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„Am Ende ist man den Aktionären verpflichtet“

Auch im Spitzensport ist eine Kapitalmarktorientierung nicht mehr ungewöhnlich. Immer mehr Fußballvereine finanzieren sich über Anleihen oder sind börsennotiert. So wie Borussia Dortmund. Im Interview spricht Finanzvorstand Thomas Treß über den gelungenen Turnaround, sportlichen Erfolg und die Aussicht, die Bayern vom Thron zu stoßen.

Herr Treß, Sie sind ein Fan zeitgenössischer Kunst. Ziehen Sie diese privat dem Fußball vor?

Zum Fußball bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Ich war Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und hatte mit Fußball überhaupt nichts zu tun. Die Tätigkeit bei Borussia Dortmund hat mich insoweit verändert, als ich vom Fußball infiziert wurde. Aber im privaten Umfeld dominiert die Kunst.

Dortmund ist in das Viertelfinale der Champions-League eingezogen. Was erwarten Sie denn für dieses Jahr?

Bislang haben wir gut abgeschnitten und unsere Planziele international sogar übertroffen.

Also wäre es kein Genickbruch, wenn Sie ausscheiden würden?

Über die Gruppenphase hinaus planen wir den sportlichen Erfolg grundsätzlich nie ein. Das ist eine Erkenntnis der Vergangenheit. Damit sind wir bislang gut gefahren.

Das vergangene Geschäftsjahr war mit einem Gewinn von rund 50 Mio. Euro extrem erfolgreich. Wie läuft es in diesem Jahr?

Geplant war für dieses Jahr ein Ergebnis im einstelligen Millionen-Euro-Bereich. Diese Prognosen sind mittlerweile etwas überholt. Es ist sportlich besser gelaufen als wir dachten. Konkreter kann ich nicht werden.

Im vergangenen Jahr lief es vor allem auch deshalb so gut, weil Spieler wie Mario Götze verkauft wurden.

Richtig. Mehr als 50 Mio. Euro nahmen wir durch den Verkauf von Spielern ein. Darüber hinaus waren wir mit dem Einzug in das Champions-League-Finale auch sportlich und wirtschaftlich sehr erfolgreich.

2005 war der BVB nahe der Insolvenz. Was haben Sie damals veranlasst, um das Ruder herumzureißen?

Ende 2004 bin ich mit der Aufgabe, ein Sanierungskonzept zu erstellen, angetreten. Im ersten Schritt haben wir eine Gläubigervereinbarung geschlossen. Im Wesentlichen ging es damals um ein Stillhalteabkommen in Form eines Zins- und Tilgungsmoratoriums.Das war sicher nicht einfach.

In der Tat: Zunächst mussten wir Transparenz schaffen und ein Konzept erarbeiten, das den Verein aus der Krise herausführt. Dieses musste die Gläubiger überzeugen. Wichtig war, dass auch der Stadionfonds seine Zusage gab. Nach langen Verhandlungen bekam Borussia Dortmund so die Lizenz für die Spielzeit 2005/2006. Wir kauften uns damals Zeit, etwa 18 Monate bis 24 Monate. In dieser Zeit mussten wir die Kader-Kosten deutlich drücken, die Finanzen restrukturieren, die Organisation optimieren und alle Geschäftsfelder neu ausrichten. Dortmund hatte damals ein Umsatzvolumen von 78 Mio. Euro und Finanzschulden von knapp 200 Mio. Euro. Das war  kaum zu stemmen.

Warum war der Börsengang im Jahr 2000 eine gute Alternative?

Da ich erst 2004 dazu gestoßen bin, kann ich das nur aus der Retrospektive betrachten. Damals befanden wir uns in der Dotcom-Blase, und der BVB bekam relativ einfach Geld vom Kapitalmarkt, ohne einen besonderen Nachweis der Leistungsfähigkeit erbringen zu müssen. Damals wurde das Geld verwendet, um eine ökonomisch schwierige Situation zu lösen und auch um sportlich erfolgreich zu sein. Viele Fans sprechen im Zusammenhang mit dem Titel 2001/2002 heute von einer gekauften Meisterschaft.

Südtribüne im Dortmunder Stadion: Bei den Fans heißt sie nur “die Süd”.

Würden Sie den gleichen Weg noch einmal gehen?

Einen Börsengang durchzuführen, Geld einzusammeln und das dann im operativen Geschäft Fußball zu verbrennen, halte ich nicht für statthaft. Denn am Ende ist man den Aktionären verpflichtet. Ein Börsengang ergibt dann Sinn, wenn man größere strategische Themen wie etwa einen Stadionbau zu bewältigen hat oder strategische Partnerschaften eingeht. Aber nicht um Geld zu scheffeln und es ins operative Geschäft für Transfers oder Spielergehälter zu stecken. Das verpufft schnell, und der sportliche Erfolg ist nicht nachhaltig.

Gibt es Überlegungen, Borussia Dortmund von der Börse zu nehmen?

Nein, auch weil im Falle eines Delistings ein Übernahmeangebot an die Aktionäre gemacht werden müsste, was die bisherigen Aktionäre gar nicht stemmen könnten. Zudem ist es nicht schlimm, börsennotiert zu sein.

Der Aktienkurs liegt allerdings immer noch deutlich unter dem Emissionspreis von elf Euro.

Man muss allerdings bedenken, dass vor und im Rahmen der Sanierung drei Kapitalerhöhungen zu 2,50 bzw. zu 2,00 Euro durchgeführt wurden. Deswegen liegt der gewichtete Ausgabekurs im Mittel bei 4,98 Euro. Nichts desto trotz liegt der Aktienkurs momentan immer noch darunter.Viel besser als im vergangenen Jahr kann es sportlich kaum laufen. Dennoch kommt der Aktienkurs nicht ins Laufen. Woran liegt das?

Vor allem daran, dass der Wert des Vereins zu Unrecht nicht erkannt wird. Derzeit beträgt die Marktkapitalisierung rund 250 Mio. Euro. In München bezahlte die Allianz für eine Kapitalerhöhung unter neun Prozent 110 Mio. Euro. Wenn man hochrechnet, was Hertha BSC für wenige Prozent am Unternehmen erlöst hat, wäre der Verein mehr als 200 Mio. Euro wert. Also vergleichbar mit Borussia Dortmund. Betrachtet man nur das bilanzierte Eigenkapital plus stille Reserven in den Spielerwerten, liegen wir schon deutlich über 300 Mio. Euro. Die Marke an sich ist hier übrigens noch gar nicht berücksichtigt.

Warum gibt es in Deutschland so viele Klubs, die Anleihen begeben, und so wenige, die an die Börse gehen?

Jürgen Klopp: Er trainiert die Borussen seit 2008.

Vielleicht ein Stück weit daran, dass Borussia Dortmund zu Zeiten des Börsengangs einen Habitus an den Tag gelegt hat, der den Kapitalmarkt verschreckt hat. Und zum anderen muss man akzeptieren, dass Fußball ein besonderes Geschäft ist, in dem die Liquidität, die Umsatz- und Ergebnisentwicklung wenig verlässlich und über einen längeren Zeitraum schwierig zu prognostizieren sind, weil eben viel vom sportlichen Erfolg abhängt und weil Investoren nicht mit einer stetigen Auszahlung einer Dividende rechnen können.

In den vergangenen zwei Jahren zahlten Sie eine Dividende. Auch im laufenden Geschäftsjahr?

Erzielen wir einen positiven Cashflow, wollen wir einen Teil davon auch ausschütten. Es sei denn, diese Ausschüttung hätte zur Folge, dass unsere sportliche Leistungsfähigkeit gefährdet wäre.

Was ist denn Ihr strategisches und wirtschaftliches Ziel?

Wir wollen sportlichen Erfolg maximieren, ohne neue Schulden aufzunehmen. Wir wollen von dem leben, was wir einnehmen, und alte Schulden möglichst zurückführen. Zudem wollen wir den Fans das geben, was Sie erwarten: Identifikation, Intensität und Emotionalität. Echte Liebe!

Haben Sie das Ziel, die Nummer eins zu werden, aus den Augen verloren?

Wir hatten es nie. Wir müssen auf dem Boden bleiben und akzeptieren, dass Bayern die klare Nummer eins im deutschen Fußball ist und mit einem Umsatz von über 400 Mio. Euro ein deutliches Stück von uns weg ist. Deswegen sollten wir nicht überheblich sein und glauben, dass wir den Branchenprimus vom Thron stoßen. Wir möchten der zweite Leuchtturm im deutschen Fußball werden. Und das nachhaltig.

 

Zur Person

Thomas Treß ist Geschäftsführer der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH, Komplementärin der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA. Er ist verantwortlich für die Bereiche Finanzen und Organisation sowie Marketing. Davor war er Prokurist, Generalbevollmächtigter und Equity-Partner bei Rölfs WP Partner AG. www.bvb.de

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