„Wir leben Purpose mit One Lapp“

© Jovana V female

Das Konzept „Purpose“ (Sinngebung) macht den Beitrag des Unternehmens zur Erreichung gesellschaftlicher Zielsetzungen zum Ausgangspunkt der Unternehmensstrategie. Purpose in Familienunternehmen ist für gewöhnlich schon durch die Familie vordefiniert. Prof. Horváth sprach mit Mathias Lapp, CEO der Region LA EMEA über die Unternehmenskultur bei Lapp. INTERVIEW PROF. DR. DR. H. C. MULT. PÉTER HORVÁTH

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Horváth: In einem Familienunternehmen wie Lapp sind Werte der Familie ein bestimmender Gestaltungsrahmen für das gesamte Unternehmen. Könnten Sie uns diese Familiengrundsätze schildern?
Matthias Lapp:
 Wir haben seit vielen Jahren einen Wertekompass: familiär, innovativ, erfolgsorientiert und kundenorientiert. Das sind die Leitplanken für unser tägliches Handeln. Diese klaren Wertvorstellungen haben uns als Unternehmen stark gemacht. Wenn wir unser Verhalten jeden Tag nach ihnen ausrichten, wenn wir respektvoll und fair miteinander und mit unseren Geschäftspartnern umgehen, werden wir die Erfolgsgeschichte von Lapp als führendem Hersteller von Systemlösungen für Verkabelungs- und Verbindungstechnik fortschreiben − davon bin ich fest überzeugt. Wir leben unsere Werte nicht aus Tradition, sondern weil wir daran glauben.

Das Purpose-Konzept – in den USA bei großen Publikumsgesellschaften entstanden – ist seit einiger Zeit auch in Deutschland in aller Munde. Sind Sie mit diesem Konzept vertraut?
Natürlich bin ich mit diesem Konzept vertraut. Und bei großen Publikumsgesellschaften besteht sicher die Notwendigkeit, ein solches Purpose-Konzept aufzulegen – schließlich gibt es bei solchen Gesellschaften eine Vielzahl von Anteilseignern, die in der Regel nur die größtmögliche Rendite zum Ziel haben. Wir, als Familienunternehmen, ticken da ganz anders. Nachhaltiges Handeln ist unsere DNA. Wir denken in Generationen! Ich bin der Meinung, jede Firma sollte hinterfragen, warum sie existiert und was der Mehrwert für unsere Gesellschaft ist. Mit unserem Führungsteam haben wir beispielsweise einen Purpose-Workshop gemacht, um Antworten aus unserer Sicht darauf zu finden.

Könnten Sie Purpose als gesellschaftliches „Wofür“ von Lapp benennen?
Für mich ist Purpose eher ein Modewort, jedoch relevant. Wir sind da konkreter. Unser Purpose heißt: „Creating the best value for our customers“. Tatsache ist, dass wir als Familienunternehmer schon immer gesellschaftliche Verantwortung übernommen haben. Bereits meine Großeltern, Ursula Ida und Oskar Lapp, die unser Unternehmen 1959 gegründet haben, übernahmen gesellschaftliche Verantwortung. Nachhaltiges Handeln und Verantwortung für die Mitarbeiter stehen stets im Mittelpunkt. Wir wurden deshalb für unsere lebensphasenorientierte Personalarbeit ausgezeichnet, weil wir die Mitarbeiter in allen Lebensphasen dabei unterstützen, Beruf und Familie zu vereinen. Außerdem hat uns das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum familienfreundlichsten Unternehmen in Deutschland gekürt. Und auch außerhalb des Unternehmens ist uns soziales und kulturelles Engagement eine Herzensangelegenheit.

Ist das Konzept bei Lapp schon konkret verankert?
Ja selbstverständlich – aber wir können natürlich noch besser werden. Ich nenne konkrete Beispiele: Wir haben beispielsweise die Oskar-Lapp-Stiftung zu Ehren meines Großvaters Oskar Lapp gegründet, der an einem Herzinfarkt gestorben war. Die Stiftung bietet jungen Wissenschaftlern zusätzliche Anreize, sich gezielt in der Herz- und Kreislaufforschung zu engagieren, und ist mit 12.000 EUR dotiert. Außerdem wird alle zwei Jahre ein Oskar-Lapp-Stipendium vergeben, das mit bis zu 20.000 EUR für Sachmittel ausgestattet ist. Auch die Realisierung des Bürgerhauses Möhringen in Stuttgart war nur dank einer großzügigen Spende in Höhe von 600.000 EUR möglich.

Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. Environmental, Social and Governance (ESG) sind heute vielfach Leitplanken für alle unternehmerische Aktivitäten – auch im Rahmen von Purpose. Wie stark sind CSR bzw. ESG bei Lapp konkretisiert?
Ich sehe diese Themen vor allem mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit bei uns durchaus bereits verankert. Wir haben ein Portfolio für Wind- und Solarparks und für die E-Mobility. Auch an Entwicklungsprojekten, beispielsweise für Energiespeicher, haben wir uns beteiligt. Seit vielen Jahren bezieht Lapp in Deutschland zu 100% Ökostrom, teilweise aus eigener Fotovoltaik und Geothermie, für die wir investieren mussten. Auch in unseren Produkten versuchen wir, nachhaltig zu sein, genauso in all unseren Prozessen. Ressourcenverschwendung wollen wir so gut wie möglich vermeiden bzw. eindämmen. Deshalb haben die Eigentümer und der Vorstand eine Nachhaltigkeitsinitiative angestoßen. Erste konkrete Schritte für nachhaltigeres Handeln sind in unserer Strategie 2027 definiert.

Meinen Sie, dass ein gelebter Purpose sich positiv auf die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirkt?
Ja, unbedingt! Vor allem bei der Mitarbeitergewinnung verspreche ich mir große Vorteile, wenn wir auch nach außen für ESG und CSR leben. Man sieht es ja auch im privaten Bereich. Die Mitarbeiter entscheiden sich immer mehr für nachhaltig produzierte Produkte. Das fängt bei der veganen Wurst an und hört beim Elektroauto auf. Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Ein ganz neuer Spirit wird gelebt. Ein Unternehmen, das solche Trends nicht aufnimmt, wird zum Dinosaurier – und wir wissen alle, was mit denen passiert ist.

Lapp operiert weltweit. Gibt es da nationale Unterschiede hinsichtlich CSR bzw. ESG oder greift ein einheitlicher weltweiter Corporate Spirit?
Nein, da gibt es keinen Unterschied. Unsere Werte gelten weltweit, ebenso wie unser Verhaltenskodex. Wir sind One Lapp, wir haben eine gemeinsame Unternehmenskultur und das leben wir, wo auch immer auf der Welt.

Steht eigentlich CO2-Neutralität bei Lapp auf dem Plan?
Natürlich! Wir haben unseren CO2-Fußabdruck umfassend analysiert und fünf Kernthemen definiert: Energieeinsparung bei der Produktion, Materialeffizienz des Produkts, Vermeidung besorgniserregender Materialien, globale Transparenz und Rückverfolgbarkeit sowie das persönliche Verhalten für Nachhaltigkeit. Dies wird nun in konkrete Projekte überführt. Eine Roadmap soll sicherstellen, dass wir kontinuierlich an den relevantesten Stellhebeln arbeiten und unsere Ressourceneffizienz signifikant erhöhen.

Gibt es bei Lapp eine Kommunikationsstrategie, um die Unternehmenswerte bei allen Stakeholdern und in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen?
Unsere Werte sind bei allen Beteiligten seit Jahren bekannt, weil wir sie aktiv kommunizieren und auch danach leben. Sie können auf unserer Website aber auch in vielen Veröffentlichungen nachgelesen werden. Viel wichtiger ist aktuell unsere Kommunikationsstrategie als One Lapp, denn unsere Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg. Wir haben im Unternehmen weltweit einen Kulturwandel eingeleitet. Ein einheitliches Logo war der erste Schritt, und wir wachsen auch international trotz verschiedener Kulturen und Denkweisen als One Lapp immer mehr zusammen. Wir sind eine große Familie. Wir haben alte hierarchische Strukturen aufgebrochen. Jeder Mitarbeiter – ob in der Produktion, im Vertrieb, in der Logistik oder in der Verwaltung – ist aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen.

Ist es nicht schwierig, One Lapp in Corona-Zeiten weiter zu integrieren und diese Verbundenheit aufrechtzuerhalten?
In der Tat. Es ist viel aufwendiger und kräftezehrender, die Nähe zu den Mitarbeitern zu pflegen. Ich habe noch nie so viel mit den Mitarbeitern und Führungskräften kommuniziert wie jetzt: über Videobotschaften oder Streamingkonferenzen, wo direkt Fragen gestellt werden und der direkte Austausch möglich ist. Oft greife ich auch einfach zum Telefon. Aber ich sehne mich schon nach normalen Zeiten – denn solche digitalen Dienste können den direkten Kontakt nie ganz ersetzen.

Bei Lapp gehören auch familienfremde Führungskräfte zur Unternehmensleitung. Wie stellt die Familie sicher, dass diese Führungskräfte die Familienwerte ins Unternehmen transportieren?
Wir haben ein hervorragendes Führungsteam, das sich in verschiedenen Zirkeln regelmäßig abstimmt. Auch unsere Führungskräfte leben unsere Werte. Wir sind die Familie Lapp und die Führungskräfte und natürlich auch alle Mitarbeiter sind die Lapp-Familie. Wir haben einen ausgezeichneten Zusammenhalt in unseren Unternehmen – vor Ort wie auch international.

Könnten Sie meiner These folgen, dass in Familienunternehmen das Purpose-Konzept meist schon vorhanden ist und gelebt wird?
Ja, ich stimme Ihrer These zu. Es gibt viele Familienunternehmen, die schon lange Purpose leben. So ist das Purpose-Konzept schon lange ein Teil der Lapp-DNA.

Sehr geehrter Herr Lapp, herzlichen Dank für dieses informative Gespräch!


ZUR PERSON

© Lapp

Matthias Lapp (Jahrgang 1982) gehört der dritten Generation der Familie Lapp an. Nach einem Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre in München und einem Abschluss als Master internationaler Betriebswirtschaftslehre an der Universität von Amsterdam war er zunächst von 2007 bis 2008 im Marketing von Coca-Cola Femsa in Mexiko tätig. 2010 stieg er als Vorstandsassistent im Bereich Finanzen (CFO) bei Lapp ein und verantwortete hier als Exportleiter von 2013 bis 2017 alle Lapp-Vertragspartner weltweit. 2017 übernahm er die Funktion des CEO der Region LA EMEA (Lateinamerika, Europa, Mittlerer Osten und Afrika), die er bis heute innehat.


ZUM UNTERNEHMEN

Die Europazentrale von Lapp in Stuttgart. © Lapp

Lapp mit Sitz in Stuttgart ist einer der führenden Anbieter von integrierten Lösungen und Markenprodukten im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie. Zum Portfolio des Unternehmens gehören Kabel und hochflexible Leitungen, Industriesteckverbinder und Verschraubungstechnik, kundenindividuelle Konfektionslösungen, Automatisierungstechnik und Robotiklösungen für die intelligente Fabrik von morgen und technisches Zubehör. Lapps Kernmarkt ist der Maschinen- und Anlagenbau. Weitere wichtige Absatzmärkte sind die Lebensmittelindustrie, der Energiesektor und Mobilität. Das Unternehmen wurde 1959 gegründet und befindet sich bis heute vollständig in Familienbesitz. Im Geschäftsjahr 2018/19 erwirtschaftete es einen konsolidierten Umsatz von 1.222 Mio. EUR. Lapp beschäftigt weltweit rund 4.650 Mitarbeiter, verfügt über 18 Fertigungsstandorte sowie 44 eigene Vertriebsgesellschaften und kooperiert mit rund 100 Auslandsvertretungen.

Der Beitrag ist in der FuS 1/2021 erschienen.

Vorheriger ArtikelÜberbrückungshilfe bald auch für Großunternehmen?
Nächster ArtikelFamilie Krengel gründet WEPA Stiftung