Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland stehen oft vor der Herausforderung, neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Neben Eigenmitteln und Bankkrediten gewinnt der Kapitalmarkt zunehmend an Bedeutung. Eine Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung stellt die Emission von Unternehmensanleihen dar, die auch privaten Investoren offensteht.
Die Suche nach Kapital stellt viele KMU in Deutschland vor große Herausforderungen. In der Regel werden Investitionen aus Eigenmitteln finanziert oder sie bemühen sich um Bankfinanzierungen, aber ein gut funktionierender Kapitalmarkt bietet in Deutschland und Europa für KMU eine weitere interessante Finanzierungsquelle. Über die Deutsche Börse lässt sich mithilfe von Unternehmensanleihen Wachstumskapital beschaffen. Unternehmen werden dabei unterstützt, das notwendige Kapital in einem fairen und transparenten Umfeld einzusammeln. Anleiheemissionen über die Deutsche Börse bieten Unternehmen eine alternative Finanzierungsquelle jenseits des traditionellen Bankkredits. Durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen nehmen Emittenten Kapital von privaten und institutionellen Investoren auf, ohne Unternehmensanteile abzugeben. Der Börsenhandel erhöht die Transparenz und erweitert den Kreis der Investoren. Selbst nicht gelistete Unternehmen haben die Möglichkeit, über die Börse eine Anleihe zu begeben.
Transparenz gegenüber dem Markt
Ein Listing im Segment Quotation Board (Open Market) verlangt lediglich wichtige grundlegende Informationen zum Emittenten; weiterführende Transparenzpflichten sind nicht vorgeschrieben. Um für die Anleihe im Vorfeld werben zu können, muss jedoch mindestens ein Wertpapierprospekt vorliegen. In der Praxis liefern Emittenten aber in der Regel freiwillig wichtige Kennzahlen, die dem Markt helfen, sich ein Bild von dem Unternehmen und der Anleihe zu machen. Dazu zählen ein Wertpapierprospekt, ein Unternehmenskalender und ein testierter Jahresabschluss. Nach der Emission müssen jährliche und halbjährliche Finanzberichte sowie aktualisierte Kennzahlen veröffentlicht werden. Zwar besteht keine Ad-hoc-Publizitätspflicht; jedoch werden Emittenten dazu angehalten, kursrelevante Informationen zeitnah offenzulegen. Wer investiert, kann mithilfe dieser Transparenz die Bonität des Emittenten und das Risiko der Anleihe einschätzen.
Die Preisbildung von Anleihen und Festsetzung des Coupons erfolgt in der Regel während der Zeichnungsphase. Im Anschluss folgt die Handelsaufnahme im Sekundärmarkt der Deutschen Börse in Frankfurt. Ab 8:00 Uhr wird der erste Börsenpreis festgestellt. Bei hoher Nachfrage kann die Zeichnungsphase für Anleihen vorzeitig beendet und der Handel vor dem geplanten Termin aufgenommen werden.
Interesse von Privatanlegern wächst
In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Privatanleger weltweit und auch in Deutschland deutlich gestiegen. Sie sind heute einflussreicher denn je. In Deutschland hat ihr Anteil am Handel (nach Zahl der Investoren) in den zehn Jahren von 2014 bis 2024 um 44% zugelegt. Der Handelsumsatz ist dabei sogar um 150% gestiegen.
Diese Anlegergruppe ist sehr daran interessiert, verlässlichen und vertrauenswürdigen Zugang zu öffentlichen Angeboten zu erhalten. Die Deutsche Börse hilft also dabei, die Primärmärkte zu demokratisieren und für Emittenten sowie die emissionsbegleitenden Banken eine inkrementelle Nachfrage zu generieren. Gleichzeitig sollte jedoch nicht vergessen werden, dass trotz zunehmender Anlageaktivitäten immer noch etwas weniger als 40% des Geldvermögens privater Haushalte in Deutschland unproduktiv in Bargeld und Einlagen geparkt sind, insgesamt etwa 3,3 Bln. EUR (Stand: 31. Dezember 2024).
Das wachsende Interesse von Privatanlegern am Kapitalmarkt bietet besonders kleinen und mittelständischen Emittenten von Anleihen neue Perspektiven: Die Zeichnungen von Privatanlegern ergänzen die Nachfrage institutioneller Anleger und ermöglichen somit eine breite Anlegerstruktur. Über einen speziellen Service namens „DirectPlace“ können sich Privatanleger direkt an Anleiheemissionen beteiligen. Ohne die Nutzung eines solchen Services ist es in der Regel nur möglich, Anteilsscheine nach der Platzierungsphase im Handel zu erwerben. An der Deutschen Börse können Privatinvestoren jedoch bereits während der Zeichnungsphase Kaufaufträge über ihre Depotbank aufgeben. Stückelungen von 1.000 EUR sind speziell auf diese Bedürfnisse zugeschnitten. Börsengebühren werden dabei nicht erhoben; auch einen Ausgabeaufschlag gibt es vonseiten der Deutschen Börse nicht.
Diese Orders werden in ein zentrales Orderbuch weitergeleitet, das vom Emittenten und der begleitenden Bank eingesehen wird. Die Orders werden über das Xetra-Handelssystem der Deutschen Börse abgewickelt. Nahezu jede Bank in Deutschland ist an dieses System angeschlossen und kann in eigenem Ermessen ihren Kunden den Zugang zu den Zeichnungen gewähren, wodurch die Teilnahme für Privatanleger einfach ist. Die Emittenten entscheiden, welche Orders zugeteilt werden. Privatinvestoren haben somit wie institutionelle Investoren die Möglichkeit, Wertpapiere im Rahmen einer Emission in einem transparenten Prozess der Zeichnungsphase zu zeichnen.
Mehr Reichweite über die Deutsche Börse
Das Webportal der Deutschen Börse (www.boerse-frankfurt.de) stellt zahlreiche Informationen rund um die Anleiheemission bereit. Emittenten haben hier die Möglichkeit, auf ihre Anleihe aufmerksam zu machen. Außerdem informiert ein Newsletter registrierte Privatanleger. Platzierte Anleiheemissionen können auch mit einem Bell Ringing Event auf dem Parkett der Deutschen Börse öffentlichkeitswirksam inszeniert werden, was für zusätzliche Visibilität sorgt.
In der letzten Zeit konnten so bereits zahlreiche Anleihen namhafter KMU-Emittenten platziert werden, bei denen auch Privatanleger in der Zeichnungsphase dabei waren. Jüngste Beispiele im Mai 2025 waren der SV Werder Bremen und Homann Holzwerkstoffe. Das Emissionsvolumen der Anleihe des SV Werder Bremen 5,75% Kupon,
Laufzeit bis 31.07.2030) wurde aufgrund der hohen Nachfrage von 20 Mio. auf 25 Mio. EUR erhöht. Das Zuteilungsverfahren wurde vom Emittenten und den begleitenden Banken festgesetzt. Homann Holzwerkstoffe (7,5% Kupon, Laufzeit bis 02.06.2032) nahm über eine Anleihe 120 Mio. EUR auf. Diese beiden Anleihen werden im Segment Quotation Board (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt.
Viele Unternehmen nutzen immer wieder die Möglichkeit, Anleihen über die Deutsche Börse auch an Privatinvestoren zu platzieren; darunter zum Beispiel Katjes International (2015, 2019 und 2023 mit einem Gesamtvolumen von 285 Mio. EUR – der Privatanlegeranteil über zugeteilte DirectPlace-Zeichnungen lag dabei im Durchschnitt bei 17%) und Deutsche Rohstoff (2013, 2016, 2019 und 2023 – von insgesamt 328 Mio. EUR wurden 59 Mio. EUR beziehungsweise 18% an Privatanleger via DirectPlace zugeteilt).
Emittenten nutzen Deutsche Börse DirectPlace als ein etabliertes Plug-in-Tool, um Privatanleger unmittelbaren Zugang zu öffentlichen Angeboten am Kapitalmarkt zu ermöglichen. Privatanleger können so bei Anleihen, aber auch Börsengängen und Kapitalerhöhungen partizipieren und erhalten einen Zugang zu Neuemissionen, der sonst institutionellen Investoren vorbehalten ist. Diese komplementäre Nachfrage wiederum schafft eine breitere Anlegerstruktur für Emittenten, die durch das reguläre Emissionsgeschäft so nicht entstehen würde. Viele Banken und Handelshäuser ermöglichen ihren Kunden via DirectPlace den Zugang zu Primärmarkttransaktionen.
👉 Dieser Beitrag erscheint auch in unserer Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2025 (Erscheinungstermin: 20.6.2025).