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Fintechs und Mittelstand – neue Partnerschaft?

Die Digitalisierung bietet auf dem Finanzierungsmarkt neue Angebote und Geschäftsmodelle. Diese sind mittlerweile so professionell, dass sie auch für den Mittelstand interessant werden. Dabei gibt es eine Fülle von Finanzierungsoptionen.

Der Mittelstand (KMU) mit rund 3,5 Mio. Unternehmen wird gemeinhin als der Motor der deutschen Wirtschaft bezeichnet. Dem gegenüber stehen nach einer Studie des Bundesfinanzministeriums deutschlandweit rund 400 Fintechs, deren Gesamtmarktvolumen bis zum Jahr 2030 auf 148 Mrd. Euro steigen wird.

Dienstleistungsspektrum fast wie bei Banken

Fintech ist ein Sammelbegriff und beschreibt innovative Geschäftsmodelle mit digitalen Technologien in der Finanzindustrie. Finanzdienstleistungen sollen durch Fintechs optimiert, unterstützt oder selbst angeboten werden. Während sich der Großteil der Fintechs auf den Vertrieb bestehender Finanzprodukte konzentriert (z.B. Kreditmarktplätze), werden von einigen Fintechs gänzlich neue Dienstleistungen erschlossen.

Neben einem breiten Angebot an stark personalisierbaren Fintech-Lösungen für Privatkunden fokussieren sich viele Fintechs auf das B2B-Geschäft. Dabei rücken sie mit ihrem Dienstleistungsspektrum immer stärker an die Kernfunktionen klassischer Finanzdienstleister wie z.B. Banken heran.

Das Geschäftsmodell vieler Fintechs zielt auf die Disruption bisher bestehender Möglichkeiten zur Finanzierung ab. In direkter Konkurrenz zum Bankengeschäft bedienen Fintechs zudem die Bereiche Vermögensmanagement und Zahlungsverkehr. Auch im bankennahen Versicherungs- bzw. Immobiliensektor betreten Fintechs die Bildfläche und fordern die Wettbewerbsfähigkeit bislang etablierter Akteure heraus.

Doch welche Fintechs werden sich langfristig am Markt durchsetzen? Welchen Mehrwert muss ein Fintech mittelständischen Unternehmen bieten, um für Kapitalbeschaffungen bzw. langfristige Kooperationen in Betracht gezogen werden? Darüber gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse, geschweige denn konkrete Zahlen über Akzeptanz und Nachfrage.

Angebote für KMU

Der Mittelstand braucht einfache Lösungen in zentralen Unternehmensbereichen. Bedarf gibt es vor allem im Bereich Finanzierung. Fintechs bieten hier die Möglichkeit, einen breiteren Investorenkreis anzusprechen und das Kreditrisiko auf eine Vielzahl an Investoren zu verteilen (Crowdfunding, Crowdinvesting). Online-Kreditmarktplätze machen Angebot und Nachfrage transparent, sodass Finanzierungen mit optimalen Marktkonditionen unter minimalem Suchaufwand gefunden werden. Informationsasymmetrien werden eliminiert und Transaktionskosten reduziert. Auch durch die Automatisierung von Rating- und Reportingprozessen sinkt der übliche Aufwand.

Die Digitalisierung bietet auf dem Finanzierungsmarkt neue Angebote und Geschäftsmodelle. Diese sind mittlerweile so professionell, dass sie auch für den Mittelstand interessant werden. Dabei gibt es eine Fülle von Finanzierungsoptionen.

Ein weiterer Mehrwert, der für KMU interessant sein könnte, ist die kurzfristige Liquiditätsbeschaffung , um  einen Engpass zu  vermeiden. Eine Hilfe könnte dabei eine sogenannte Debitorenfinanzierung darstellen, die ähnlich wie das Factoring funktioniert. Hierbei werden auf eine Internetplattform Debitorenrechnungen hochgeladen, die von Investoren vorfinanziert und durch das Fintech an das Unternehmen weitergeleitet werden. Dadurch werden lange Zahlungsziele der Endkunden überbrückt, das Unternehmen erhält Kapital innerhalb kurzer Zeit. Dieses kann für Zahlungen offener Rechnungen verwendet werden, um so vom Skontoabzug zu profitieren.

Optionen für Eigenkapital

Neben der Fremdkapitalbeschaffung stehen mittelständische Unternehmen auch häufig vor der Herausforderung, sich für die Entwicklung potenzieller Innovationen Eigenkapital beschaffen zu müssen. Die Eigenkapitalsuche kann über neue, digitale Plattformen verschiedener Fintechs vereinfacht werden. Dabei werden Business Angel-Unternehmen auf speziellen Internetplattformen zusammengebracht. Dort beschreibt das Unternehmen das Finanzierungsvorhaben und gleichzeitig den Finanzbedarf. Sind Investoren von dem Projekt überzeugt, können sie sich mit Eigenkapital beteiligen. Und wenn das Ganze dann noch mittels Blockchain-Technologie prozesssicher gestaltet wird, spart das Unternehmen nebenbei Strukturierungs- und Beratungskosten.

Eine weitere Vereinfachung für den Mittelstand ergibt sich in der Buchhaltung. Gewöhnlich wird viel Zeit mit manueller Arbeit (Abtippen von Zahlen, Suche von Belegen, und Kontenabstimmung) verbracht. Fintechs haben auch hierfür eine smarte Lösung gefunden: Die Buchhaltung findet online in der Cloud statt. Belege können hochgeladen und sofort automatisch verbucht werden, sodass sich Mitarbeiter künftig verstärkt auf die wertstiftende Zahlenanalyse konzentrieren können.

Doch auch im Supply Chain Management, wo es traditionell um schlanke Produktions- und Logistikprozesse innerhalb einer Lieferkette geht, gibt es Möglichkeiten zur Optimierung. Hier setzen Fintechs an, um mit innovativen Lösungen auch das Working Capital Management von Unternehmen in einer Lieferkette zu verschlanken und bislang gebundenes Kapital freizusetzen.

Was bringt die Fintech-Zukunft?

Ob mittelständische Unternehmen die digitalen Angebote der Fintechs vermehrt nutzen werden, ist gegenwärtig schwer zu sagen. Das ist schließlich von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Zum einen kommt es darauf an, ob Fintechs es schaffen, bei Finanzierungsthemen in den Fokus mittelständischer Unternehmen zu rücken. Das ist nur möglich, wenn sie auf den Mittelstand maßgeschneiderte Produkte anbieten. Dafür ist dann seitens der Fintechs auch ein entsprechendes Marketing notwendig: Was können digitale Angebote? Warum sind diese vielleicht sogar besser als traditionelle Finanzierungsangebote? Daneben muss auch die Verzahnung des Firmenkundengeschäfts der Banken mit Fintechs beobachtet werden. Diese Fintegration bietet für beide Seiten eine Win-win-Situation. Banken profitieren auf der einen Seite beispielsweise von einem besseren Kundenzugang und stärkerer Kundenbindung und höheren Erträgen. Denn mit intelligenten Fintech-Lösungen können sie ihre Firmenkunden unmittelbarer erreichen, um so mit ihnen die optimalen Entscheidungen zu treffen. Auf der anderen Seite vermittelt eine solche Partnerschaft den Firmenkunden, dass Fintechs vertrauenswürdig sind. Somit würden mittelständische Unternehmen dabei indirekt von digitalen Angeboten profitieren. Offen bleibt jedoch die Frage, ob digitale Finanzierungslösungen langfristig klassische Finanzierungsprodukte oder Finanzierungspartner ablösen werden.


Zur Person

Michael Euchner ist Managing Partner im Bereich Corporate Finance/M&A bei der Ebner Stolz Management Consultants GmbH. Ebner Stolz veröffentlicht in diesem Sommer eine eigene Befragung zur Akzeptanz von Fintechs im Mittelstand, für die mehr als 5.000 Unternehmen befragt werden.
www.ebnerstolz.de

 

 

 

 

 

 

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