Website-Icon Unternehmeredition.de

Frühjahr sieht Wirtschaft im Dauerstress

Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihren Ausblick für dieses Jahr deutlich nach unten korrigiert. Die Institute erwarten für 2022 eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 2,7%. Im Herbst wurde noch mit einem Wachstum in Höhe von 4,8% gerechnet. Für das Jahr 2023 prognostizieren die Institute einen Wert von 3,1%. Die deutsche Wirtschaft steuert nach Ansicht der Experten durch schwieriges Fahrwasser und durchläuft aktuell die höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten.

„Der Erholungsprozess der deutschen Wirtschaft verzögert sich abermals. Das Konjunkturbild ist geprägt durch gegenläufige konjunkturelle Strömungen, die allesamt preistreibend wirken”, sagt Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel). Wie bereits andere Gutachten, so wurden auch für die Gemeinschaftsprognose zwei Szenarien berechnet. Das eine geht von fortgesetzten Gaslieferungen und keinen weiteren ökonomischen Eskalationen aus, das andere von einem sofortigen Stopp russischer Gaslieferungen. Das optimistischere Szenario sieht ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 2,7%. Sollten aber die Gaslieferungen ausfallen, dann werde nur ein Wachstum von 1,9% erreicht. Nach aktueller Lage plant die Bundesregierung – im Gleichklang mit einigen anderen europäischen Ländern – keinen Stopp des Imports von Gas aus Russland.

Warnung vor einem Stopp der Gaslieferungen

Für den Fall einer Unterbrechung der Gasimporte rechnen die Institute mit erheblichen Auswirkungen: Der Verlust beim BIP dürfte sich in den Jahren 2022 und 2023 auf 6,5% addieren – was rund 220 Mrd. EUR entspricht. Zudem sei ein Anstieg der Inflation auf 7,3% zu befürchten. Für das laufende Jahr rechnen die Institute aber selbst bei einer funktionierenden Versorgung mit russischen Gasimporten mit einer Inflationsrate von 6,1%, dem höchsten Wert seit 40 Jahren.

„Bei einem Stopp der Gaslieferungen droht der deutschen Wirtschaft eine scharfe Rezession. Wirtschaftspolitisch käme es dann darauf an, marktfähige Produktionsstrukturen zu stützen, ohne den Strukturwandel aufzuhalten. Dieser wird sich für die gasintensiven Industrien auch ohne Boykott beschleunigen, da die Abhängigkeit von den bislang günstig zu beziehenden russischen Lieferungen so oder so rasch überwunden werden soll”, so Kooths. „Auch die Hilfen für private Haushalte zum Abfedern hoher Energiepreise sollte die Politik nur sehr zielgerichtet dosieren. Werden solche Hilfen auf breiter Front ausgereicht, treibt das zusätzlich die Inflation und torpediert den wichtigen Lenkungseffekt höherer Energiepreise. Das verschärft wiederum die Probleme einkommensschwacher Haushalte und erhöht die gesamtwirtschaftlichen Kosten.”

Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellt. Am diesem Gutachten haben das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. in Kooperation mit der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH Halle) und das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien mitgewirkt.

Preise steigen immer weiter an

Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte waren im Februar 2022 um 22,5 % höher als im Vorjahresmonat. Dies ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) der höchste Preisanstieg seit Mai 2011. Wie Destatis weiter mitteilt, erhöhten sich die Preise für pflanzliche (+23,8 %) und für tierische Erzeugnisse (+21,4 %) deutlich gegenüber dem Vorjahresmonat. Und dabei sind die Auswirkungen des Ukraine-Krieges noch gar nicht in diesen Zahlen berücksichtigt, denn die Erhebung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise erfolgte bereits zum Stichtag 15. Februar. Der Preisanstieg bei den pflanzlichen Produkten sei unter anderem auf die seit Juli 2020 steigenden Getreidepreise zurückzuführen. Diese lagen im Februar 2022 um 31,3 % über dem Vorjahresmonat. Beim Raps steigerten sich die Preise sogar um über 50% innerhalb eines Jahres.

Die mobile Version verlassen