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Engelbert Strauss: Mode und Maloche

Mit einer konsequenten Markenstrategie hat es Engelbert Strauss geschafft, zum begehrten Anbieter von Arbeitskleidung zu werden. Entscheidend dafür waren Produktion und Vertrieb aus einer Hand. 

Wer nach Biebergmünd fährt, ist sofort mit Engelbert Strauss konfrontiert. Schon am Bahnsteig sieht man ganze Familien in Softshell-Jacken des Spezialisten für Arbeitskleidung. Alle haben unverkennbar das leuchtende Logo am Arm: weißer Strauß auf rotem Grund. Nennt man dem Taxifahrer den Namen des Unternehmens, setzt der sich wortlos in Bewegung. Engelbert Strauss ist einer der wichtigsten Arbeitgeber hier im Frankfurter Hinterland, kurz vorm Spessart. Und die knapp 30.000 Einwohner in und um die Kreisstadt sind sichtbar stolz darauf. Doch auch sonst hat es die Kleidung des hessischen Familienunternehmens ins öffentliche Bewusstsein geschafft. Immer öfter sieht man das Logo im Alltag. Und zwar nicht nur auf der verdreckten Arbeitshose eines städtischen Gärtners, sondern auch an der Supermarktkasse oder im Bus. Schicke Fleecejacken sind das dann oder tailliert geschnittene Longsleeves. Die Kleidung hat auffällige Farben, ist gut geschnitten und sieht immer irgendwie modisch aus. Wer einen leisen Auftritt will, zieht sie wahrscheinlich eher nicht an.

Handwerk kann auch Mode sein

Für Engelbert Strauss ist das ein Spagat zwischen Chance und Herausforderung. Denn einerseits profitieren die Hessen vom allgemein gestiegenen Trend zu Outdoor und bequemer, funktionaler Freizeitmode. Andererseits darf genau eines nicht passieren: Dass die Marke verwässert und nur noch in Richtung Lifestyle

Henning Strauss: Er leitet das Familienunternehmen in vierter Generation. (© engelbert strauss GmbH & Co. KG)

geht. „Engelbert Strauss soll im Kern dauerhaft eine Arbeitsmarke bleiben“, sagt Henning Strauss, einer der Geschäftsführer des Unternehmens. Er teilt sich die Aufgabe mit seinem Bruder, Steffen Strauss, und seinem Vater Norbert Strauss. „Wir achten sehr darauf, dass die Produkte für die Arbeit taugen und nicht nur hübsch aussehen.“

Das gelingt Engelbert Strauss recht gut. Genaue Zahlen veröffentlicht das Unternehmen nicht, nur so viel: Für Arbeitskleidung sei es marktführend in Deutschland. Der Anteil der B2B-Nutzer überwiegt deutlich. Um die Funktionalität für die Welt der Trucker, Hafenarbeiter und Krankenschwestern sicherzustellen, befinde man sich im ständigen Austausch mit dem Kunden. Zwangsläufig, denn die Produkte gibt es nur direkt beim Unternehmen, seit Mitte der Sechzigerjahre ist der Versandhandel der wichtigste Vertriebskanal. Vier Mal im Jahr bekommen Kunden den mehr als 1.000 Seiten starken Katalog zugesandt. Seit 1998 kamen der Online-Shop und vier eigene Filialen, sogenannte workwearstores, hinzu.Mit einer konsequenten Markenstrategie hat es Engelbert Strauss geschafft, zum begehrten Anbieter von Arbeitskleidung zu werden. Entscheidend dafür waren Produktion und Vertrieb aus einer Hand. 

Nähe zum Kunden entscheidend

Die Telefonberatung und der Kundenservice sind seit jeher extrem wichtig. Noch heute schult das Unternehmen seine Mitarbeiter darin regelmäßig. Seit Neuestem sitzen diese neben einer riesigen Produktwand mit der wichtigsten Auswahl des Sortiments. Während der Beratung, die über Telefon-Headsets erfolgt, können sie aufstehen und das entsprechende Produkt zur Hand nehmen. „So können wir passgenaue Produkte noch besser auf den jeweiligen Einsatzbereich unserer Kunden abstimmen“, so Henning Strauss. Durch die Beratung bekämen sie viel Feedback.

Wenn das mal nicht so gut ausfällt, geht die Rückmeldung direkt an die Technik- und Entwicklungsabteilung. Seit Mitte der Neunzigerjahre produziert Engelbert

Modisch und funktional: Mit seinem Konzept hat es Engelbert Strauss zum Marktführer für Arbeitbekleidung in Deutschland geschafft. (© engelbert strauss GmbH & Co. KG)

Strauss selbst, ein weiterer richtungsweisender Schritt in der Unternehmensgeschichte. „Wir waren der Meinung, dass das ganze Wissen über den Anwender auch in die Produkte fließen soll.“ In 30 Ländern der Welt wird Kleidung für die Hessen zusammengenäht. Viel davon in Betrieben, die nur für sie produzieren und errichtet wurden. Planung und Logistik erfolgen über den Hauptsitz in Biebergmünd. Die genaue Auswahl der Betriebe ist dem Familienunternehmen wichtig. Vor Ort soll gezielt Aufbauarbeit geleistet werden. „Wer mit ‚enjoy work‘ wirbt, muss das auch im eigenen Betrieb einhalten“, so Henning Strauss.

Mit der eigenen Produktion kann das Unternehmen noch flexibler auf Kundenfeedback reagieren und teilweise in die laufende Produktion eingreifen. Und es konnte einen weiteren, entscheidenden Schritt wagen: den hin zu frischeren, eigenen Designs, ein Novum in der damals noch konservativen Welt der Arbeitsmode. „Wir realisierten, dass es hier noch viel Entwicklungspotenzial gab.“ Was folgte, war eine bewusste Emotionalisierung der Marke, durch Werbespots, Imagebilder und Produktvideos. Auch in Fußballstadien ist die Banderole mit „engelbert strauss workwear“ mittlerweile dauerpräsent. In den Werbekampagnen und auf der Website zeigen sich braun gebrannte Fotomodels beim Schuften im Landschaftspark oder in der Krankenhauskantine. Bis zu 1.000 Bilder werden am Tag geschossen. Produziert wird in und um Los Angeles, eine Reminiszenz an Henning Strauss‘ Studienzeit. Er verantwortet den Markenauftritt des Unternehmens und bringt sich stark in die Kampagnen ein.

Mit einer konsequenten Markenstrategie hat es Engelbert Strauss geschafft, zum begehrten Anbieter von Arbeitskleidung zu werden. Entscheidend dafür waren Produktion und Vertrieb aus einer Hand. 

Frischer Wind im Arbeitsleben

Noch heute ist er oft überrascht, wie gut die Designs angenommen werden. Bei der Entwicklung einer Kollektion hat das Unternehmen immer eine bestimmte Zielgruppe im Blick. „Wenn wir dann auch Menschen außerhalb dieser Zielgruppe mit den Produkten sehen, freut uns das natürlich“, sagt er. Fazit: Auch Handwerker haben einen hohen Anspruch an ihre Kleidung. Sie muss einiges aushalten und zugleich modern aussehen. Was sich banal anhört, ist entscheidend für

Produktion in Asien: Soziale Standards sind dem Unternehmen wichtig. (© engelbert strauss GmbH & Co. KG)

den Erfolg von Engelbert Strauß, auch im Ausland. Denn Arbeitskleidung kann teuer sein, bis zu 80 Euro kostet eine Hose. Doch im Fall von Engelbert Strauss kaufe sich der Kunde dafür Design, nachhaltige und soziale Produktion und neueste Materialien. Das, so die Gleichung des Unternehmens, zahle sich wieder für den Kunden aus, der seine Professionalität als Handwerker schon im Auftreten bezeuge. „Wir sind die textile Visitenkarte des Kunden.“
Damit das so bleibt, stehen die Hessen in der Entwicklung nie still. Ständig wird das bestehende Sortiment erweitert, und zwar nicht nur um Farbergänzungen. „Wir haben an uns selbst den Anspruch, zu jeder Saison einige Innovationen präsentieren zu können.“ Vor allem die Outdoor-Mode sorgt regelmäßig für Inspirationen. Gerade im süddeutschen Raum sind die Nutzer Funktionalität und Komfort von alpiner Bekleidung gewohnt – die Ansprüche sind hoch. Engelbert Strauss analysiert jedes Material und prüft, ob es sich für Arbeitskleidung eignet. Derzeitige Neuheit ist die Wiederentdeckung des Denim-Stoffes für den Arbeitseinsatz. In der Kampagne schleppt eine junge Frau in enger Jeans und T-Shirt Lastenwägen. Wenn man es nicht genauer wüsste, sie könnte auch auf dem Weg zur Eisdiele sein.

In neun Auslandsmärkten ist Engelbert Strauss mittlerweile vertreten, in Europa über eigene Tochtergesellschaften. Doch bei der weiteren Expansion will sich die Familie nicht drängen lassen. Und sie soll organisch bleiben. Kernmarkt ist weiterhin Deutschland. Hier sollen vor allem weitere Stores eröffnet werden. Auch vom Direktvertrieb will das Unternehmen nicht abkommen, auch wenn das Ausliegen im Fachhandel den ein oder anderen Markteintritt sicherlich beschleunigen könnte. Hierzulande haben vor allem Baumärkte und sogar der Sporthandel Interesse am Sortiment. „Aber Engelbert Strauss gibt es weiterhin nur bei Engelbert Strauss, das macht den Charme der Exklusivität aus“, so der Geschäftsführer.


Zur Person

Henning Strauss ist Geschäftsführer der engelbert strauss GmbH & Co. KG. Er verantwortet den Markenauftritt des Unternehmens. Während seines Studiums in Kalifornien kam ihm die Nähe zu Hollywood sehr gelegen: Dort konnte er die Kraft der Bilder studieren. Die Ergebnisse lässt er heute im eigenen Unternehmen einfließen. www.engelbert-strauss.de

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