Dezentrale Kredite für dezentrale Wirtschaft

Die Eigenkapitalquote deutscher Mittelständler ist auf Rekordniveau. Dennoch schlägt sich dies nicht auf die Investitionsneigung nieder. Um sie anzukurbeln, ist es neben einer Kapitalmarktunion wichtig, Firmenkreditgeschäfte und mittelständisch orientierte Hausbanken zu entlasten.

Deutschland ist von den Gedanken des Föderalismus, der Subsidiarität und der Dezentralität geprägt. Sie spiegeln sich auch in den ökonomischen Strukturen wider – insbesondere in der großen Bedeutung des Mittelstands und in den auf Dezentralität angelegten Bankenstrukturen. Denn eine dezentrale Wirtschaft braucht als Spiegel auch eine dezentrale Kreditwirtschaft. Dies gilt ganz besonders in Volkswirtschaften, deren Unternehmen sich traditionell relativ stark über Banken finanzieren – wie in Deutschland.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor des deutschen Mittelstands ist die Passgenauigkeit von realwirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Strukturen. So trifft der über das gesamte Bundesgebiet verteilte Mittelstand auf ein dezentrales Bankensystem, das ebenso in den Regionen verwurzelt ist wie der Mittelstand selbst. Sparkassen und Genossenschaftsbanken stellen mit ihren ausgewogenen Filialnetzen die Versorgung mit Bankdienstleistungen in der Breite sicher.

Deutsches Spezifikum

Damit unterscheidet sich Deutschland von anderen europäischen Nachbarländern. Nicht in allen Ländern ist die Wirtschaftsstruktur so breit gefächert wie in Deutschland, auch wenn es auch in anderen Ländern Mittelständler gibt. Und nicht überall ist das kreditwirtschaftliche Angebot so gut auf alle Größenordnungen von Unternehmen angepasst, nicht immer ist das Angebot flächendeckend und nicht überall kommen die Banken ihrer dienenden Rolle gegenüber der Realwirtschaft so gut nach. Gleichwohl spielen Bankkredite auch in anderen EU-Ländern eine wichtige Rolle. In Frankreich ist das Volumen an Unternehmenskrediten gut viermal so hoch wie das Wertpapiervolumen, in Italien mehr als siebenmal und sogar im kapitalmarktorientierten Großbritannien wird etwa die Hälfte aller Unternehmensfinanzierungen (48,4 Prozent) über Kredite abgewickelt und nur 20 Prozent mit Wertpapieren.

Insofern ist es nachvollziehbar, dass die EU-Kommission mit Blick auf manche Länder versucht, Finanzierungslücken von Unternehmen mit Hilfe einer Kapitalmarktunion zu schließen. Für den deutschen Mittelstand jedoch sollte man den Nutzen einer solchen Kapitalmarktunion nicht überschätzen. Denn das Kreditangebot hierzulande ist nicht nur naheliegend und preiswert, sondern entspricht auch der Mentalität mittelständischer Unternehmer, die Entscheidungshoheit über das eigene Unternehmen und den eigenen Betrieb behalten zu wollen.

Fazit

Wir denken, dass es neben einer Kapitalmarktunion mindestens ebenso notwendig ist, mittelständisches Firmenkreditgeschäft und mittelständisch orientierte Hausbanken regulatorisch zu entlasten. Denn sie wurden im Zuge der Bewältigung der Finanzmarktkrise allzu häufig mit international tätigen, riskanten Akteuren über einen Kamm geschoren. Das mag dem Zeitdruck bei der Einführung der Regulierung geschuldet sein. Jetzt ist es an der Zeit, diese Regelungen auf den Prüfstand zu stellen und den risikoarmen, traditionellen Mittelstandkredit zu entlasten. An erster Stelle stehen hier Nachbesserungen bei Liquiditäts- und Eigenkapitalkennzahlen.

Mittelständisch orientierte Kreditinstitute, die ihrer Region und ihrer Kundschaft verpflichtet sind, waren und sind Teil der Lösung. Insofern ist es konsequent und an der Zeit, diese Institute und ihr Mittelstandsgeschäft zu stärken. Denn der nächste Aufschwung und mit ihm der nächste Investitionsschub kommen bestimmt und Mittelständler – in ganz Europa – werden sich dann auf lokale Hausbanken stützen wollen. Und Institute wie die Sparkassen wollen sich statt auf Bürokratie lieber auf ihre Kunden konzentrieren. Damit die mittelständischen Unternehmen auch in Zukunft sehr gute Finanzierungsbedingungen haben.


Zur Person

Georg Fahrenschon (© Deutscher Sparkassen- und Giroverband)Georg Fahrenschon ist seit 16. Mai 2012 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands und Vorsitzender des Verwaltungsrates der DekaBank Deutsche Girozentrale. Davor war er Mitglied des Bayerischen Landtages und Bayerischer Staatsminister der Finanzen. www.dsgv.de

Autorenprofil

Georg Fahrenschon ist seit 16. Mai 2012 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands und Vorsitzender des Verwaltungsrates der DekaBank Deutsche Girozentrale. Davor war er Mitglied des Bayerischen Landtages und Bayerischer Staatsminister der Finanzen.

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