Der mit dem Zaren tanzt

Wodkaboom nach dem Krieg

Also blieben die Schilkins in Karlshorst bei Berlin hängen. 1932 startete der Familienvater dann erneut durch, erwarb das Gelände eines Gutshofes im Berliner Stadtteil Alt-Kaulsdorf. Doch das Vorhaben ging beinahe schief: 200 Likör- und Schnapsbrennereien in Berlin machten den Schilkins eine Menge Konkurrenz. Über zehn Jahre lang hielt die Mutter die Familie mit Näharbeiten über Wasser. Fast den gesamten Sprit, der zur Herstellung von Wodka erforderlich war, erhielt die Wehrmacht.

Führte das Unternehmen durch die Wirren der DDR-Zeit: Sergei Schilkin
Führte das Unternehmen durch die Wirren der DDR-Zeit: Sergei Schilkin

Der ältere Sohn Sergei studierte ab 1938 Maschinenbau an der heutigen Technischen Universität Berlin. 1944 starb Apollon Fjodorowitsch, und Sergei, der sein Studium mittlerweile erfolgreich abgeschlossen hatte, blieb nichts weiter übrig, als den väterlichen Betrieb im Ostteil Berlins zu übernehmen. Ihm gelang der Neustart: Wodka florierte nach dem Krieg. 84 Mark kostete eine Flasche, bis zu 300 Mark gab es auf dem Schwarzmarkt dafür. 1949 stieg Schilkin in eine andere Branche ein: Im West-Berlin gründete er gemeinsam mit seinem Schwager Jochen Gumpricht die Iron GmbH, ein Unternehmen zum Hartlöten von feinmechanischen Maschinenteilen. Das hatte er während seines Maschinenbaustudiums ausgetüftelt. Diesem Unternehmen blieb er auch während der Zeit des Eisernen Vorhangs als stiller Teilhaber erhalten.

Angebliche Steuerschuld in staatliche Beteiligung umgewandelt

Der alte Gutshof in Kaulsdorf war weiterhin Schilkins Lebensmittelpunkt. 1958 hatten die staatlichen Behörden ein Auge auf die florierende Schnapsbrennerei geworfen. Weil der Unternehmer höhere Löhne als die volkseigenen Betriebe zahlte, schoben ihm die Behörden eine Steuerschuld unter, um sie hinterher in eine staatliche Beteiligung umzuwandeln – Schilkin war nur noch zu 15% an seiner eigenen Firma mit mittlerweile 40 Mitarbeitern beteiligt. Doch die staatliche Beteiligung nutzte der umtriebige Schilkin zu seinem Vorteil aus. Weil durch die Tradition der Name „Serschin Wodka“ im Ausland bekannt und geschätzt war, wurde das Unternehmen gezielt zum Devisenbringer ausgebaut. Fortan bekam er die notwendigen Rohstoffe und Devisen für die Investition in westliche Abfüll- und Destilliermaschinen. 1961 folgte ein privater Rückschlag: Seine Tochter Elke blieb kurz vor dem Bau der Mauer im West-Berlin. Bei ihrer Hochzeit konnte er nicht dabei sein und auch die drei Enkel nicht sehen.

1972 kam Erich Honecker an die Macht. Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen, lautete die Devise. Schilkin wurde als einer der ersten fünf Betriebe Ostberlins wie seinerzeit unter Lenin wieder vollständig enteignet, er verlor seine bis dahin bestehenden 15% Beteiligung. Es gelang ihm aber, ordentliche Konditionen auszuhandeln: Weiterführung des Namens Schilkin, Beibehaltung aller Urheberrechte, das gesamte Vermögen vererbbar. Und er blieb – wenn auch nur mit Direktorengehalt – bis zu seiner Pensionierung 1981 auf dem Chefposten des Unternehmens. Als die Mauer fiel, war die Destille in Alt-Kaulsdorf die viertgrößte Schnapsbrennerei der DDR. 200 Mitarbeiter füllten 80 Mio. Flaschen ab.

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