Ziele im Unternehmen lassen sich einfacher erreichen, wenn dort motivierte Menschen zusammenarbeiten, die sich gegenseitig unterstützen und ihre unterschiedlichen Stärken an der richtigen Stelle einbringen können. Studien beweisen außerdem: Diversität und Inklusion sind ein wesentlicher Faktor für den Geschäftserfolg. Der deutsche Diversity-Tag am 28. Mai erinnert daran, wie wichtig Vielfalt in der Arbeitswelt ist.
Unsere Gesellschaft wird immer diverser: verschiedene Sprachen, unterschiedliche Kulturen, neue Ideen – eine enorme Chance für Unternehmen! Denn überall dort, wo es unterschiedliche Perspektiven gibt, können neue Lösungen entstehen. Lösungen, die in homogenen Teams möglicherweise gar nicht in Betracht gezogen werden. Doch nutzen schon genügend Betriebe diesen Mehrwert? Ich denke, da gibt es noch genug Luft nach oben. Zudem erlebe ich oft, dass Diversität und Inklusion nur als Forderung gesehen werden, und nicht als Chance.
Eine Frage der Haltung
Dabei zahlen sich Vielfalt und Teilhabe für Unternehmen aus. Denn die Inklusion von Beschäftigten diverser Ethnien, Geschlechter oder Altersgruppen ist ein wesentlicher Faktor für den Geschäftserfolg. Längst zeigen Studien, dass diverse, möglichst heterogene Teams deutlich innovativer und letztlich auch profitabler sind. Eine Tendenz, die sich in den letzten Jahren sogar noch verstärkt hat. Laut der neuesten McKinsey-Analyse haben Unternehmen mit gemischten Führungsteams europaweit eine über 60% höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Beeindruckende Zahlen, die Mut machen. Mut zu mehr Vielfalt.
Im Grunde ist es eine Frage der Haltung, ob ein Unternehmen Diversität und Inklusion wirklich umsetzen will. Beides gehört übrigens zusammen: Denn Diversität ist ohne Inklusion nicht vollständig. Es reicht nicht, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund im Betrieb zu haben – es ist auch wichtig, dass sie sich gehört und akzeptiert fühlen. Das zeigt ihnen, dass sie sein können, wie sie sind! Wie aber können Firmen diesen Ansatz konkret umsetzen? Zum Beispiel, indem sie sich schon bei der Ausschreibung einer Stelle als erstes die Frage stellen: Würde ich mich angesprochen fühlen? Würde sich eine Person mit Migrationsgeschichte oder mit einer Behinderung angesprochen fühlen? Durch den Perspektivwechsel lernt man einiges über sich selbst und über inklusives Handeln.
Es gibt natürlich verschiedene Technologien und Methoden im Bewerbungsprozess, um sicherzustellen, dass das Verfahren für Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen zugänglich ist. Wichtig ist zum Beispiel, dass die Webseite, das PDF oder das Online-Bewerbungsverfahren wirklich barrierefrei gestaltet ist. So kann man es einer Fachkraft mit Migrationsgeschichte etwa ermöglichen, die Texte zu übersetzen. Und eine blinde oder sehbehinderte Person kann sich die Texte mit einer Sprachausgabe vorlesen lassen.
Berührungsängste abbauen
Eine große Rolle spielt vor allem die Sensibilisierung der Mitarbeitenden und Personalverantwortlichen. Auch da gilt es Berührungsängste und Vorurteile abzubauen. Denn noch immer denken viele, dass Inklusion teuer ist oder dass man gleich das ganze Büro umbauen muss, wenn ein Mitarbeiter mit einer Behinderung eingestellt wird. Aus diesem Blickwinkel ist es natürlich auch verständlich, dass eine Abwehrhaltung entsteht. Eine Schulung kann da helfen, den Blick auf Langfristigkeit zu lenken. Am besten mit einer externen Person: denn um ehrlich zu sein, braucht es schon manchmal jemanden von außen, der einen vielleicht ein bisschen stupst und ermutigt, neue Wege zu gehen. Im Alltagsgeschäft findet sich nämlich nicht immer die Zeit, das Thema eigenständig zu erarbeiten.
Und wie können Unternehmen schließlich sicherstellen, dass sie die Erwartungen von Menschen mit Behinderungen oder anderen Vielfaltmerkmalen berücksichtigen? Ganz wichtig ist hier ein ehrliches Gespräch und eine Inklusionsvereinbarung. Viele Menschen mit Behinderung glauben, immer 150 Prozent geben zu müssen, weil sie meinen, ihre Behinderung ausgleichen zu müssen. Gleichzeitig haben viele Unternehmen Bedenken von einem Menschen mit Behinderung gleichviel zu fordern, weil auch hier eine Hemmschwelle besteht. Eine Inklusionsvereinbarung ist da für beide Seiten sehr hilfreich: das bedeutet, dass gemeinsam konkrete Strategien und Ziele festgesetzt werden. Oft verinnerlicht man diese Ziele besser, wenn sie schriftlich fixiert sind.
Probebeschäftigung als Chance
Besonders zu empfehlen ist die Probebeschäftigung. Viele Unternehmen wissen gar nicht, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt. Wenn eine inklusive Stelle ausgeschrieben wird, dann meldet man das frühzeitig der Agentur für Arbeit, genauer gesagt, dem dortigen Reha-Team, und man kann eine Probebeschäftigung beantragen. Dadurch kann eine Person mit Behinderung bis zu drei Monaten probeweise arbeiten, und das Gehalt wird gefördert. In dieser Zeit wird sich herausstellen, ob die Person in das Team passt, wie die anderen im Team mit der Behinderung umgehen, ob der Arbeitsplatz barrierefrei ist oder angepasst werden muss.
Fazit
Zugegeben: Aller Anfang ist schwer. Jeder kennt das beklemmende Gefühl, wenn man fürchtet, etwas Falsches zu sagen oder auf Menschen mit Behinderung zuzugehen. Wie gestaltet man seine Arbeitsprozesse, um Menschen mit Behinderungen einzubeziehen? Umso wichtiger ist es, Inklusion umzusetzen, damit jeder Mensch die Chance hat, ungeachtet seiner Fähigkeiten, sein ganzes Potenzial zu entfalten. Diversität und Inklusion sind mehr als nur ein Trend. Es ist eine Haltung und eine Antwort auf die wachsende Vielfalt und Komplexität der heutigen Arbeitswelt. Führungskräfte, die die Fähigkeit der inklusiven Führung beherrschen, sind besser darauf vorbereitet, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und ihre Teams zum Erfolg zu führen.
Claire Common
Claire Commonist Inklusionstrainerin und berät Unternehmen, wie sie ihr Recruiting inklusiver gestalten und vom Potenzial diverser Teams profitieren können. Außerdem ist sie Gründerin eines inklusiven Modelabels. Claire Common studierte zunächst Politikwissenschaft und Geschichte und später an der Hochschule Pforzheim Modedesign. Sie unterstützt zudem als Patin eines der Projekte der Christoffel-Blindenmission (CBM).