Fernsehlächeln fürs Fertighaus

ScanHaus-Chef Friedemann Kunz regelt Nachfolge mit Stiftungslösung

Drei Häuser am Tag verlassen das Werk; Foto: © ScanHaus Marlow

Friedemann Kunz hat mit der ScanHaus Marlow GmbH in den vergangenen 30 Jahren einen der größten deutschen Fertighaushersteller aufgebaut. Sein Firmenvermögen hat er im Zuge der Nachfolgeregelung in eine Stiftung überführt.

Wohnliches Ambiente im Musterhaus; Fotos: © ScanHaus Marlow

Die verglaste, blaue Stahlbrücke führt über die Carl-Kossow-Straße der 4.600-Seelen-Gemeinde Marlow in Mecklenburg-Vorpommern vom Firmensitz direkt ins Brauereigebäude. „Ich bin in Schweden aufgewachsen. Und da trinkt man als Student gerne Bier“, sagt Friedemann Kunz lachend. Das Gesicht und das Lachen kennt man von irgendwoher. Genau – aus den Sekunden kurz vor der ARD-Tagesschau, wenn er seine Zähne vom Zahnarzt prüfen lässt und über dessen Geschäftsgebaren schmunzelt: Vorkasse? Hausbau ist Vertrauenssache, und da sollte man erst dann bezahlen, wenn man weiß, was man bekommen hat. So bekannt beim deutschen Volk ist eigentlich nur noch Wolfgang Grupp, der Inhaber des schwäbischen Textilherstellers Trigema, der kurz vor der abendlichen ARD-Tagesschau in die Kamera lächelt und für Herstellung made in Germany wirbt. Doch die sündhaft teure Werbung, über deren Höhe mit dem öffentlich-rechtlichen Sender Stillschweigen vereinbart wurde, macht sich bezahlt: „70% aller Deutschen kennen mich und mein Unternehmen – und damit den Hersteller von Fertighäusern in skandinavischer Holzbaubauweise: ScanHaus Marlow.“ Und da ist es wieder, dieses Kunz’sche Lächeln, während man in die tiefen Lederpolster vor seinem historischen, patriarchisch wirkenden Schreibtisch versinkt und direkt auf den kurzen Dienstweg in die Brauerei blickt. Tradition trifft Moderne.

Unternehmer in siebter Generation

Holzverarbeitung dominiert die Produktion; Fotos: © ScanHaus Marlow

Kunz ist Unternehmer in siebter Generation, sein Ururgroßvater Robert Kossow etwa gründete 1891 das Unternehmen R. Kossow & Levermann als Sägewerk mit angeschlossener Fassfabrik: Die ortsansässige Molkerei benötigte Butterfässer und auch die Heringe der Fischer von der nahegelegenen Ostseeküste mussten irgendwo eingelegt werden. Das funktionierte exakt bis 1953, bis DDR-Staatschef Walter Ulbricht unbarmherzig zuschlug und das Unternehmen zwangsverstaatlichte. Die Familie wanderte erst nach Westdeutschland und kurz darauf nach Schweden aus. Kunz hatte den exklusiven Vertrieb namhafter westdeutscher Büroartikelhersteller in Schweden inne, als die Mauer fiel. Er beantragte die Rückübertragung des Familienunternehmens.

Seine Zahlen vom Start kennt Kunz genau: 3,2 Mio. DM Umsatz, 1,46 Mio. DM Verlust bei der Übernahme vor fast genau 30 Jahren, 23 Mitarbeiter, die bis dato Buchenholzleisten für die DDR-Möbelindustrie in Handarbeit gefertigt hatten. Im Mai 1993 begann er mit dem Bau dreier Fertighäuser. Aus der Insolvenzmasse eines norwegischen Fertighausherstellers erwarb er die Maschinen und Anlagen, um die Produktion an seinem alten Standort zu automatisieren. Seit sieben Jahren arbeitet das Unternehmen im Dreischichtsystem, heute verlassen drei Häuser am Tag das Werk.

Erlebniswelt à la Volkswagen für den Häuslebauer

Dass erst am Schluss bezahlt wird und der Produktionsbetrieb die für einen Mittelständler sagenhafte Eigenkapitalquote von 84% aufweist, liegt laut Kunz an der Tatsache, dass das Familienunternehmen keine Ausschüttung an irgendwelche Aktionäre tätigen muss. „Wir sind seit dem Jahr 2000 schuldenfrei. Wir haben keine Zinskosten und keine Mietkosten. Das können wir alles in das Finanzierungsmodell für unsere Kunden packen.“ Hinzu kommen noch Investitionen ins firmeneigene Energiemanagement, die schon vor Jahren geplant wurden und sich gerade in den heutigen Zeiten bezahlt machen. „Schon mein Urgroßvater hat seinen eigenen Strom mit einer Dampfmaschine produziert. Wir betreiben heute mit unserem Abfallholz zwei Blockheizkraftwerke, die 80% unserer benötigten Energie liefern. Die restlichen 20% kommen aus Solarenergie.“ Im Unternehmen sind die Fußböden und Außenflächen beheizt, „das spart uns im Winter die Schneeräumung und den Einsatz von Salz.“

Unternehmenssitz mit Hotel und Brauerei für die Erlebniswelt Hauskauf; Fotos: © ScanHaus Marlow

Zu Kunz’ Imperium gehören aber nicht nur der Fertighaushersteller, sondern auch zahlreiche Immobilien, darunter der legendäre Teepott direkt am Hafen von Rostock-Warnemünde und Hotels in Bestlage an der Ostsee. Bleibt noch die Brauerei. Direkt daneben steht das firmeneigene Hotel. „Dorthin wollte ich die Gespräche mit meinen Architekten und ihren Bauherren verlagern, anstatt meine Leute durch die Republik reisen zu lassen. Ich wollte den Bauherren eine Art Erlebniswelt wie bei Volkswagen bieten. Ein Haus baut man sich schließlich nur einmal im Leben.“ Da passte die Brauerei gut ins Portfolio, um ein solches Vorhaben gebührend zu feiern. Und außerdem: „Wo und wann sollte ich mir diese Möglichkeit schwedischer Lebensart denn sonst erfüllen?“, sagt Kunz und schmunzelt wieder sein Fernsehlächeln.


„Ich mag keinen Streit ums Erbe“

Interview mit Friedemann Kunz, Geschäftsführer, ScanHaus Marlow GmbH

Unternehmeredition: Herr Kunz, weshalb haben Sie für die Unternehmensnachfolge die Form einer Stiftung gewählt?

Friedemann Kunz; Foto: ©ScanHaus Marlow

Friedemann Kunz: Ich habe mir vor zehn Jahren Gedanken gemacht, wie meine Nachfolge aussehen könnte. Ich habe drei Söhne im Alter von 37, 35 und elf Jahren. Der älteste Sohn ist selbst ein erfolgreicher Unternehmer, der mittlere arbeitet im Unternehmen mit. Ich wollte, dass niemand etwas bekommt, nur weil er Erbe ist. Zudem sollte meines Erachtens jedes Schiff nur einen Kapitän haben und als Stifter kann ich bis ans Lebensende die Marschrichtung festlegen und nötigenfalls auch neu justieren. Wenn eine Familie dann eine große Anzahl von Mitgliedern hat, kann es schnell zum Streit kommen – und ich mag keinen Streit ums Erbe.

Welche Vermögenswerte haben Sie in die Stiftung eingebracht?

Alle – sowohl unseren hochprofitablen Produktionsbetrieb mit seiner hohen Eigenkapitalquote als auch unsere bankfinanzierten Immobilien. Damit ist das Unternehmen meiner Ansicht nach über die nächsten Jahrzehnte krisenfest aufgestellt. Was aber für mich viel wichtiger ist: Zum Stiftungszweck gehört auch die Ausbildung für Familienmitglieder. Davon profitieren mein jüngster Sohn und vor allem die Enkel.

Was passiert, wenn die Stiftung wider Erwarten doch einmal aufgelöst wird?

Dann fließt das Geld nicht an die Familie, sondern kommt der Kinderkrebsforschung der Universitäten in Rostock und Greifswald zugute.

Herr Kunz, wir danken Ihnen für das Gespräch.


KURZPROFIL

ScanHaus Marlow GmbH

Gründungsjahr: 1992

Branche: Fertighäuser

Unternehmenssitz: Marlow

Umsatz 2021: 112 Mio. EUR

Mitarbeiterzahl: 500

www.scanhaus.de

Autorenprofil
Torsten Holler

Der Wirtschaftsjournalist Torsten Holler schreibt seit 1987 regelmäßig für renommierte Wirtschaftsmedien über verschiedenste Themen.

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