ESUG stärkt Antragsteller

Bock nicht zum Gärtner machen

Nachteilig ist die Anordnung der Eigenverwaltung, wenn sie im Vergleich zu einem herkömmlichen Insolvenzverfahren zu schlechteren Ergebnissen führt. Wann man hiervon ausgehen muss, ist eine Frage des Einzelfalls. Bejahen wird man dies sicherlich bei früheren Bankrottstraftaten der Geschäftsleitung, einer offensichtlichen Insolvenzverschleppung, unzureichenden Buchhaltungsunterlagen oder rückständigen Jahresabschlüssen. Auch der offensichtliche Versuch der Geschäftsleitung oder der Gesellschafter, sich Anfechtungs- oder Haftungsansprüchen zu entziehen, Uneinigkeit zwischen zwei alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführern oder deutlicher Widerstand wichtiger Beteiligter gegen die Anordnung der Eigenverwaltung sind Gründe für das Insolvenzgericht, die Eigenverwaltung abzulehnen. Schließlich soll hier der „Bock nicht zum Gärtner gemacht“ werden.

Wille der Gläubiger entscheidet

Zweifelhaft ist hingegen, ob die Eigenverwaltung schon deshalb abgelehnt werden darf, weil ein entsprechender Antrag nicht „wohl vorbereitet“ ist und die Geschäftsleitung nicht deutlich machen kann, den speziellen Anforderungen an eine Eigenverwaltung gewachsen zu sein. Gleiches gilt, wenn gefordert wird, eine Eigenverwaltung könne nur bei Betriebsfortführungen mit konkreter Sanierungsaussicht angeordnet werden. Das Unternehmen kann zu jedem Zeitpunkt rechtliche und betriebswirtschaftliche Hilfe in Anspruch nehmen, um einen ordnungsgemäßen Verfahrensgang zu gewährleisten. Entscheidend ist letztlich der Wille der Gläubiger. Um deren Geld geht es.

Fazit

Das ESUG ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die neu geschaffenen bzw. erheblich verbesserten Sanierungsinstrumente der Eigenverwaltung und des Planverfahrens sind in der Restrukturierungspraxis angekommen. Weiter verbessern wird sich dies, wenn die Insolvenzanträge künftig noch professioneller vorbereitet, mit den Insolvenzgerichten abgestimmt und vor allem früher gestellt werden. Die Verantwortlichen müssen hierzu erkennen, dass die Sanierungsaussichten umso besser sind, je eher fachkundige Hilfe in Anspruch genommen wird. Dann werden auch die letzten Zweifler von der Eigenverwaltung überzeugt.


Zur Person

White & Case/Biner BährDr. Biner Bähr ist Partner der Kanzlei White & Case. Er ist spezialisiert auf komplexe Insolvenzverfahren, u.a. als Insolvenzverwalter von Hertie, TelDaFax und Hein Gericke. Als Sachwalter sanierte er die Ratinger Heimtextil-Fachmarktkette Frick im neuen Schutzschirmverfahren nach § 270 b InsO und den Duschschlauch-Hersteller Oldoplast in Marl. www.whitecase.com

Autorenprofil

Dr. Biner Bähr ist Partner der Kanzlei White & Case. Er ist spezialisiert auf komplexe Insolvenzverfahren, u.a. als Insolvenzverwalter von Hertie, TelDaFax und Hein Gericke. Als Sachwalter sanierte er die Ratinger Heimtextil-Fachmarktkette Frick im neuen Schutzschirmverfahren nach § 270 b InsO und den Duschschlauch-Hersteller Oldoplast in Marl.

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