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Die Positionierung eines Nachfolgers

Visualisierte Nachfolge: Die vornehmlich Aufgabe des Nachfolgenden besteht darin, sich zwischen den beiden Extremen Unterwerfung und Gegenposition einzuordnen.

Visualisierte Nachfolge: Die vornehmlich Aufgabe des Nachfolgenden besteht darin, sich zwischen den beiden Extremen Unterwerfung und Gegenposition einzuordnen.

Die Nachfolge ist in vielerlei Hinsicht ein emotionales Erbe, mit dem sich die Beteiligten auseinandersetzen. Erkenntnisse aus der systemischen Visualisierung können helfen, bei potenziellen Nachfolgenden Klarheit zu schaffen.

Die Nachfolge innerhalb von Familienunternehmen ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus gerückt. Die Mehrheit der Unternehmensnachfolgen ist bezüglich juristischer oder steuerlicher Fragen gut betreut. Selbstverständlich sind diese Fragen für potenzielle Nachfolgende sehr relevant, doch lassen sie sich noch um eine dritte, nämlich die emotionale Dimension erweitern. Für die potenziellen Nachfolgenden ist es nicht nur eine Frage des beruflichen Weges, sondern auch eine Frage nach der Lebensaufgabe. Für sie steht nicht nur im Raum, ob die berufliche Kompetenz vorhanden ist, sondern auch, ob sie bereit sind, das emotionale Erbe der vorangegangenen Generationen anzutreten.

Wie innerhalb der Nachfolge vorgegangen wird, kann unterschiedliche Formen annehmen: Einen goldenen Weg auszumachen fällt allein deshalb schwer, weil Familienunternehmen sehr vielfältig strukturiert sind. Dies beginnt schon bei der Festlegung des Zeitraums, ab dem der Nachfolgeprozess beginnt. Den Zeitpunkt innerhalb des Unternehmens festzulegen fällt leichter, als dies im System der Familie der Fall ist. Nicht zu unterschätzen ist hier die unterschwellig vermittelte Rolle, die dem potenziellen Nachfolgenden kommuniziert wird. Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Entweder wird der Nachfolgende von Kindesbeinen an als Kronprinz gehandelt oder aber erst im Erwachsenenalter langsam mit den Gedanken der Nachfolge vertraut gemacht. Wenn mehrere potenzielle Nachfolger innerhalb des Nachfolgesystems vorhanden sind, kann dies zu Spannungen führen. Bevor der potenzielle Nachfolger in das Unternehmen eintritt, spielt sich also bereits viel innerhalb des Systems der Familie ab. Diese Spannungen gilt es auszuhalten, damit alle Beteiligten möglichst konfliktfrei in das System des Unternehmens eintreten können.

Der intraperspektivische Blick auf den Nachfolger

Nicht nur im Zusammenhang von Familienunternehmen stellt sich die Frage nach dem beruflichen Lebensweg im ersten Viertel des Lebens. Hier gilt es für potenzielle Nachfolgende bereits, eine Jetzt-für-dann-Entscheidung zu treffen, damit die Weichen bereits richtig gestellt sind, um in das Familienunternehmen einsteigen zu können. Nicht selten wurde eine mögliche Nachfolge zu diesem Zeitpunkt noch nicht diskutiert und der Nachfolger trifft seine Entscheidung auf einer hypothetischen Entwicklungsperspektive. Er befindet sich in dem Spannungsfeld zwischen Autonomie und Zugehörigkeit. Die Schwierigkeit besteht darin, möglichst lange flexibel zu bleiben, jedoch ein klares Ziel vor Augen zu behalten. Gegenüber dem Übergebenden entsteht somit eine Doppelrolle. Der Nachfolger ist sowohl über das System der Familie mit dem Übergebenden verwandtschaftlich verbunden als auch über seine Rolle im unternehmerischen Kontext als potenzieller Nachfolger.

Quelle: eigene Darstellung

 

Die Abbildung verdeutlicht in der Form einer Systemaufstellung mit Personen, wie viele Kontexte es für den Nachfolgenden geben kann. Neben dem Spannungsfeld von Autonomie und Zugehörigkeit, welches sich auf der intraperspektivischen Ebene befindet, kommt die Rolle des Nachfolgenden hinzu. Diese Rolle kann intraperspektivisch betrachtet in Konflikt mit anderen Rollen kommen: zum Beispiel mit der Rolle der Tochter oder des Sohnes. Die Herausforderung für den Nachfolgenden besteht darin, intrapersonell beide Rollen in ein Gleichgewicht zu bringen und zu vermeiden, dauerhaft eine Dilemmasituation aufrechtzuerhalten. Sonst kann es zu einer Schwächung der Person des Nachfolgenden kommen, welche langfristig auch nach außen sichtbar wird.

Die Nachfolge ist in vielerlei Hinsicht ein emotionales Erbe, mit dem sich die Beteiligten auseinandersetzen. Erkenntnisse aus der systemischen Visualisierung können helfen, bei potenziellen Nachfolgenden Klarheit zu schaffen.

Die Rolle des Nachfolgers im interpersonellen Abwägungsprozess

Nicht nur der intrapersonelle Reifungsprozess fordert den Nachfolgenden, hinzu kommt die Auseinandersetzung mit der Person des Übergebenden. Die vornehmliche Fragestellung für den Nachfolgenden besteht primär darin, seine Rolle zu definieren. Hierbei lassen sich zwei Extreme abstecken: die Unterwerfung gegenüber dem Übergebenden oder die Entwicklung einer Gegenposition. Beide Positionen mögen in dem einen oder anderen Moment charmant wirken beziehungsweise auch in Momentaufnahmen sinnvoll erscheinen. Allerdings stellen sie langfristig keine zielführende Basis für die Ausprägung einer Rollendefinition da. Eine Unterwerfung mag den Prozess der Übergabe für alle Prozessbeteiligten leichter machen, jedoch birgt sie die Gefahr, dass der Nachfolgende seine Rolle als Führungsperson nicht findet und erprobt. Zudem verleitet ein unterwürfiges Verhalten seitens des Übergebenden dazu, dass kein Endpunkt für den Übergabeprozess gefunden wird und dieser somit länger als sinnvoll im Unternehmen verbleibt. Die Wahl der dauerhaften Opposition kann wiederum dazu führen, dass der Nachfolgende kaum Einblicke in das Unternehmen bekommt und entsprechend wenig von den Erfahrungen des Übergebenden profitieren kann. Unterm Strich sind also beide Extreme für den Nachfolgeprozess nicht förderlich, sie führen für keine der beiden Seiten zu einem wünschenswerten Ergebnis.

Gemeinsame Fragestellung: der Wille zur Nachfolge

Besonders das Spannungsfeld zwischen Autonomie und Zugehörigkeit sollte sowohl auf der intrapersonellen als auch auf der interpersonellen Ebene geklärt sein, bevor der Nachfolgende in das Unternehmen eintritt. Somit bildet die Findungsphase des Nachfolgenden eine der entscheidendsten Phasen, die sich vornehmlich im System der Familie abspielt und nicht im Unternehmen.

Die Findungsphase wird allerdings nicht nur von dem Nachfolgenden bestritten, Gleiches gilt für den Übergebenden – allerdings zunächst mit einer anderen Fragestellung. Für beide Protagonisten des Nachfolgeprozesses sollte daher gelten, dass sie mit einer klaren gemeinsamen Fragestellung an den Prozess herantreten und es nicht nur auf der Ebene der steuerlichen und rechtlichen Fragen selbstverständlich ist, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Abschließend gilt für den Nachfolgenden besonders die Frage an sich selbst zu klären, ob er den Willen zur Nachfolge besitzt. Hier geht es um weit mehr als das fachliche Verständnis, welches das Unternehmen einfordert, sondern vielmehr um den Willen, das Lebenswerk vergangener Generationen weiterzutragen und zu der eigenen Lebensaufgabe zu machen.


Zur Person

Merle Katrin Tegeler ist seit 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen im Bereich Nachhaltiges Management tätig. Sie hat Psychologie und Wirtschaftspsychologie studiert und arbeitet an einer Promotion zum Thema Nachfolge in Familienunternehmen.

tegeler@uni-bremen.de

 

 

 

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