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„Nie auf Pump gewirtschaftet“

Als Anbieter von atomfreiem Strom machten sich die Elektrizitätswerke Schönau bundesweit einen Namen. Seit gut einem Jahr ist Sebastian Sladek in den Vorstand eingezogen. Wie ihn das Leben seiner Eltern prägte, warum er früher auch angefeindet wurde und wie er die Fußstapfen ausfüllen will. 

Unternehmeredition: Herr Sladek, Ihre Eltern gelten als Stromrebellen, weil sie 1997 mit Gleichgesinnten das heimische Netz übernahmen. Wie viel Rebell steckt in Ihnen?

Sladek: Ein kleiner Rebell steckt auch in mir. Mit dem Wort kann ich ganz gut leben. Es war eher mein Vater, der es zunächst nicht so gut fand, ihm war das Wort Rebell zu radikal. Dass dies durchaus eine Auszeichnung für einen langen, harten und zähen Kampf war, hat er erst einige Jahre später verstanden.

Es war ja damals ein Novum, dass eine als Bürgerinitiative gestartete Gemeinschaft auf die Idee kam, das heimische Stromnetz zu übernehmen. Wie haben Sie und ihre vier Geschwister das damals erlebt?

Das Thema Netzübernahme hat uns die ganze Jugend über begleitet. Schönau ist mit 2.500 Einwohnern ein kleiner Ort. Die Idee mit grünem Strom fanden nicht alle gut. Häufig war es so, dass Kritik, die eigentlich auf unsere Eltern abzielte, sich an uns richtete. Jedes Lager hatte seine Stammkneipe, in der sich die Leute trafen. Geriet man auf der Straße in eine Gruppe mit Gegnern, konnte es schon unangenehm werden.

Das hört sich nach einer typischen David-gegen-Goliath-Geschichte an. Oft ziehen diese. Wie war es bei Ihnen?

Bürgerinitiative gegen Stromkonzern war eine tolle Story. Spätestens mit dem ersten Bürgerentscheid 1991 wurden die Presse und die alternative Energieszene auf uns aufmerksam. Jeder wollte sich einbringen. Experten mussten wir nicht mühsam suchen, sie meldeten sich selbst. Wir gewannen auch eine Werbeagentur, die kostenlos eine Kampagne für uns startete. „Ich bin ein Störfall“ brachte uns innerhalb weniger Wochen zwei Mio. D-Mark ein.Als Anbieter von atomfreiem Strom machten sich die Elektrizitätswerke Schönau bundesweit einen Namen. Seit gut einem Jahr ist Sebastian Sladek in den Vorstand eingezogen. Wie ihn das Leben seiner Eltern prägte, warum er früher auch angefeindet wurde und wie er die Fußstapfen ausfüllen will. 

Seit wann war Ihnen klar, dass Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters treten wollten?

Nachdem mein Bruder und ich das Abitur in der Tasche hatten, wollten wir mit dem Energiethema erst mal nichts zu tun haben. Ich studierte Archäologie und BWL, mein Bruder Philosophie und BWL. Allerdings war mir schon während des Studiums klar, dass ich perspektivisch etwas anderes machen wollte. In das Unternehmen einzusteigen, das meine Eltern mitgeprägt haben, lag nahe.

Ihre Eltern sind operativ ausgestiegen. Wie stark nehmen sie noch Einfluss?

Geboren aus der Anti AKW-Bewegung: Die Elektrizitätswerke Schönau. Heute beliefern sie 160.000 Kunden mit Strom. (© Netzkauf EWS eG)

Generell haben sich alle Beteiligten den Ausstieg einfacher vorgestellt. Meine Eltern haben zwar beide noch Büros. Doch eigentlich machen sie für die EWS operativ nichts mehr. Mein Vater ist viel in der Szene unterwegs und hält Vorträge. Meine Mutter macht mit mir zusammen noch zwei Projekte, die jedoch klar umrissen und zeitlich begrenzt sind. Der Geist meiner Eltern ist allerdings hier immer noch überall spürbar.

Dennoch sind die Fußstapfen Ihrer Eltern riesig.

Sie gewannen den Gründerpreis, den Deutschen Umweltpreis und bekamen eine Einladung ins Weiße Haus nach Washington. Natürlich musste ich mir und meinen Eltern beweisen, dass ich ein würdiger Nachfolger bin. Ich habe jedoch keine Angst vor dem Vergleich Alt und Jung. Und schließlich wurden mein Bruder und ich vom Aufsichtsrat bestellt. Bevor ich in den Vorstand aufgerückt bin, hatte ich ja bereits eine Position als Geschäftsführer in einer Tochtergesellschaft. Wenn ich das Unternehmen übergebe, möchte ich eine eigene Spur hinterlassen, auch wenn die Stapfen nicht so groß sind.

Anders als andere Energiekonzerne wie Eon oder RWE verdienen Sie Geld. 2014 lag der Konzerngewinn bei 2,7 Mio. Euro. Was machen Sie besser?

Die Elektrizitätswerke Schönau sind immer nur so stark gewachsen, wie wir es uns auch leisten konnten. Frühzeitig haben wir etwa in Mitarbeitereinheiten gedacht. Gewinnen wir weitere Kunden dazu, kann wieder ein Mitarbeiter eingestellt werden. Wir haben nie auf Pump gewirtschaftet. Die Energiekonzerne ziehen einen Rattenschwanz an Kosten hinter sich her. Etwa den Rückbau von Kraftwerken. Zudem haben sie die Energiewende komplett verschlafen. Die Renditeerwartung steht bei uns nicht im Vordergrund, und wir sind bereit, andere Initiativen ähnlich Denkender zu unterstützen.Als Anbieter von atomfreiem Strom machten sich die Elektrizitätswerke Schönau bundesweit einen Namen. Seit gut einem Jahr ist Sebastian Sladek in den Vorstand eingezogen. Wie ihn das Leben seiner Eltern prägte, warum er früher auch angefeindet wurde und wie er die Fußstapfen ausfüllen will. 

Angefangen haben Sie 1998 mit 1.700 Kunden. Derzeit haben Sie 160.000. Eine rasante Entwicklung. Wird sich dieser Trend fortsetzen?

Sicherlich nicht so rasant. Wir befinden uns in einem Verdrängungsmarkt. Haushalte brauchen immer nur einen Stromlieferanten. Das Geschäftsmodell im Energiesektor besteht darin, Wettbewerbern Kunden abzujagen. Preislich liegen wir in der Mitte. Dafür haben wir dezidierte Beschaffungskriterien. Wir kaufen etwa keinen Strom von Produzenten, die direkt oder indirekt mit der Atom- oder Kohleindustrie verflochten sind. Größter Stromlieferant für uns sind kommunale Wasserkraftwerke in Norwegen, weil wir hier Strom aus Neuanlagen kaufen können. Außerdem haben wir auch deutschen und österreichischen Wind im Portfolio. Unser Potenzial sehe ich in den kommenden Jahren bei bis zu 250.000 Kunden.

Dann ist das Wachstum also begrenzt?

Der See an Ökostromkunden wächst seit Jahren kaum mehr. Unser Ziel ist es, an einer Vergrößerung dieses Sees zu arbeiten. Natürlich freue ich mich über einen

Für ihn war klar, in das Unternehmen seiner Eltern einzusteigen: Sebastian Sladek. (© Netzkauf EWS eG)

Kunden, der von einem großen Konzern kommt mehr als über einen, der von einem Mitbewerber aus dem Ökosegment kommt.

Müssen Sie auf eine Katastrophe wie die in Fukushima hoffen?

Nein. Mein Vater redete damals von Gaueinheiten. Nach der Katastrophe in Japan konnten wir uns vor Anträgen nicht mehr retten. Innerhalb von sechs Wochen haben wir 7.000 neue Kunden bekommen. So viele Neukunden haben wir normalerweise im ganzen Jahr. Trotzdem machen wir aus solchen Katastrophen keine Werbekampagnen und hoffen auch nicht auf sie.

Wie sehr hat Sie die Anti-AKW-Haltung Ihrer Eltern geprägt? Häufig ist es ja so, dass Kinder eine Trotzhaltung entwickeln und genau das Gegenteil von dem machen, was die Eltern wollen.

Das war bei mir und meinen vier Geschwistern nicht der Fall. Wir haben das Engagement unserer Eltern niemals infrage gestellt und waren immer davon überzeugt, dass der Kampf gegen Atomkraft absolut richtig ist.

Wurde es Ihnen nicht irgendwann auch mal zu viel?

Sicherlich hatten wir als Kinder auch mal darunter gelitten. Man kommt aus der Schule, und es sind wieder mal fremde Menschen im Haus. Alles drehte sich um das Thema Energie. Musste man nachts auf die Toilette, wusste man nie, ob sie schon besetzt war. Jahrelang mussten wir unsere Eltern teilen. Dennoch war es eine tolle und interessante Zeit, in der wir viele spannende Leute kennengelernt haben.


Zur Person

Seit Anfang 2015 ist Sebastian Sladek im Vorstand der Netzkauf EWS eG. Aus einer Bürgerinitiative entstand das Unternehmen. 1997 übernahm es das heimische Stromnetz in Schönau im Schwarzwald. Die Eltern und Mitgründer Michael und Ursula Sladek machten sich als Stromrebellen bundesweit einen Namen und gewannen viele Umweltpreise. Mittlerweile haben die EWS 160.000 Kunden und schreiben schwarze Zahlen. www.ews-schoenau.de

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