Gläubigerversammlung schützt vor Insolvenz

Mit Anleihe-Gläubigerversammlungen können Firmen ihre Bilanz restrukturieren und dem Insolvenzverwalter ein Schnippchen schlagen – wenn sie es richtig anstellen.

Wenn die Rückzahlung einer Anleihe gefährdet oder das  Eigenkapital aufgebraucht ist und die Eigentümer kein neues nachschießen, können Anleihegläubiger über einen Forderungsverzicht verbunden mit einer Sacheinlage das nötige Eigenkapital bereitstellen und damit eine Insolvenz der Firma verhindern. Im gleichen Zuge werden die Anleihe-Gläubiger zu neuen Miteigentümern. In jüngster Zeit gab es einige Beispiele, bei denen so ein Modell erfolgreich umgesetzt wurde – aber auch einige gescheiterte Versuche. Bei letzteren haben sich mehrere Themenkomplexe
als Stolpersteine herauskristallisiert.

Der Zeitfaktor

Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint der Zeitraum eines halben Jahres übertrieben, da die Einberufungsfrist für eine Gläubigerversammlung nur rund zwei Wochen beträgt. Doch diese Einschätzung greift zu kurz: Zum einen, weil meistens aufgrund der nicht erreichten Mindestpräsenz zur Beschlussfähigkeit eine zweite Versammlung erforderlich ist. Zum anderen, weil nicht der Zeitpunkt der Gläubigerversammlung für die Umsetzung der Kapitalmaßnahmen entscheidend ist, sondern die Fristen, in denen Klagen gegen die Beschlüsse dieser Versammlung möglich sind.

Ab dem Tag der Beschlussfassung haben die Gläubiger vier Wochen Zeit, eine Klage einzureichen. Das darauf folgende Freigabeverfahren soll in der Regel einen Zeitraum von drei Monaten nicht übersteigen. Dies gibt potenziellen Klägern einen hervorragenden Hebel an die Hand, um Firmen, die in Not sind und unter zeitlichem Druck stehen, Kompromisse und Kompensationen abzutrotzen.

Die Mindestpräferenz

Für eine Beschlussfähigkeit der Gläubigerversammlung bei substanziellen Änderungen der Anleihebedingungen ist laut Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) eine Mindestpräsenz von 50% des ausstehenden Anleihekapitals erforderlich, die in der Regel nicht erreicht wird. Das Gesetz räumt jedoch die Möglichkeit einer zweiten Versammlung ein, auf der das Präsenzerfordernis auf 25% sinkt.

Diese Hürde ist prinzipiell zu nehmen, allerdings bedarf es auch dafür präsenzsteigernder Maßnahmen. Für diese ist zwischen den beiden Versammlungen ein Zeitraum von vier Wochen zwar nicht gesetzlich gefordert, aber praktisch geboten, denn die Kontaktaufnahme mit Anlegern bedarf einer gewissen Zeit.

Gerade bei den meisten Mittelstandsanleihen haben auf den Versammlungen weder die privaten noch die institutionellen Anleger die  erforderlichen Mehrheiten, um Beschlüsse alleine verabschieden zu können. Beide Gruppen sind jedoch aufeinander angewiesen und müssen kontaktiert werden.

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