„Zölle als Weckruf für den Mittelstand“

Wie deutsche Unternehmen auf Trumps Wirtschaftspolitik reagieren sollten – Ein Gespräch mit Benedikt Ibing von Pegasus Partners

Benedikt Ibing erklärt, wie kluge Unternehmen auf die neuen Herausforderungen durch die Zölle von Trump reagieren.
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Vorsprung durch Anpassung: Der drohende Zollhammer aus den USA verunsichert viele Mittelständler. Benedikt Ibing erklärt, wie kluge Unternehmen auf die neuen Herausforderungen reagieren und warum die Entwicklung auch eine Chance sein kann.

Unternehmeredition: Herr Ibing, Sie beraten mit Pegasus Partners seit vielen Jahren deutsche Mittelständler beim Eintritt in den US-Markt. Was beschäftigt Ihre Kunden derzeit am meisten?

Benedikt Ibing: Die jüngsten Entwicklungen rund um mögliche US-Zölle haben die Alarmglocken schrillen lassen – sowohl bei Firmen, die bereits in den USA aktiv sind, als auch bei jenen, die noch nicht über den Atlantik gegangen sind. Die einen müssen sich nun fragen, wie sie drohende Mehrkosten abfedern, die anderen, wie sie nun schleunigst vor Ort Fuß fassen. Die Stimmung ist angespannt, aber nicht panisch – viele sehen es auch als Chance, nun wirklich strategisch umzusteuern.

Was bedeutet das konkret für Unternehmen mit bestehenden USA-Aktivitäten?

Die große Frage lautet: Wie viel der drohenden Zölle kann man dem Kunden zumuten? Einige Unternehmen handeln derzeit auf Hochtouren mit ihren Abnehmern aus, wer welchen Anteil trägt. Die besten Unternehmen präsentieren das nicht als Zwang, sondern als gemeinsames „Investment in die USA“. Das funktioniert, wenn Vertrauen da ist – etwa bei Gebrüder Becker aus Wuppertal, die mit dem Ansatz „Invest in the USA – together“ sehr offen auf ihre Partner zugeht.

Und wenn das nicht reicht – was können Unternehmen tun, um sich strukturell besser aufzustellen?

Langfristig führt kein Weg daran vorbei, die Wertschöpfung stärker in die USA zu verlagern. Das ist zwar nicht über Nacht machbar, aber es ist der einzige Weg, Zölle zu neutralisieren. Besonders schwer hat es der Maschinenbau, der noch stark auf deutsche Fertigung fokussiert ist. Wer jetzt beginnt, lokale Partner in den USA zu suchen, kann zumindest Teile der Produktion auslagern und so die Zolllast deutlich senken.

Gibt es dafür bereits erfolgreiche Praxisbeispiele?

Ja, wir arbeiten derzeit mit mehreren Maschinenbauern, die US-amerikanische Partnerbetriebe in angrenzenden Branchen aufbauen oder einbinden. Ein sehr gutes Beispiel ist Ziehl-Abegg – sie nutzen Transferpricing-Regelungen strategisch, um die steuerliche und zolltechnische Belastung zu steuern. Das ist völlig legal, vorausgesetzt, es wird vom Wirtschaftsprüfer begleitet. Andere Unternehmen nutzen die Möglichkeit, vor Ort Zulieferer einzubinden, um Montageprozesse zu verlagern.

Wie schnell lassen sich solche Partnerstrukturen in den USA aufbauen?

Mit den richtigen Kontakten kann das in drei Monaten realisiert werden – deutlich schneller als etwa eine eigene Produktionsstätte zu errichten oder ein Unternehmen zu übernehmen. Ein solides Netzwerk, kulturelles Verständnis und technisches Know-how sind dabei essenziell.

Und wie sieht es mit Übernahmen aus – ist das auch eine Strategie zur Zollvermeidung?

Klar, auch das kann ein Weg sein, ist aber deutlich komplexer und zeitaufwendiger. Eine Übernahme oder der Bau einer eigenen Fabrik dauert Jahre. Als kurzfristige Maßnahme eignen sich Partnerschaften besser, insbesondere für mittelständische Unternehmen, die sich schnell anpassen müssen.

Was sind die häufigsten Fehler, die Mittelständler in dieser Situation machen?

Die Augen vor der Realität zu verschließen. Es bringt nichts, trotzig auf die Politik zu schauen oder auf bessere Zeiten zu hoffen. Wer jetzt nicht handelt, wird Marktanteile verlieren. Ein weiterer Fehler ist es, ohne belastbare Kalkulationen und ohne Kundenkommunikation die Zölle einfach weiterzugeben – das kann Kunden kosten.

Wie schätzen Sie die Strategie von Donald Trump ein? Ist das wirtschaftlich sinnvoll oder selbstschädigend?

Trump tut genau das, was er angekündigt hat – mit brachialer Direktheit. Für Europäer wirkt das erratisch, aber es ist kalkuliert. Das Ziel: Wertschöpfung zurück in die USA zu holen. Er riskiert dabei auch Rückschläge, doch aus seiner Sicht ist es ein Mandat des Volkes. Spannend ist, dass nun selbst viele langjährige Republikaner sich von ihm abwenden, weil sie seinen Stil als schädlich für die internationalen Beziehungen empfinden.

Welche Folgen hätte ein anhaltender Zollkonflikt für die deutsche Wirtschaft insgesamt?

Wenn deutsche Unternehmen es nicht schaffen, Wertschöpfung in den USA darzustellen, ist das ein herber Schlag – nicht nur für sie selbst, sondern auch für den Standort Deutschland. Aber positiv formuliert: Wer jetzt umsteuert, kann profitieren. Der Weckruf kam zur rechten Zeit.

Gibt es Hoffnung auf eine Entspannung zwischen EU und USA?

Durchaus. Die letzten Signale aus Brüssel lassen erkennen, dass man die Botschaft verstanden hat. Anstatt auf Vergeltung zu setzen, sucht man jetzt nach einer Lösung – vielleicht sogar in Richtung einer Freihandelszone. Das wäre aus ökonomischer Sicht für alle Seiten wünschenswert.

Und wie beurteilen Sie die angespannte Lage zwischen den USA und China – ist das auch ein Risiko für Europa?

Absolut. Die Handelskonflikte mit China haben bereits jetzt Auswirkungen auf globale Lieferketten. Die USA importieren viele Billigwaren aus China – wenn diese Kette reißt, entstehen Lücken, die auch Europa treffen. Leider sehe ich derzeit keine schnelle Lösung für diesen Konflikt.

Das Interview führte Eva Rathgeber.


ZUM INTERVIEWPARTNER

Foto: © Pegasus Group

Benedikt Ibing ist Managing Partner bei Pegasus Partners. Die auf die Internationalisierung spezialisierte Beratung unterstützt insbesondere deutsche Mittelständler beim Markteintritt in Nordamerika – mit besonderem Fokus auf Standortwahl, Partnerschaften und Wertschöpfungsstrategien. Ibing lebt und arbeitet in den USA und kennt die geopolitischen Herausforderungen aus nächster Nähe.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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