Schwellen überschreiten – Teil 2

In einigen Ländern der Emerging Markets herrscht Aufbruchstimmung, andere sind nach schwierigen Jahren wieder auf Erholungskurs. Nun sorgt der frischgebackene US-Präsident Donald Trump für Unsicherheit. Deutsche Mittelständler lassen sich davon aber kaum irritieren. 

Große Chancen in China sah Anfang der 1990er-Jahre das Bekleidungsunternehmen van Laack aus Mönchengladbach, doch dann kam es anders. „Damals zeichnete sich in China eine Knappheit an Arbeitskräften ab“, sagt Christian von Daniels, seit 2002 Geschäftsführender Gesellschafter des Textilunternehmens. In Vietnam hingegen war die Situation anders, zudem habe der Staat großes Interesse an dem Mittelständler aus Mönchengladbach gezeigt. Die vietnamesischen Behörden machten es van Laack leicht, halfen sogar bei der Suche nach einem Grundstück für die neue Produktionsstätte. So entstand diese statt in China in einem Vorort von Vietnams Hauptstadt Hanoi.

Geringer Mindestlohn in Vietnam

Hemdenproduktion in Vietnam: Die Behören machten es van Laack leicht.

Mit 90 Näherinnen ging die Produktion in Vietnam an den Start, heute fertigen über 500 Frauen an den Nähtischen der Fabrik Blusen und Hemden. Von Daniels zahlt ihnen deutlich mehr als den in Vietnam üblichen Mindestlohn – und fährt damit dennoch günstiger als in China. Denn: Im Reich der Mitte liegt der Mindestlohn doppelt so hoch wie in Vietnam. Auch für gute Arbeitsbedingungen sorgt van Laack. Die Dependance in Hanoi wurde vom selben Architekten geplant wie die Firmenzentrale in Mönchengladbach.

Die vietnamesischen Näherinnen arbeiten in hellen, klimatisierten Räumen, sie können gratis in der Kantine essen, sogar ein Betriebskindergarten ist der Fabrik angeschlossen. Unternehmer von Daniels schätzt die Fähigkeiten seiner Mitarbeiterinnen in der Produktion. „Die Beschäftigung mit textiler Fertigung wird schon in den Familien gepflegt“, sagt er. Daher seien die Näherinnen sehr geschickt. Zudem ist die Fluktuation deutlich geringer als in China. Alles in allem bietet Vietnam für van Laack große Vorteile.

„In der Tat gilt Vietnam seit Längerem als einer der spannendsten Emerging Markets“, weiß Thomas Lenerz, Direktor bei der Vermögensverwaltung I.C.M. Independent Capital Management in Mannheim. „Das Land ist im vergangenen Jahr mit 6,8 Prozent schneller gewachsen als erwartet“, erklärt er. Ein Freihandelsabkommen mit Südkorea könne dafür sorgen, dass Vietnam als Produktionsstandort noch attraktiver werde. Gleichzeitig liegt die Inflation mit unter zwei Prozent auf einem Rekordtief. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich ein möglicher Ausstieg der USA aus dem FreihandelsabkommenTTP auswirken wird, den US-Präsident Trump Ende November angekündigt hat.

Stabilität in Südkorea

Abb. 2Auch Südkorea sieht Lenerz durchaus positiv. „Das Land setzt mit einem Konjunkturpaket Impulse, um das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln“, sagt er. DZ-Bank-Experte Finken erkennt für deutsche Mittelständler in Südkorea ebenfalls gute Chancen. „Das Land ist wirtschaftlich und politisch sehr stabil“, sagt er. Zudem könnten Unternehmen dort hervorragend ausgebildete Mitarbeiter finden. Allerdings ließen sich die Probleme der südkoreanischen Schlüsselindustrien Schiffbau und Stahl nicht von der Hand weisen. „Die Regierung muss sich entscheiden, wie lange sie diese Sektoren noch subventionieren will“, erklärt er. Dass das vorübergehende Problem des Elektronikkonzerns Samsung beim Smartphone-Modell Galaxy S7 das Wachstum nachhaltig bremse, glaubt er nicht. Und auch Vermögensverwalter Lenerz ist der Ansicht, dass gerade große Elektronikunternehmen wie Samsung und LG weiterhin dafür sorgen werden, dass das Land in der technologischen Entwicklung ganz vorne mitspielt.

„Neben Vietnam ist auch Indonesien für deutsche Mittelständler sicherlich attraktiv“, sagt Experte Finken. Dies gilt umso mehr, als die zehn Asean-Staaten im November 2015 die Gründung der Wirtschaftsgemeinschaft AEC beschlossen haben, die die Länder wettbewerbsfähiger machen soll. Die Asean-Staaten streben eine Wirtschaftszone praktisch ohne Zölle, mit freier Bahn für Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Fachkräfte und Kapital an. Der gemeinsame Markt könnte in einigen Jahren enorme zusätzliche Geschäfte bringen, prognostiziert die Unternehmensberatung McKinsey.

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