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Den Anschluss nicht verpassen

Immer mehr Länder in Europa setzen mit staatlichen Förderungen auf die Mitarbeiterbeteiligung. Eine Strategie, bei der es richtig umgesetzt nur Gewinner geben kann. Für Unternehmen ist sie ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für die Zukunft, Arbeitnehmer finden eine attraktive Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Höchste Zeit, auch in Deutschland die Weichen neu zu stellen.

Es gibt viele Gründe, auf gemeinsame Erfolge stolz zu sein. Unternehmen und ihre Beschäftigten haben es 2016 geschafft, Deutschland wieder zum Exportweltmeister zu machen. Die Nationalmannschaft ist auch dank ihres Teamgeists amtierender Fußballweltmeister. Die mittelständischen „Hidden Champions“ sind globale Marktführer in ihren Nischen. Nur wenn es um die Zusammenarbeit in den Betrieben auch auf der Basis von Unternehmensanteilen in Mitarbeiterhand geht, spielt Deutschland in der Champions League ziemlich weit hinten. Es ist gewissermaßen so, als würde man auf dem Niveau von Viktoria Pilsen oder Östersunds FK spielen, während die Stars von FC Barcelona oder Paris St. Germain nach dem Titel greifen.

Im internationalen Vergleich nur Mittelmaß

Frankreich hat allein 3,3 Millionen Belegschaftsaktionäre und damit rund dreimal so viele wie Deutschland. Im Vereinigten Königreich sind es immerhin doppelt so viele. Zahlen der European Federation of Employee Share Owner (EFES) zufolge bieten heute 53 Prozent der europäischen Aktiengesellschaften ihren Arbeitnehmern Belegschaftsaktienprogramme an, gut ein Drittel mehr als vor sieben Jahren. In Deutschland dagegen sind es nur 39 Prozent. Zwar kommt in der Bundesrepublik zu dem vor allem von gelisteten Börsengesellschaften ausgegebenen Aktien noch eine in etwa gleich große Zahl von stillen Beteiligungen und Genussrechten von Beschäftigten im Mittelstand dazu. Dennoch geht es zäh voran, auch weil nicht selten falsche Vorstellungen herrschen. „Unternehmer und Führungskräfte wissen oft zu wenig darüber, wie sich so ein Beteiligungsprogramm gestalten und was sich damit erreichen lässt“, sagt Dr. Heinrich Beyer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Mitarbeiterbeteiligung – AGP. Ebenso gebe es die unbegründete Furcht, die unternehmerische Entscheidungsgewalt zu verlieren.

Europaweit neue Anreize

Andererseits wächst in einer sich verändernden Arbeitswelt nun aber auch das Interesse. Den Anstoß für einen richtig kräftigen Schub nach vorn müsste jetzt aber die Politik geben. Nach der festen Überzeugung von EFES-Generalsekretär Marc Mathieu existiert ein eindeutiger Zusammenhang zwischen steuerlicher Förderung und dem Verbreitungsgrad von Beteiligungsmodellen in Europa. In den vergangenen Jahren seien die meisten politischen Entscheidungen in den europäischen Ländern auf eine bessere Förderung der Mitarbeiterbeteiligung ausgerichtet gewesen. Das setzt sich auch in jüngster Zeit fort. So hat Norwegen die steuerlichen Vergünstigungen zu Jahresbeginn verdoppelt und Polen bereitet ebenfalls eine entsprechende Gesetzgebung vor. In Irland sollen neue Anreize für kleine und mittlere Unternehmen in 2018 eingeführt werden und die Niederlande wollen eine günstigere steuerliche Behandlung von Aktienoptionen für Mitarbeiter von innovativen Start-ups auf den Weg bringen.

Immer mehr Länder in Europa setzen mit staatlichen Förderungen auf die Mitarbeiterbeteiligung. Eine Strategie, bei der es richtig umgesetzt nur Gewinner geben kann. Für Unternehmen ist sie ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für die Zukunft, Arbeitnehmer finden eine attraktive Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Höchste Zeit, auch in Deutschland die Weichen neu zu stellen.

Die Politik ist gefordert

In Deutschland gilt das vor sieben Jahren eingeführte Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz (MKBG). Nachdem der Freibetrag unter Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück 2004 sogar von 154 Euro auf 135 Euro pro Jahr gesenkt wurde, brachte dieses Gesetz wieder eine großzügigere Förderung: Es ermöglicht die steuer- und sozialabgabenfreie Überlassung von Unternehmensanteilen an Mitarbeiter bis zu einer Höhe von jährlich 360 Euro. Auch Kapitalbeteiligung im Zuge einer Entgeltumwandlung ist seitdem möglich und wird durch Steuerfreiheit – nicht aber durch die Befreiung von der Sozialversicherung – gefördert. Hinzu kommt innerhalb der Einkommensgrenzen die Arbeitnehmer-Sparzulage. Länder wie Großbritannien und Österreich, wo der steuer- und abgabenfreie Betrag vor Kurzem auf 3.000 Euro angehoben wurde, tun allerdings schon jetzt deutlich mehr. Es ist kein Wunder, dass der AGP nun die Anhebung des Freibetrags in Deutschland auf 1.200 Euro fordert. Am besten wäre es, wenn die Regierungschefin den Anstoß geben würde. „Was wir jetzt brauchen, ist ein klares Statement von Frau Merkel oder einem ihrer neuen Minister“, sagt Beyer.


“In Zukunft dürften die private Altersvorsorge sowie die Vermögensbildung wieder stärker ins Blickfeld rücken, und die Mitarbeiterkapitalbeteiligung kann ein wichtiges Instrument sein.”

Dr. Philipp Steinberg


 

Reformen sind nicht vom Tisch

Dr. Philipp Steinberg
Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Die Bundeskanzlerin hat sich in der zurückliegenden Legislaturperiode mit Meinungsäußerungen zu diesem Thema zurückgehalten. Das könnte sich ändern. Darauf lassen zumindest die Antworten auf die „Wahlprüfsteine“ schließen, die der AGP den politischen Parteien vor der Bundestagswahl vorgelegt. Für CDU/CSU ist demnach die Mitarbeiterbeteiligung ein zentrales Anliegen. Die FDP will sie auch durch eine Erhöhung des Steuerfreibetrags vorantreiben. Hört man sich in den Ministerien um, so lässt das ebenfalls auf Reformen hoffen. „Bei einer Überprüfung der finanziellen Rahmenbedingungen könnte neben einer pauschalen Anhebung von Förderbeträgen auch eine stärkere Integration in die Altersvorsorge eine wichtige Rolle spielen“, sagt Dr. Philipp Steinberg, Leiter der Abteilung I – Wirtschaftspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Mitnahmeeffekte müssten da dann aber möglichst vermieden werden.

Immer mehr Länder in Europa setzen mit staatlichen Förderungen auf die Mitarbeiterbeteiligung. Eine Strategie, bei der es richtig umgesetzt nur Gewinner geben kann. Für Unternehmen ist sie ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für die Zukunft, Arbeitnehmer finden eine attraktive Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Höchste Zeit, auch in Deutschland die Weichen neu zu stellen.

Fördern statt besteuern

Professor Dr. Hilmar Schneider vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit – IZA sieht in Mitarbeiterbeteiligungen eine Möglichkeit, die wachsende Diskrepanz zwischen den Einkunftsarten in einer sich verändernden Arbeitswelt zu stoppen. Er betont, dass sie – im Gegensatz etwa zu einer Robotersteuer – die Produktivität und Innovationskraft fördern. Nur: Begünstigungen kosten Geld und der Staat will den Euro für ähnliche Ziele wie etwa die Altersvorsorge nur ungern zweimal ausgeben. Will heißen: Wenn er schon etwas für Betriebsrenten tut, müssen andere Initiativen hinten anstehen. Doch nun kann es ja weitergehen. „In der endenden Legislaturperiode stand die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge im Vordergrund. In Zukunft dürften nun die private Altersvorsorge sowie die Vermögensbildung wieder stärker ins Blickfeld rücken, und die Mitarbeiterkapitalbeteiligung kann hier ein wichtiges Instrument sein“, sagt Steinberg.


“Vermögensbildung mit Aktien ist notwendig, um die Leute aus der Sparbuchfalle herauszuholen.”

Dr. Christine Bortenlänger


Anlagealternative für Arbeitnehmer

Zielführend wäre es in mehrfacher Hinsicht. Firmen können so Fachkräfte an sich ziehen, die gerade in Zeiten der Digitalisierung und angesichts der demografischen Entwicklung immer wertvoller werden. So binden sie zudem motivierte und sich mit dem Betrieb identifizierende Angestellte. Gleichzeitig bietet der Erwerb von Unternehmensanteilen den Arbeitnehmern eine renditeträchtige Anlagealternative. Zwar gibt es auch dagegen Einwände, die zum Beispiel auf das

Dr. Christine Bortenlänger
Geschäftsführender Vorstand
Deutsches Aktieninstitut

sogenannte Klumpenrisiko verweisen. Es entsteht theoretisch, wenn die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz und die Geldanlage gleichermaßen vom Wohl und Wehe eines einzigen Unternehmens abhängig machen. Doch dieses Argument sticht nur sehr bedingt. So kann einerseits eine wirksame steuerliche Förderung dieses Risiko zu einem beachtlichen Teil ausgleichen, weil der Staat quasi einen Teil des Kaufpreises übernimmt. Zum anderen gewähren die Unternehmen selbst häufig zusätzlich zum Lohn Zuwendungen, um Mitarbeitern den Kauf der Anteile zu erleichtern. Und nicht zuletzt sind die Unternehmensanteile in der Regel nur Teil des Anlage- und Vorsorgeportfolios. Warum sollte das Motto „Nie alle Eier in einen Korb legen!“ hier nicht gelten? Das ist umso realistischer, als Unternehmensanteile in einem Mitarbeiterbeteiligungsmodell auch schon mit überschaubaren Beträgen zu haben sind. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht bis hin zu sparplanähnlichen Gestaltungen, bei denen über den monatlichen Abzug kleiner Summen vom Gehalt der jährliche Erwerb von Anteilen finanziert wird. Wie wichtig das unter Renditeaspekten sein kann, wird den Anlegern in der Niedrigzinsphase drastisch vor Augen geführt. „Vermögensbildung mit Aktien ist notwendig, um die Leute aus der Sparbuchfalle herauszuholen“, erklärt Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts (DAI).Immer mehr Länder in Europa setzen mit staatlichen Förderungen auf die Mitarbeiterbeteiligung. Eine Strategie, bei der es richtig umgesetzt nur Gewinner geben kann. Für Unternehmen ist sie ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für die Zukunft, Arbeitnehmer finden eine attraktive Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Höchste Zeit, auch in Deutschland die Weichen neu zu stellen.

Baustein für eine neue Aktienkultur

Ob der Niedrigzins schon zu einem Umdenken geführt hat, lässt sich nur vermuten. Nach Erhebungen des DAI gab es 2016 in Deutschland 1,1 Millionen Belegschaftsaktionäre, und damit immerhin rund ein Drittel mehr als noch 2014. Allerdings war die Zahl in den beiden Jahren davor auch schon einmal höher als heute. Es ist also nach wie vor ein sehr kleines Pflänzlein, das erst noch gedeihen muss. Gerade die Möglichkeit, anstatt etwa in abstrakte Fonds auch in ein vertrautes Unternehmen zu investieren, könnte ein wichtiger Baustein für die noch immer sehr unterentwickelte Aktienkultur sein. „Die Mitarbeiterbeteiligung ist ein ideales Instrument, um die tiefsitzende Skepsis der Deutschen gegenüber Aktien zu verringern“, betont Bortenlänger.

Alternativen für Arbeitnehmervertreter

Auch die Gewerkschaften denken heute darüber nach, sich bei dem Thema wieder klarer zu positionieren. Sie wollen jedoch Elemente der Mitbestimmung berücksichtigt wissen, die naturgemäß bei den Unternehmen auf Ablehnung stoßen. Fakt ist: Mitarbeiterbeteiligungen sind möglich, ohne die unternehmerische Entscheidungsfreiheit einzuschränken. Und warum sollten in Zeiten, in denen auf politischer Ebene vielleicht Jamaika-Koalitionen funktionieren, nicht auch Unternehmen und Gewerkschaften zu neuen Lösungen kommen? Aus Sicht von Arbeitnehmervertretern kann die Mitarbeiterkapitalbeteiligung zum Beispiel, proaktiv genutzt, ein geeignetes Instrument sein, um im Falle von Unternehmenskrisen oder bei mittel- und langfristig planbarer Nachfolgeregelung den Betrieb fortzuführen und die Arbeitsplätze zu erhalten. „Gewerkschaften sollten dabei in den politischen Arenen im Zuge einer neuen, wirtschaftsdemokratischeren Ausrichtung solche Modelle als eine mögliche Alternative herausstellen und deren Weiterentwicklung fördern“, befindet Walter Vogt, Gewerkschaftssekretär beim IG Metall Vorstand. Immer mehr Länder in Europa setzen mit staatlichen Förderungen auf die Mitarbeiterbeteiligung. Eine Strategie, bei der es richtig umgesetzt nur Gewinner geben kann. Für Unternehmen ist sie ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für die Zukunft, Arbeitnehmer finden eine attraktive Möglichkeit, Vermögen aufzubauen. Höchste Zeit, auch in Deutschland die Weichen neu zu stellen.

Initiativen in dieser Richtung seien aber bereits vor konkreten betrieblichen Umstrukturierungen zu eruieren und könnten dann von Betriebsräten aktiv vertreten werden. Bei krisenhaften Zuspitzungen, in denen aktives, schnelles Handeln gefragt ist, wird nach Vogts Einschätzung aufgrund der Bekanntheit vorschnell auf die Rechtsform der GmbH zurückgegriffen. Er sieht die Gefahr, dass in einer solchen Situation gegründete GmbHs später oft ausbluten oder weiterveräußert werden. Eine konsequentere Alternative sei der Formwechsel hin zu einer eingetragenen Genossenschaft, in deren Rahmen die Beschäftigten das Unternehmen in freibestimmter Selbstverwaltung und auf die Höhe der Einlage beschränkter Haftung fortführen können. „Unabhängig von der Einlage hat jedes Mitglied in der Generalversammlung eine Stimme, wobei Vorstand und Aufsichtsrat zwingend von den Mitgliedern zu besetzen sind“, so Vogt.


“Mitarbeiterbeteiligung kann ein weiterer Baustein werden, um Unternehmen von ihren klassischen Kreditgebern unabhängiger zu machen.”

Walter Vogt


Zusätzliches Finanzierungsinstrument

Walter Vogt
Gewerkschaftssekretär
IG Metall Vorstand

Relativ unumstritten dagegen ist, dass Anteile der Mitarbeiter die Finanzierungskraft von Unternehmen stärken können. Stille Beteiligungen und Genussrechte gelten als eigenkapitalähnliche Finanzierungen und haben damit eine positive Wirkung auf Bankenratings, was wiederum den Zugang zu Krediten erleichtert. Auch in ihrer Eigenschaft als Finanzierungsinstrument, um Krisen vorzubeugen oder die Nachfolgeregelung zu planen, ist die Mitarbeiterbeteiligung nicht zu unterschätzen. „Gerade sie kann ein weiterer Baustein werden, um Unternehmen von ihren klassischen Kreditgebern nicht nur unabhängiger zu machen, sondern gleichzeitig auch Beschäftigung zu sichern“, erläutert Vogt.

Internationale Harmonisierung überfällig

Viele Unternehmen sind nach wie vor skeptisch, zumal von Finanzierungsengpässen angesichts oft guter Eigenkapitalpolster und günstiger Kreditkonditionen derzeit bei den meisten Firmen nicht die Rede sein kann. Dennoch gewinnt das Thema nicht zuletzt mit Blick auf den Wettbewerb um Arbeitskräfte offenbar an Bedeutung. „Verglichen mit dem Interesse zu Beginn des Jahrzehnts bekommen wir heute deutlich mehr Anfragen von mittelständischen Unternehmen, die bei uns Beratung und Unterstützung bei der Projekteinführung suchen“, berichtet AGP-Geschäftsführer Beyer. Geeignet ist das Instrument jedenfalls für Firmen nahezu jeder Größenordnung. Je nach Zielen und Voraussetzungen sind allerdings unterschiedliche Fragen zu klären. Vor besonderen Herausforderungen stehen Unternehmen, die Mitarbeiter an ausländischen Standorten beteiligen. Dass sie in Deutschland noch an einer Hand abzuzählen sind, hat ebenfalls mit hemmenden Rahmenbedingungen zu tun. „Schuld daran ist der Dschungel unterschiedlicher steuerlicher und rechtlicher Regeln in den einzelnen Staaten. Internationale oder zumindest EU-weite Harmonisierungen müssen daher grenzüberschreitende Mitarbeiterkapitalbeteiligungen erleichtern“, fordert Bortenlänger.

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