Börsenerfahrung eines Familienunternehmens (Ausgabe 2/2010)

Elring Klinger AG: Vorbildliches Being Public eines Automobilzulieferers

Rund 120 Jahre befand sich der Kfz-Zulieferer aus Dettingen komplett in Familienhand, ehe er im Jahr 2000 den Börsengang wagte. Seitdem sind Bekanntheitsgrad, Umsatz und Gewinn deutlich gestiegen. Die Gründerfamilie hat die Mehrheit behalten.
Rund 120 Jahre befand sich der Kfz-Zulieferer aus Dettingen komplett in Familienhand, ehe er im Jahr 2000 den Börsengang wagte. Seitdem sind Bekanntheitsgrad, Umsatz und Gewinn deutlich gestiegen. Die Gründerfamilie hat die Mehrheit behalten.

Über 130-jährige Firmengeschichte
Die Wurzeln der heutigen Elring Klinger AG reichen bis in das Jahr 1879 zurück. Damals gründete Paul Lechler in Stuttgart ein Handelshaus für technische Produkte und Dichtungen – der Ursprung der späteren Elring GmbH. 1885 rief Richard Klinger in Wien eine Konstruktionswerkstatt ins Leben. Beide Betriebe begannen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit der Produktion von Zylinderkopfdichtungen und legten ihren Fokus nach und nach auf den Automotive-Sektor. Zum Zusammenschluss kommt es 1994: Die Elring GmbH fusionierte mit dem Unternehmensbereich Automotive der Richard Klinger GmbH zur Elring Klinger GmbH.

Verschmelzung statt klassisches IPO
Der Start an der Börse im Jahr 2000 erfolgte nicht auf klassischem Weg via öffentliches Angebot der Aktien (Initial Public Offering, IPO). Stattdessen kam es zur Verschmelzung der Elring Klinger GmbH mit der börsennotierten Mutter ZWL Grundbesitz und Beteiligungs AG. Erst dadurch wurde transparent, “welche Perle sich mit dem Autozulieferer Elring Klinger in der ZWL befindet”, so Vorstandschef Dr. Stefan Wolf, auf den die Pläne maßgeblich zurückgehen. In der Folge erwachte der bis dahin siechende Aktienkurs zum Leben.

Die Gründerfamilie blieb mehrheitlich an Bord
Gewöhnlich scheuen familiengeführte Unternehmen einen Börsengang, da sie einen Verlust ihrer Macht befürchten. Nicht so die Gründerfamilie Lechler: Sie befürwortete die Pläne von Anfang an. Im Zuge der Verschmelzung wurden zahlreiche Investoren an Boot geholt, die den Kurs des Unternehmens unterstützten. Gleichzeitig behielt die Familie die Mehrheit. Dadurch konnte das Management – unbeeinflusst von Störmanövern durch Finanzinvestoren – die Elring Klinger AG auf Wachstumskurs bringen: Während der Jahreserlös zum Zeitpunkt des Börsengangs 312 Mio. EUR betrug, kletterte der Umsatz bis zum Rekordjahr 2007 auf knapp 658 Mio. EUR.

Hoher Stellenwert der Investor-Relations-Arbeit
Durch den Börsengang ist der Bekanntheitsgrad der Firma deutlich gestiegen. Heute gilt die Elring Klinger AG als einer der bedeutendsten Kfz-Zulieferer in Deutschland. Als Spezialist für Zylinderkopf- und Spezialdichtungen, Gehäusemodule und Abschirmteile für Motor, Getriebe und Abgasanlagen ist der Konzern aktuell an 28 Standorten in Europa, Amerika, Afrika und Asien tätig und beschäftigt konzernweit mehr als 4.100 Mitarbeiter. Einen hohen Stellenwert genießt bei Elring Klinger die Kommunikation mit den Aktionären – mit Erfolg: Das Unternehmen gewinnt regelmäßig Preise für die Investor-Relations-Arbeit und die Gestaltung seiner Geschäftsberichte.

Gestärkt aus der Krise
Die Absatzkrise der internationalen Fahrzeugindustrie setzte zwar auch Elring Klinger zu. Doch mit einem Rückgang der Erlöse von 11,9% auf 579,3 Mio. EUR kam der Konzern glimpflich davon. Dank frühzeitig eingeleiteter Kostensenkungsmaßnahmen blieb die EBIT-Marge mit 10,9% exakt auf Vorjahresniveau. Während für 2010 ein Erlösanstieg von 7 bis 19% und ein EBIT-Plus von 12 bis 15% geplant ist, soll bereits 2011 das Vorkrisenniveau erreicht werden. Die Zulieferer-Branche insgesamt rechnet damit erst für 2013.

Christian Scheid
redaktion@unternehmeredition.de

Kurzprofil: Elring Klinger AG
Gründungsjahr: 1879 / seit 2000 börsennotierte AG
Branche: Automobilzulieferer
Unternehmenssitz: Dettingen
Mitarbeiterzahl: 4.171
Umsatz 2009: 579,3 Mio. EUR
Internet: www.elringklinger.de

“Durch den Börsengang ist unser Bekanntheitsgrad deutlich gestiegen”
Interview mit Dr. Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender, Elring Klinger AG

Unternehmeredition: Herr Dr. Wolf, die Elring Klinger AG ist im Jahr 2000 an die Börse gegangen. Warum wurde der Weg über die Verschmelzung der Elring Klinger GmbH mit der ZWL Grundbesitz und Beteiligungs AG und nicht via klassisches IPO gewählt?
Wolf: Die Elring Klinger GmbH befand sich damals zu 100% im Besitz der börsennotierten Muttergesellschaft ZWL. Zudem wurde innerhalb des Konzerns fast der komplette Umsatz und Gewinn durch die Elring Klinger GmbH erzielt. Somit war die Verschmelzung eigentlich nur ein logischer Schritt. Denn an der Börse hatte bis zum Gang auf das Parkett niemand so richtig verstanden, welche Perle sich mit dem Autozulieferer Elring Klinger in der ZWL befindet – der klassische Holding-Abschlag. Durch die Verschmelzung hat sich die Transparenz diesbezüglich deutlich erhöht, was sich in der beeindruckenden Kursentwicklung seitdem zeigt. Darüber hinaus hat uns die Verschmelzung nur einen Bruchteil eines klassischen IPO gekostet.

Unternehmeredition: Gab es bei der Gründerfamilie Lechler Widerstand gegen ein Going Public?
Wolf: Keineswegs, es herrschte bei allen Beteiligten absolute Einigkeit über die Pläne. Die Familie Lechler ist bereits 1974 bei der ZWL Grundbesitz und Beteiligungs AG eingestiegen und hat damit viel Weitblick bewiesen. Im Unternehmen hat sich durch den Börsengang vieles zum Positiven entwickelt. Neben der verbesserten Transparenz hat sich auch die Disziplin in punkto Rechnungslegung und Bilanzierung erhöht. Kurzum: Wir sind noch professioneller geworden.

Unternehmeredition: Sie sprechen interne Effekte durch den Börsengang an. Gab es auch externe?
Wolf: Auf alle Fälle: Unser Bekanntheitsgrad ist deutlich gestiegen. Wir haben es über kontinuierliche Presse- und Investor-Relations-Arbeit geschafft, als einer der wichtigsten deutschen Automobilzulieferer wahrgenommen zu werden. Gerade im Bereich der Fachpresse wird viel öfter über uns geschrieben als früher. Außerdem wurden wir als börsennotierte Aktiengesellschaft als Arbeitgeber attraktiver und können qualifiziertes Personal leichter für uns gewinnen.

Unternehmeredition: Was raten Sie anderen Eigentümerfamilien, die über ein Going Public ihres Unternehmens nachdenken?
Wolf: Sofern die Story dahinter stimmt, kann ich nur jedem dazu raten. Unsere Struktur ist ein absolutes Erfolgsmodell: Zum einen sind seit dem Börsengang viele interessante und kapitalkräftige Investoren mit an Bord, zum anderen fühlt sich die Gründerfamilie als Großaktionär weiterhin voll der Gesellschaft verpflichtet. Für die Vorstände hat das zur Folge, dass sie in ihren Entscheidungen frei und unabhängig sind und sich darauf konzentrieren können, das Unternehmen operativ voranzubringen.

Unternehmeredition: Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wird Elring Klinger auch in zehn Jahren noch börsennotiert sein?
Wolf: Davon gehe ich aus. Es gibt in der Familie Lechler meinem Kenntnisstand nach keinerlei Bestrebungen für ein Going Private. Bisher haben wir den Kapitalmarkt zwar nicht in Anspruch genommen. Prinzipiell würde ich aber Kapitalmaßnahmen nicht ausschließen – insbesondere, wenn sich die Möglichkeit einer interessanten Akquisition bietet. Auch deshalb ist es wichtig, den Börsenzugang zu haben.

Unternehmeredition: Herr Dr. Wolf, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christian Scheid.
redaktion@unternehmeredition.de

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