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Der Erfolg hängt am Seil

Seit Jahrhunderten dreht sich beim Allgäuer Familienunternehmen Pfeifer alles rund um das Seil. Es gehört zu den ältesten Unternehmen Bayerns und längst zu den Marktführern der Branche. Die Produkte der Memminger sind weltweit gefragt – auch beim Bau von Stadiondächern für Fußball-Weltmeisterschaften.

Der letzte Bolzen ist gesteckt. Das erste Stadiondach für die umstrittene Fußball-WM 2022 in Katar fertig. Während die meisten Arenen im Arabischen Emirat neu gebaut werden, hat das Khalifa Stadion lediglich ein neues Dach bekommen. Dadurch ist der komplette Zuschauerbereich bedeckt, die Fans sitzen im Schatten. Beteiligt am Umbau war das Memminger Familienunternehmen Pfeifer. Dass es den Auftrag bekommen hatte, war keine Überraschung. Mit Stadiondächern haben die Allgäuer Erfahrung: Bereits für die WM 2010 in Südafrika war Pfeifer im Einsatz: Dort war das Familienunternehmen an zwei Stadionprojekten beteiligt: Für das Moses Mabhida Stadion in Durban lieferte und installierte Pfeiffer nicht nur das sogenannte Seiltragwerk, sondern trat als Teilgeneralunternehmer auf und war letztlich für die komplette Dachkonstruktion verantwortlich. „Wir installierten den über 300 Meter langen und 100 Meter hohen Stahlbogen, der das Stadion überspannt. Die am Bogen befestigten Seile tragen die Dachmembran“, sagt Unternehmenschef Gerhard Pfeifer. Bei den wichtigsten Projektschritten war er vor Ort, und es klingt ein gewisser Stolz in seiner Stimme, wenn er die Geschichte erzählt.

Durchbruch mit Drahtseilen

Seit 430 Jahren ist das Unternehmen in Familienhand. Seither dreht sich bei den Allgäuern alles um das Seil. In zwölfter Generation leitet Gerhard Pfeifer das Unternehmen. Die erste Erwähnung trägt eine Urkunde aus dem Jahr 1579. Damals gab es einen Streit zwischen zwei Seilermeistern in Memmingen. Ausgetragen wurde dieser vor dem Stadtrat, eine Rechtsprechung gab es noch nicht. Der Stadtschreiber dokumentierte diesen. Fortan wanderte der Handwerksbetrieb von einer Generation in die nächste. Zu tun gab es genug, Memmingen war als Standort ideal. Die Stadt war ein Verkehrsknotenpunkt auf der alten Salzstraße von Bad Reichenhall nach Lindau und von Norddeutschland in die Schweiz, zudem ein zentraler Ort der Postwegverbindung. „Ein großer Teil des handwerklichen Geschäfts war damals mit der Fuhrwerkstradition verbunden“, sagt Pfeifer. Mit Hanfseilen wurde die Ware befestigt und gesichert, und auch die Landwirtschaft wurde damals mit Naturseilen versorgt. „Über Jahrhunderte war dies der Broterwerb meiner Vorfahren.“ Der einstige Handwerksbetrieb lag also nicht zufällig gegenüber dem Memminger Salzstadl – einem Gebäude mit bauhistorischer Bedeutung.

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Seit Jahrhunderten dreht sich beim Allgäuer Familienunternehmen Pfeifer alles rund um das Seil. Es gehört zu den ältesten Unternehmen Bayerns, längst zu den Marktführern der Branche und ist mit seiner Expertise weltweit gefragt – auch beim Bau von Stadiondächern für Fußball-Weltmeisterschaften.

Der große Sprung vom Handwerksunternehmen zur industriellen Fertigung gelang erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Wirtschaft begann kräftig zu wachsen. In der Region gab es viele Baufirmen, und Pfeifer hatte die entsprechenden Seile, die die Branche benötigte. Entscheidend für den künftigen Erfolg war, dass Gerhard Pfeifers Vater erkannte, dass Drahtseile die Zukunft beherrschen und Hanfseile an Bedeutung verlieren. Heute hat das Unternehmen acht Geschäftseinheiten, beschäftigt weltweit 1.400 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von 250 Mio. Euro. Verwendung finden die Seile im Bergbau, der Aufzugstechnik, in der Lastaufnahme, bei Schutzverbauungen und vielem mehr. Pfeifer ist zudem mit Produkten in der Bau- und Hebetechnik aktiv.

Fokus auf Industriesektor

In verschiedenen Segmenten war das Unternehmen in der Vergangenheit tätig. Im Bergsport etwa: Pfeifers Vater übernahm eine Seilerei aus Kempten, die keinen Nachfolger fand. Spezialisiert war diese auf Kunstfaserseile für den Segel- und den Bergsport. Er ergänzte das Angebot um Karabiner und Haken. Bald waren auch Rucksäcke, Zelte und Bergsteigerbekleidung im Angebot. Allerdings entschied sich Pfeifer 1987 dazu, das Teilgeschäft an Mammut, eine große Schweizer Outdoor-Firma, die im Allgäu ihren Europasitz hat, zu verkaufen. Das Produktspektrum wurde zu groß. Man wollte sich nicht verzetteln. Fortan fokussierte sich das Unternehmen auf den Industriesektor.

Mary Avenue Fußgängerbrücke in Cupertino: Die Seile kommen von Pfeifer.

Teilweise produzieren die Memminger die Seile selbst, etwa in Mühlheim an der Ruhr und im chinesischen Changsu. Neben der eigenen Produktion ist die Konfektionierung bedeutend. Die findet im Allgäu statt: Hier werden Seile zugeschnitten und mit den passenden Seilendverbindungen versehen. „Die meisten Hochleistungsseile, die in Memmingen verarbeitet werden, kaufen wir zu“, sagt Pfeifer. „Manchmal weiß Pfeifer mehr, was die Seile können, als die Hersteller selbst“, sagt ein Branchenkenner. Direkt am Gebäude der Zentrale steht ein Prüfturm, der ähnlich wie ein Kran funktioniert, mit dem Lasten auf- und abgefahren werden. Hier prüfen Techniker die eigenen, aber auch fremde Seile auf ihre Belastbarkeit. Auch renommierte Kran- und Seilhersteller lassen ihr Material hier prüfen. Einen Turm dieser Art gibt es lediglich in Memmingen. Auch der 240 Meter lange Recktunnel unter der Firmenhalle dürfte einzigartig sein: In diesem finden Dehn- und Zugversuche sowie Probebelastungen an Seilen statt.

Firmengelände als Spielplatz

Gerhard Pfeifer kennt hier jedes Eck und nahezu jeden Lichtschalter. Schon als Kind war das Betriebsgelände sein Spielplatz. Hier wuchs er auf, hier wurde ihm auch das erste Mal unterschwellig bewusst, dass er irgendwann mal die Verantwortung für das Familienunternehmen übertragen bekommt. Als Fünfjähriger kletterte er einen hohen Schornstein hinauf. Ein Mitarbeiter sah dies und rief ihm zu, dass er doch bitte vorsichtig wieder hinunterklettern möge. Schließlich bräuchten ihn die Mitarbeiter als künftigen Nachfolger seines Vaters noch eine Weile. Der Angestellte sollte recht behalten: Seit knapp 33 Jahren ist Gerhard Pfeifer im Familienbetrieb aktiv, seit 1996 leitet er das Unternehmen. Studiert hat er Betriebswirtschaftslehre und Philosophie. Zum Thema Wirtschaft hat er eine klare Meinung: „Wirtschaften dient dazu, dass Menschen für Menschen Güter und Dienstleistungen zur Verfügung stellen“, sagt Pfeifer.

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Seit Jahrhunderten dreht sich beim Allgäuer Familienunternehmen Pfeifer alles rund um das Seil. Es gehört zu den ältesten Unternehmen Bayerns, längst zu den Marktführern der Branche und ist mit seiner Expertise weltweit gefragt – auch beim Bau von Stadiondächern für Fußball-Weltmeisterschaften.

Seilkonfektion: In Memmingen werden die Seile zugeschnitten und mit passenden Verbindungen bestückt.

Deswegen lehnt er auch jegliche Spekulationsgeschäfte an der Börse ab. Ganz real sieht er auch die Entwicklung seines Unternehmens: In den vergangenen Jahrzehnten ist dieses stetig gewachsen, vor allem international. Für ein Familienunternehmen wie Pfeifer eine große Herausforderung: Trotz der vierstelligen Mitarbeiterzahl zählt Pfeifer im globalen Vergleich immer noch zu den kleineren Unternehmen. Zudem ist es in einem Nischenmarkt tätig. Es mussten komplexe Strukturen aufgebaut werden. „Wir müssen uns in einer Größe etablieren, die uns langfristig das Überleben sichert“, sagt Pfeifer.

Dass der Weg der richtige war, es wichtig ist, zu diversifizieren und auch in verschiedenen Ländern tätig zu sein, spürt Pfeifer immer wieder. In großem Maße ist sein Unternehmen abhängig von globalen Strömungen. Einen großen Teil des Umsatzes setzen die Schwaben in der Bauwirtschaft um. Vor allem Kranhersteller sind große Kunden. „In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts gab es einen riesigen Bauboom“, erinnert sich Pfeifer. Sein Unternehmen profitierte damals stark von der großen Nachfrage nach Kränen und Baumaschinen. „Doch sind die Schwankungen in dieser Branche so groß, wie ich sie aus anderen nicht kenne“, so der Firmenchef. Zu spüren bekam er dies im vergangenen Jahr, als die Wirtschaft in China langsamer als erwartet wuchs. Trotzdem will Pfeifer an dem Geschäft festhalten. „Das Wirtschaftswachstum liegt immer noch deutlich über den Prognosen für Europa und den USA. Unser Ziel ist es, unsere internationale Präsenz weiter auszubauen.“ In anderen Segmenten will er derweil diese Delle ausgleichen.

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Seit Jahrhunderten dreht sich beim Allgäuer Familienunternehmen Pfeifer alles rund um das Seil. Es gehört zu den ältesten Unternehmen Bayerns, längst zu den Marktführern der Branche und ist mit seiner Expertise weltweit gefragt – auch beim Bau von Stadiondächern für Fußball-Weltmeisterschaften.

Neue Struktur

Um weiter vorne zu bleiben, sind Innovationen unerlässlich. Getüftelt wird etwa an neuen Materialien für die Seile. In den Blickwinkel der industriellen Nutzung rückt dabei die Kunstfaser. Immer wieder werden Pfeifer Seile präsentiert – für Aufzüge oder für Kräne.

Doch der große Durchbruch gelang bisher keinem Anbieter. „Ich glaube nicht, dass die Kunstfaser das Stahlseil vollständig ersetzt.“ Sollte sich allerdings die Chance bieten, möchte Pfeifer sie ergreifen. Er möchte Vorreiter sein, wenn es darum geht, Dinge neu und anders zu denken. Dazu gehört die Digitalisierung, dazu gehört aber auch das Verständnis für die Struktur des Unternehmens und die Beschäftigten. Die sollen sich bei Pfeifer wertgeschätzt fühlen. „Ich möchte, dass sie sich entwickeln und eigenverantwortlich arbeiten.“ Mit Nachdruck betont er, wie sehr er es ablehnt, von irgendjemand instrumentalisiert zu werden. „Deswegen will ich auch nicht, dass meine Mitarbeiter instrumentalisiert werden.“


“So wie ich in den vergangenen Jahrzehnten das Unternehmen geführt habe, kann und will das sicherlich keiner nach mir machen”

Gerhard Pfeifer, Geschäftsführer Pfeifer Holding GmbH & Co.KG


Eine seiner wichtigsten Aufgaben momentan besteht darin, die Organisationsstruktur neu zu gliedern. Für bestimmte Teilbereiche soll es klare Verantwortlichkeiten mit entsprechenden Geschäftsführerpositionen geben. Auch rechtliche Verantwortlichkeiten sollen geregelt werden, damit nicht wie bisher alles an einer Person hängt. „So wie ich in den vergangenen Jahrzehnten das Unternehmen geführt habe, kann und will das sicherlich keiner nach mir machen“, sagt Pfeifer. In einem Unternehmen dieser Größenordnung ist dies wohl auch nicht mehr möglich. Pfeifer ist guter Hoffnung, dass auch künftig das Unternehmen in Familienhand bleibt. Eine seiner beiden Töchter studiert internationales Management und kann es sich bislang sehr gut vorstellen, ins Unternehmen einzusteigen. Allerdings ist sie erst 21 Jahre alt. Drängen mag er sie nicht. Seinem Anspruch, Mitarbeiter müssen mögen, was sie tun, will er ja gerecht werden.


 

Kurzprofil PFEIFER Holding GmbH & Co.KG

Gründungsjahr 1579
Branche Seil-, Hebe-, Bautechnik
Unternehmenssitz Memmingen
Umsatz 2016
250 Mio. Euro
Mitarbeiterzahl 1.400

www.pfeifer.de

 

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