Die aktuelle Ausgabe des Münchener Restrukturierungsforums im HBW Conference Center fand unter dem Titel „Die Rolle der Banken in der Restrukturierung: Taktgeber oder Zuschauer?“ statt. Expertinnen und Experten aus Finanzwirtschaft, Recht und Beratung diskutierten über die veränderten Kräfteverhältnisse im Markt und die wachsende Bedeutung alternativer Finanzierer.
Keynote: Banken im Wandel
Zum Auftakt des Münchener Restrukturierungsforums sprach Dr. Sabine Vorwerk, Partnerin bei Linklaters, über die sich verändernde Rolle der Banken in der Unternehmensfinanzierung. Sie konstatierte, dass der Marktanteil von Direct Lending im Vergleich zu klassischen Bankkrediten deutlich wachse. Dieser Trend führe dazu, dass Banken zunehmend von alternativen Finanzierern verdrängt würden. Vorwerk betonte weiterhin, dass Banken nach ihrer Ansicht keineswegs zur Zuschauerrolle verdammt seien. Vielmehr suchten sie verstärkt die Kooperation mit neuen Anbietern. Auch wenn der Wettbewerb wachse, wollten Banken weiterhin „ein Stück vom Kuchen“. Gleichzeitig verwies sie auf eine Warnung der EZB, die angesichts vieler unregulierter Finanzierungsformen Risiken für die Stabilität des Finanzmarkts sehe. Vorwerk schloss daraus, dass in naher Zukunft mit verstärkter Regulierung alternativer Finanzierer zu rechnen sei. Sie sprach von einer Phase des Umbruchs im Verhältnis zwischen klassischen Banken und neuen Marktteilnehmern.
Zusammenarbeit statt Konfrontation
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde das Spannungsverhältnis zwischen Banken und alternativen Kapitalgebern differenzierter betrachtet. Florian Joseph, Direktor für Recovery Management bei der Helaba, stellte klar, dass es keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen beiden Gruppen gebe. Banken seien nach wie vor entscheidend für das Liquiditätsmanagement von Unternehmen. Die manchmal als unbequem geltenden amerikanischen Finanzierer würden deutschen Unternehmen zudem vor Augen führen, welchen Wert die gewohnte Zusammenarbeit mit Banken habe.
Christian Ebner, Managing Director bei Alvarez & Marsal, lobte die Rolle der Banken bei revolvierenden Krediten, Avalen und Garantien. Diese Bereiche seien weiterhin fest in bankwirtschaftlicher Hand. Gleichzeitig beobachte er, dass Banken – bei genauer Betrachtung – immer wieder große Flexibilität bewiesen. In der Beziehung zwischen Kreditgeber und Unternehmen gelte: Man sehe sich immer zweimal im Leben. Richard E. Jansen, Origination Director bei P Capital Partners, erklärte, dass auch alternative Finanzierer großen Wert auf langfristige Beziehungen legten. Trotz aller Unterschiede im Auftreten würden dieselben Fragen gestellt wie bei Bankfinanzierungen. Jansen betonte, man verstehe sich als „Performance-Investor“. Zu den Kapitalgebern von P Capital Partners gehörten auch große Institute, die sich über solche Vehikel neue Wege erschlössen.
Kooperation und Konkurrenz: Ein Balanceakt
Jansen erklärte weiter, dass die aktuelle Wirtschaftslage alternativen Finanzierern in die Karten spiele. Banken hielten sich zurück, was zu neuen Chancen führe – insbesondere in den Sektoren Hospitality und Immobilien. Ebner verwies auf die Herausforderungen im NPL-Bereich in Deutschland. Kleine Ticketgrößen bei gleichzeitig vielen Investoren erschwerten die Abwicklung. In Deutschland werde nach wie vor das Prinzip „amend and extend“ bevorzugt, anstatt notleidende Kredite (NPL) zu veräußern. Als problematische Branchen identifizierte er konsumabhängige Bereiche, den Handel sowie Teile der Chemieindustrie – Letztere böten derzeit jedoch auch interessante Investmentgelegenheiten.
Joseph äußerte Kritik an der aktuellen Regulierungspraxis. Diese erschwere die Arbeit der Banken und verfälsche den Wettbewerb. Es sei nicht sinnvoll, Risiken lediglich in unregulierte Märkte zu verschieben. Zudem mache ESG Anforderungen Sanierungen mitunter teurer, da der ESG-Score das Kreditrating beeinflusse. Vorwerk ergänzte dazu, dass nach ihren bisherigen Erfahrungen ESG-Anforderungen bislang keine Sanierung verhindert hätten.
Insolvenz als Werkzeug, nicht als Tabu
Joseph betonte, dass die Insolvenz für ihn stets im Rahmen einer Restrukturierung eine ernsthaft zu prüfende Option sei. Sie gehöre zum Werkzeugkasten einer Sanierung und müsse durchgerechnet und vorbereitet werden. Auch die Einbindung eines Insolvenzverwalters könne sinnvoll sein. Grundsätzlich sei der Prozess rechtssicher. Gleichzeitig mahnte er, dass eine Sanierung nicht bei der Entschuldung enden dürfe. Auch operative Maßnahmen müssten berücksichtigt werden.
Ebner begrüßte ausdrücklich das StaRUG, das in vielen Bereichen Sanierungen erleichtere. Joseph zeigte sich diesbezüglich zurückhaltender. Die Möglichkeit, ohne Insolvenzverfahren umzugestalten, sei sinnvoll, aber nur dann wirksam, wenn auch das operative Geschäft mitgedacht werde. Vorwerk erinnerte abschließend an den Vorteil des Relationship Bankings. Die gewachsene Verbindung zwischen Bank und Unternehmen könne in der Krise eine wichtige Stütze sein – auch wenn sie mitunter zu einer gewissen Befangenheit führe. Sie äußerte sich jedoch optimistisch: Die Krise mache zwar vor keinem Sektor halt, könne aber auch Kräfte freisetzen.
Rolle der Banken ändert sich
Das Münchener Restrukturierungsforum zeigte deutlich: Die Rolle der Banken in der Restrukturierung verändert sich – aber sie verliert nicht an Relevanz. Klassische Finanzierer und alternative Kapitalgeber stehen weniger im Wettbewerb, als vielfach vermutet wird. Vielmehr entwickelt sich ein Zusammenspiel, bei dem jede Seite ihre Stärken einbringt. Banken punkten mit gewachsenen Kundenbeziehungen und operativer Nähe, während alternative Anbieter durch Geschwindigkeit, Flexibilität und neue Kapitalquellen überzeugen.
Die Diskussion offenbarte jedoch auch Spannungen. Unterschiedliche regulatorische Anforderungen verzerren den Wettbewerb. Und die Sorge wächst, dass Risiken aus dem geregelten in den unregulierten Bereich abwandern. ESG-Anforderungen und neue Sanierungsinstrumente wie das STARUG prägen die aktuelle Praxis, bringen aber auch Unsicherheiten mit sich.
Seit seiner Premiere im November 2011 hat sich das Münchener Restrukturierungsforum zu einer festen Größe im Kalender der Restrukturierungsbranche entwickelt. Zweimal jährlich bringt die Veranstaltung Fachleute aus unterschiedlichsten Bereichen zusammen, um aktuelle Entwicklungen im Sanierungs- und Insolvenzgeschehen zu analysieren und zu diskutieren. Veranstaltet von Anchor, Deloitte, Gerloff Liebler, GSK Stockmann und POHLMANN HOFMANN, bietet das Forum eine Plattform für praxisnahe Impulse, fundierte Diskussionen und wertvollen Austausch.