„Wir waren beide mit der ‚Brücke‘ sehr zufrieden“

Die Wittenstein SE hat 2016 den familieninternen Nachfolgeprozess abgeschlossen. Im Interview schildern Vater und Tochter die einzelnen Etappen auf diesem langen Weg und erklären, wie sie Rivalitäten innerhalb der Familie und im Unternehmen vorgebeugt haben.

Neben der Führungsfrage geht es bei der Nachfolge auch um die Eigentümerfrage. Welchen Plan haben Sie hier verfolgt?

Dr. Manfred Wittenstein: Ich habe relativ früh die ganze Familie, meine Geschwister und meine Kinder, in die Frage der Eigentumsnachfolge mit einbezogen. Zu diesem Zeitpunkt besaß ich 90 Prozent der Stimm-und Kapitalanteile. Meine Geschwister waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht beteiligt. Wir haben dann für den Familienzusammenhalt und die Bewahrung der unternehmerischen Unabhängigkeit eine Familiencharta entworfen. Darin haben wir die Familie definiert, also wer dazugehört und wer nicht, was unsere Regeln sind, sodass in Zukunft wenig Konfliktpotential entsteht. Für die Aktionäre gilt zum Beispiel die Gütertrennung. Es wurde auch geregelt, dass alle Familienmitglieder den gleichen Eignungsprozess wie Anna-Katharina durchlaufen müssen, wenn sie sich im Familienunternehmen als Führungskraft oder Gesellschafter engagieren wollen. Durch die Familiencharta wurden aus meiner Sicht faire Regeln geschaffen für den Fall, dass weitere Familienmitglieder durch Vererbung Aktionäre werden.

Antriebssystem Galaxie® von Wittenstein: Die neue Gattung ist mit Industrie 4.0-Konnektivität ausgestattet.
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Die „Marke Familienunternehmen“ ist Ihnen wichtig, wie wir erfahren haben. Wie wird dieses Selbstverständnis innerhalb der Familie weiter gepflegt?

Dr. Manfred Wittenstein: Wir haben einen Familienrat. Die Familie trifft sich einmal im Jahr. Das organisieren die Familienmitglieder selbst. Damit versuchen wir die Familie zusammenzuhalten, sie zu informieren, und um ganz nebenbei einen gewissen Stolz zu generieren. Diese Familienversammlung ist immer auch an unternehmensbezogene Themen gekoppelt. Mittlerweile sind wir 18 Mitglieder beziehungsweise sieben Aktionäre. Wir haben einen monetären Familientopf zur freien Verfügung. Auf der letzten Versammlung hat sich der Familienrat anerkennend über den Nachfolgeprozess ausgesprochen. Diese Anerkennung ist wichtig für meine Tochter ebenso wie für mich selbst. Wir können uns alle in die Augen blicken – und jetzt ganz konzentriert und neugierig nach vorne.

 

 


Zu den Personen

Dr. Anna-Katharina Wittenstein ist seit Oktober des vergangenen Jahres Vorstandsmitglied der Wittenstein SE. Damit hat sie die Familiennachfolge von ihrem Vater Dr. Manfred Wittenstein übernommen, der bereits im April 2014 aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat gewechselt ist. In der Interimszeit (2013-2016) fungierte Prof. Dr. Dieter Spath als Vorstandsvorsitzender. Seit ihrem Mutterschaftsurlaub von Juli bis November letzten Jahres ist Dr. Bernd Schimpf Vorstandssprecher.

Die Wittenstein SE produziert Servo-Antriebssysteme, Medizintechnik, Miniatur-Servoeinheiten, innovative Verzahnungstechnologie, rotative und lineare Aktuatorsysteme, Nanotechnologie sowie Elektronik- und Softwarekomponenten für die Antriebstechnik. Im Konzern arbeiten insgesamt 2.500 Mitarbeiter. Der Umsatz für das Geschäftsjahr 2016/2017 beträgt 339 Mio. Euro.

www.wittenstein.de

 

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