der ausgelaufenen Corona-Hilfsprogramme und der Ukrainekrise ist eine Insolvenzwelle ausgeblieben. Der Berufsverband der Insolvenzverwalter (VID) erwartet auch für 2023 nur einen moderaten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. Nach den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) ist die Zahl der beantragen Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 4,3% Prozent gestiegen. Damit liegen die Fallzahlen immer noch um mehr als 20% unter dem Vorkrisenniveau (2019: 18.749 / 2022: 14.590). Weiterhin ergaben aktuelle Schätzungen von Destatis, dass die beantragen Unternehmensinsolvenzen im Februar 2023 um 10,8% gegenüber dem Vormonat gestiegen sind.

Nahtloser Übergang zur nächsten Krise

Das Jahr 2022 sei durch den Ukrainekrieg und seinen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Verbraucher gekennzeichnet gewesen. Noch vielfach von den Verwerfungen der Coronapandemie und deren Folgen betroffen, waren nach Aussage des VID viele Unternehmen nun nahtlos der nächsten Krise ausgesetzt. Gepaart mit einem zurückgehenden Konsumverhalten der Verbraucher und nach wie vor bestehender Lieferengpässe brachten deutlich steigende Preise, insbesondere für Energie und Rohstoffe, viele Unternehmen an ihre Leistungsgrenze.

Nur moderater Anstieg erwartet

Christoph Niering, Foto: VID

„Wie bereits in der Coronapandemie beschleunigten in einigen Branchen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukrainekriegs den allgemeinen Veränderungsprozess in spürbarer Weise. Gerade der Einzelhandel mit der erneuten Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof ist hierfür ein deutliches Beispiel“, sagt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). Alleine die Ankündigung zusätzlicher Staatshilfen habe zu einer Entspannung auf dem Energiemarkt und damit zu einem nur überschaubaren Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. „Trotz hohem Zinsniveau, dem immer noch andauernden Ukrainekrieg und der Verunsicherung in der Finanzwirtschaft erwarten wir für 2023 allenfalls einen moderaten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. Für einzelne Branchen, wie etwa der Baubranche, werden die Insolvenzrisiken allerdings allein schon aufgrund des Zinsanstiegs deutlich größer ausfallen“, so Niering weiter.  Neben der Belastung auf dem Immobilienmarkt würden Branchen wie der Einzelhandel auch im Jahr 2023 besonders mit dem Strukturwandel zu kämpfen haben. Auch Klinik- und Pflegeeinrichtungen werden die besonderen Belastungen im Gesundheitssystem gerade in Hinblick auf die bestehenden Planungsunsicherheiten zu spüren bekommen.

Zahlungsmoral verschlechtert sich

Die weltweite Zahlungsmoral hat sich zuletzt stärker verschlechtert als in den sieben vorangegangenen Jahren zusammengenommen: Rechnungen wurden 2022 nach durchschnittlich 59 Tagen bezahlt – und damit fünf Tage später als noch im Vorjahr. Dies ist eines der Ergebnisse der Allianz Trade-Studie zur weltweiten Zahlungsmoral. Schon zuvor habe sich das weltweite Zahlungsverhalten – mit Ausnahme von 2020 – sukzessive verschlechtert. „Die Zahlungsmoral ist ein wichtiger Vorbote von Zahlungsverzögerungen und -ausfällen sowie Insolvenzen. Je länger Unternehmen auf ihr Geld warten müssen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie am Ende auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben. Die Rolle der Lieferanten als unsichtbare Bank kommt also wieder voll zum Tragen und erhöht die Liquiditätsrisiken im System“, sagt Maxime Lemerle, Chefanalyst für Insolvenzen bei Allianz Trade (vormals Euler Hermes).

Werte auch in Deutschland schlechter

Auch in Deutschland ist laut Allianz Trade eine deutliche Verschlechterung bei der Zahlungsmoral sichtbar. Hierzulande würden Rechnungen im Jahr 2022 durchschnittlich vier Tage später bezahlt als 2021 – nach durchschnittlich 49 Tagen. „Den Deutschen sagt man seit jeher eine gute Zahlungsmoral nach“, sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Die aktuellen Zahlen bestätigen diesen Ruf auch in diesen schwierigen Zeiten. Die deutschen Unternehmen bezahlen ihre Rechnungen 10 Tage schneller als im weltweiten Durchschnitt und eine Woche früher als Unternehmen in den europäischen Nachbarländern. Das ist ein ziemlich eklatanter Unterschied – aber keine Garantie.“ Der Trend mit einer schlechteren Zahlungsmoral dürfte sich 2023 fortsetzen – sowohl weltweit als auch in Deutschland. „Zuletzt haben wir deutlich mehr Zahlungsverzögerungen und auch einige größere Insolvenzen gesehen“, sagt Bogaerts. „Insgesamt erwarten wir in diesem Jahr rund 15 % mehr Pleiten als 2022 und damit eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens.“

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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