„Die Wohltatswirkung von Bio muss beim Verbraucher ankommen“

Interview mit Barbara Scheitz, Geschäftsführerin, Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Die Andechser Molkerei Scheitz GmbH mit Sitz im bayerischen Andechs ist mit über 200 Mitarbeitern und 680 Zulieferern die größte deutsche Molkerei für Biolebensmittel. Foto: © Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Der elfte Marken-Award des Internationalen Marken-Kolloquiums im Kloster Seeon ging im vergangenen Jahr an Barbara Scheitz, geschäftsführende Gesellschafterin der Andechser Molkerei. Seit fast 20 Jahren leitet sie Europas größte rein ökologisch wirtschaftende Biomolkerei. Jährlich werden in dem Familienbetrieb rund 145 Mio kg Biomilch zu Andechser-Produkten verarbeitet. Wir sprachen mit ihr über mehr als 100 Jahre Markengeschichte.

Unternehmeredition: Die Andechser Molkerei Scheitz GmbH ist die größte Biomolkerei Europas. Wie haben Sie diesen Status erreicht?

Barbara Scheitz: Es ist eine innere Haltung, eine gemeinsame Überzeugung hinsichtlich unserer Verbundenheit mit der Natur. Wir sind überzeugt, dass das, was wir tun, und wie wir es tun, richtig ist. Und wir wissen: Die zahlreichen Wohltatswirkungen der Bioproduktion für Umwelt, Klima und Gesellschaft sind wissenschaftlich bewiesen. Die ökologische Landwirtschaft ist widerstandsfähiger als andere, kostenehrlich und zukunftsstabil. Je schneller die Umstellung auf ökologischen Landbau erfolgt und je größer die Ökoanbaufläche ist, umso größer ist die Umweltentlastung und Kosteneinsparung für die Gesellschaft. Daraus ergibt sich die logische Konsequenz „0% Mehrwertsteuer für Bioprodukte“, die wir aktuell mit verschiedenen Aktionen fordern.

Sie blicken auf über 100 Jahre Unternehmensgeschichte zurück. Worauf sind Sie besonders stolz?

Dass die Andechser Molkerei zu 100% ein Familienunternehmen ist. Als Familie fühlen wir uns auch mit unseren Mitarbeitern, Biobauern, Lieferanten und Kunden eng verbunden.

Warum haben Sie sich 2009 dafür entschieden, auf 100% Biomilch umzusteigen?

Produktion des Biojogurts: Er reift dreimal länger als die meisten anderen Joghurts.
Foto: © Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Diese Entscheidung war eine Herzensangelegenheit. Ich wollte unser Unternehmen strategisch neu ausrichten und ganz klar als Biomolkerei positionieren. Die volle Verwirklichung konnte allerdings nur im Zusammenwirken mit der steigenden Anzahl von Biomilchbauern und Biomilchkonsumenten erfolgen. Im Jahr 2009 hatten wir es dann aber gemeinsam geschafft – das war für alle ein großer Erfolg.

 

In Ihrer Eigenwerbung heißt es, die Produkte der Andechser Molkerei übertreffen gesetzliche Biostandards und reifen dreimal länger. Was heißt das genau?

Für unsere Produkte verwenden wir naturreine, erlesene Biozutaten und veredeln diese mit meisterlicher Handwerkskunst. Der Bio-Jogurt mild beispielsweise reift dreimal länger als die meisten anderen Joghurts; insgesamt mindestens 30 Stunden, in drei Schritten: der Säuerungszeit, der Nachreifezeit und der Ruhezeit. So wird das typische Andechser-Natur-Genussaroma ausgebildet, das alle Joghurtliebhaber so schätzen.

Ihr Produktsortiment umfasst 150 Biomolkereiprodukte. Wo liegen die Schwerpunkte und welches sind die beliebtesten Produkte?

Wir bieten ein Vollsortiment an hochwertigen Biomilchprodukten – denn so vielfältig wie die Kunden unserer Bioprodukte, so differenziert ist auch die Nachfrage. Unsere Kernkompetenz liegt im Joghurtsegment. Klassiker wie Naturjoghurt und Kefir entwickeln sich schon lange gut.

Inwieweit setzen Sie sich darüber hinaus für die Umwelt ein?

In der Andechser Molkerei Scheitz streben wir an, für Mensch, Tier und Natur das jeweils Bestmögliche zu realisieren. Wir arbeiten permanent an innerbetrieblichen Weiterentwicklungen und Modernisierungen, Auszeichnungen und Prüfungen – deswegen auch unsere offensive Kommunikation für Bioprodukte, für Biodiversität, Boden-, Grundwasser, Tier- und Klimaschutz, für eine ethisch definierte Bioökonomie. Mit unserem Projekt „KlimaBauer“ beispielsweise zeigen wir, welche Leistungen die Landwirte für uns als Gesellschaft erbringen, wenn man sie bewusst anerkennt und unterstützt. Ich nenne es das „Netzwerk der Wertschaffenden“, von dem wir alle profitieren.

Der Biomilchanteil in Deutschland ist mit 3% (circa 1,2 von 33 Mio. produzierten Tonnen Milch) noch gering. Was muss passieren, damit dieser Anteil wächst?

Die Kernkompetenz der Andechser Molkerei liegt im Joghurtsegment. Im Bereich Naturjoghurt ist das Unternehmen Marktführer.
Foto: © Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Die Wohltatswirkung von Bio muss beim Verbraucher ankommen. Wir müssen deutlich sagen: Du profitierst davon – und dies in einer echten Massivität, damit wir in diesen Punkten endlich vorankommen. Politisch wollen wir etwas erreichen, aber wir handeln nicht danach; das funktioniert nicht. Es ist an der Zeit, unsere Ziele sauber zu definieren. Und wenn wir die 30% Ökolandbau bis 2030 als Ziel vor Augen haben, müssen wir eben auch den Ökolandbau mehr stärken. Unsere Forderung „0% Mehrwertsteuer für Bioprodukte“ ist ein wichtiger Hebel hierfür. Die Bundesregierung kann jetzt aktiv mit Steuern zukunfts- und gesellschaftsverantwortlich handeln: Zukunftsförderliche Bioprodukte werden verbraucherfreundlich steuerbefreit, zukunftsbelastende Produkte behalten ihre bisherige Steuereinstufung.

 

Wie stark sind Sie in den letzten Jahren gewachsen?

Wir haben bei Andechser klar auf Wachstumsziele gesetzt und wollen mit unserer Marke weiterwachsen. Dafür werden wir die Impulskäufe für die Marke stärken – mit allem, was wir an Kommunikationsmöglichkeiten haben. Wir sind Marktführer im Bereich Naturjoghurt, und dafür strengen wir uns weiter an.

Inwieweit sind Sie von den Krisen- und Kriegsfolgen, insbesondere den hohen Energiekosten und der Inflation, betroffen?

Wir haben in das Thema Energieversorgung in den vergangenen fünf Jahren viel investiert. So konnten wir allein 2022 rund 30% Primärenergie einsparen. Aber diesen Wert kann ein Unternehmen nur erreichen, wenn es dafür viele Jahre große Investitionen umsetzt und neue Methoden einführt. Da haben wir bei Andechser unheimlich viel gemacht. Wir verfügen über ein Druckluftheizkraft- und ein Blockheizkraftwerk sowie seit Jahrzehnten über Fotovoltaik. Wir nutzen zudem Wärmerückkoppelung und sparen in unseren Prozessen Wasser ein. Dieses Energiekonzept entwickelten wir über viele Jahre, und heute sind wir wirklich gut unterwegs. Aber wir haben auch noch viel vor. Wir können nicht sagen, dass wir schon angekommen sind. Wir arbeiten an der Umsetzung weiterer Energieeinsparungsprojekte.

Verfolgen Sie weitere Expansionspläne? Wo soll die Reise hingehen?

Machen wir uns nur kurz bewusst, in welchem Umfeld sich die Andechser Molkerei heute befindet. Wir bedienen einen Markt, der in Deutschland 3,8% der gesamten Milchwirtschaft ausmacht. Unser Anteil an diesem Segment von 3,8% wiederum beträgt 12%. Deswegen sehe ich, über die Bioproduktion hinaus, unseren Auftrag als einen kommunikativen. Wir erreichen die Verbraucher mit sinnvollen Informationen, klären auf und überzeugen, dass diese Form der Landwirtschaft zukunftsfähig ist. In der EU, in Deutschland werden viele Weichen in Richtung Bioökonomie gestellt – und wenn wir uns da aktiv einbringen, dann können die regionalen Märkte wieder stark und widerstandsfähig werden: mit einer diversitär aufgestellten Biowirtschaft.

Haben Sie sich bereits Gedanken über die Unternehmensnachfolge gemacht?

Bisher nicht. Aber in einem Familienunternehmen wächst man natürlich mit dem Thema auf – und wer weiß: Wenn individuell ein Interesse aufkommt, wenn Talente dazu entwickelt werden können, dann wird man sehen.

Wo sehen Sie die Andechser Molkerei in 20 Jahren?

Als ökologisches Unternehmen, das gemeinsam mit seinen Biomilchbauern, Kunden und den Verbrauchern nachhaltige Impulse für eine bessere, zukunftssichernde Wirtschaftsweise setzen konnte. Erreichen werden wir das auf dem Weg einer zukunftsfähigen, ökologischen Wertschaffungsproduktion, bei der wir miteinander verbunden handeln und für alle wirksam sind: Landwirte, Konsumenten, unsere gesamte Gesellschaft.

Frau Scheitz, wir danken Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch!


Kurzprofil

Andechser Molkerei Scheitz GmbH

Leitung: Barbara Scheitz

Gründungsjahr: 1908

Unternehmenssitz: Andechs-Erling

Branche: Lebensmittelindustrie

Umsatz 2022: 200 Mio. EUR

Mitarbeiterzahl: 217

www.andechser-natur.de


ZUR PERSON

Barbara Scheitz, Jahrgang 1965, ist Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Andechser Molkerei Scheitz GmbH. Seit 20 Jahren leitet sie Europas größte rein ökologisch wirtschaftende Biomolkerei. Sie verfügt über Abschlüsse in Milchtechnologie und BWL.

www.andechser-natur.de

 

 

Der Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2023 erschienen.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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