Gen Z im Mittelstand: Wertewandel statt Faulheit

Wie Unternehmen Generationenkonflikte lösen und junge Talente gewinnen

Die digitale Affinität der Gen Z kann ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zur Digitalisierung von Unternehmen leisten.
Autorin Stefanie Bindzus, Geschäftsführerin des ostwestfälischen Mittelständlers ITV, weiß aus eigener Erfahrung, wie Unternehmen den Generationenkonflikt überwinden und die Gen Z für sich gewinnen. Foto: © ITV GmbH

Die Generation Z (Jahrgang 1995 bis 2010) wird oft mit negativen Attributen wie „faul“, „fordernd“ und „verwöhnt“ belegt. Doch die Vorurteile gegenüber dem Nachwuchs in Unternehmen haben eine andere Ursache: ein verschobenes Wertesystem. In diesem Beitrag wird erörtert, wie Unternehmen den Generationenkonflikt überwinden und die Gen Z für sich gewinnen können.

In der täglichen Praxis zeigt sich, dass die Integration unterschiedlicher Generationen in einem Unternehmen eine große Herausforderung darstellt. Die Probleme sind vielfältig und reichen von unterschiedlichen Vorstellungen bei der Kleidungswahl über Kommunikationsschwierigkeiten bis hin zu abweichenden Erwartungen an die Arbeitskultur. Typische Stolperfallen der Gen Z sind:

  1. Dresscode: Junge Mitarbeiter erscheinen häufig in legerer Kleidung, was zu Irritationen führt. Von bauchfrei bis Badelatschen habe ich schon alles erlebt.
  2. Kommunikation: Die ständige Nutzung von Smartphones, selbst während direkter Gespräche, beeinträchtigt die Kommunikation.
  3. Büro-Knigge: Eine fehlende Begrüßungskultur, informelles Verhalten, das auch den Arbeitsablauf stört, und eine betont lässige Sitzhaltung im Bürostuhl sind weit verbreitet.
  4. Perspektivlosigkeit: Oft fehlt es an klaren persönlichen und beruflichen Zielen, was als mangelnde Motivation fehlinterpretiert wird.

Diese Verhaltensweisen führen zu Missverständnissen und Konflikten zwischen den Generationen. Anstatt die Gen Z auf Stereotypen zu reduzieren, ist es wichtig, in den Dialog zu gehen, um deren Wertesystem zu verstehen.

Wertewandel verstehen und nutzen

Die neue Generation kann eine Chance für Unternehmen sein, sich weiterzuentwickeln. Sie bringt neue Perspektiven in die Arbeitswelt. Sie legt großen Wert auf Flexibilität, Work-Life-Balance und sinnstiftende Arbeit. Diese Werte können für Unternehmen durchaus von Vorteil sein.

Flexibilität wird von der jungen Generation geschätzt, da viele bereit sind, auch außerhalb regulärer Arbeitszeiten zu arbeiten. Unternehmen sollten daher flexible Arbeitsmodelle anbieten, um diese Bereitschaft zu fördern.

Die digitale Affinität der Gen Z kann ebenfalls einen entscheidenden Beitrag zur Digitalisierung von Unternehmen leisten. Reverse Mentoring-Programme, bei denen junge Mitarbeitende ihre älteren Kollegen in digitalen Themen schulen, können den Wissensaustausch fördern und Unternehmen von innen heraus auf ein neues technologisches Niveau heben.

Darüber hinaus legt die Gen Z großen Wert auf eine werteorientierte Unternehmenskultur: Ehrlichkeit, Kommunikation und persönliche Weiterentwicklung sind für sie entscheidend. Also warum nicht für das eigene Unternehmen nutzen statt anprangern? Schließlich tragen diese Werte auch viele Unternehmer in sich. Entscheidend dafür ist, dass Unternehmen ihre Werte genauso klar kommunizieren und aktiv leben.

Lösungsansätze für den Mittelstand

Die meisten fragen sich an dieser Stelle: Wie geht das konkret? Wie kann die Gen Z erfolgreich in den Mittelstand integriert und begeistert werden? Bei ITV haben wir folgende Maßnahmen ergriffen:

  1. Klare Kommunikation: Erwartungen sollten offen angesprochen werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Wir haben gemeinsam einen „Büro-Knigge“ erarbeitet, der grundlegende Verhaltensregeln festlegt.
  2. Generationsübergreifender Austausch: Regelmäßige Teamevents schaffen Gelegenheiten für den informellen Austausch zwischen Jung und Alt. So können beide Seiten voneinander lernen und Verständnis füreinander entwickeln
  3. Flexible Arbeitsmodelle: Das Unternehmen bietet, wo es möglich ist, flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Optionen an. Gleichzeitig haben wir klare Regeln für die Präsenz im Büro und die Erreichbarkeit definiert.
  4. Nutzung digitaler Technologien: Die Affinität der jungen Generation fördern wir, indem wir seit Anfang 2024 Azubis mit der digitalen Ausbildungsapp von simpleclub ausbilden, um das Lernen optimal auf die Gen Z anzupassen.
  5. Wertschätzung für Diversität: Wir betonen im Unternehmen die Vorteile der Generationenvielfalt und schaffen so eine Kultur, in der unterschiedliche Perspektiven als Bereicherung gesehen werden.
  6. Förderung von Eigenverantwortung: Junge Mitarbeitende erhalten früh Verantwortung für eigene Projekte, um ihr Engagement und ihre Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken.

Zukünftige Maßnahmen

Um die Integration der Gen Z weiter zu verbessern, planen wir folgende zusätzliche Schritte:

  1. Sinnstiftung und Perspektiven aufzeigen: Wir werden verstärkt unsere Unternehmensvision kommunizieren und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen.
  2. Anpassung der Führungskultur: Führungskräfte sollen in einem coachenden Führungsstil geschult werden. Zudem möchten wir eine regelmäßige Feedbackkultur etablieren.
  3. Teambuilding-Maßnahmen: Durch Mentoring-Programme und gemischte Projektteams wollen wir Berührungsängste abbauen und ein konstruktives Miteinander fördern.

Fazit: Generationenvielfalt als Chance für den Mittelstand

Die Integration der Gen Z in den Mittelstand ist zwar herausfordernd, bietet aber große Chancen für Innovation, Modernisierung und die mitunter dringend nötige Transformation. Um diese Potenziale zu nutzen, müssen Unternehmen offen für Veränderungen sein und gleichzeitig die Stärken aller Generationen wertschätzen. Als Führungskräfte sind wir gefordert, diesen Prozess aktiv zu gestalten, indem wir Vorurteile abbauen und eine Kultur der gegenseitigen Wertschätzung etablieren. Nur durch Dialog und Kompromissbereitschaft wird es uns gelingen, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu meistern und die Innovationskraft des Mittelstands zu sichern. Letztlich geht es darum, die besten Eigenschaften aller Generationen zu vereinen und so zukunftsfähige Unternehmen zu schaffen.

Autorenprofil
Stefanie Bindzus
Geschäftsführende Gesellschafterin at  | Website

Stefanie Bindzus ist geschäftsführende Gesellschafterin der mittelständischen ITV GmbH. Das Familienunternehmen entwickelt und produziert Pneumatik für nahezu alle Industriebereiche. Doch nicht nur auf technischer Seite setzt Stefanie Bindzus auf gute Verbindungen. Better together lautet ihr Credo. Sie bezieht daher Stellung zu Themen wie Leadership und HR, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Unternehmensnachfolge.

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