„Wir brauchen eine Fehlerkultur und ein offenes, kollaboratives Mindset“

Visionen für den Wandel standen im Fokus des 14. Forum UnternehmerTUM

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Beim 14. Forum UnternehmerTUM am 2. Juni 2022 diskutierten im neuen Munich Urban Colab Hunderte geladene Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über aktuelle und zukünftige Herausforderungen wie die Folgen von Pandemie und Krieg, Klimawandel, Rohstoffmangel und Energiewende sowie darüber, wie man diese mithilfe innovativer Technologien in den Griff bekommen kann. In drei großen Panels mit namhaften Unternehmensvertretern ging es vertiefend um die Themen „Future Start-up DNA“, „Leading AI“ und „NextGen 2042“.

Gyri Reiersen; © UnternehmerTUM

„Wir brauchen eine Fehlerkultur und ein offenes, kollaboratives Mindset, um Menschen verschiedener Disziplinen miteinander zu verbinden“, sagte SAP-Vorstandsmitglied Thomas Saueressig im ersten Panel auf der Hauptbühne. Im Mittelpunkt dieses Panels stand die Fragestellung, wie das perfekte Ökosystem aussehen muss und welche Geisteshaltung vonnöten ist, damit Deutschland weiterhin ein führender Innovationsstandort bleibt.

„Die Universität bildet den Mittelpunkt eines solchen Ökosystems“, betonte Thomas Hofmann, Präsident der TUM. Ihre Aufgabe sei es, Kreativität zu fördern und den unternehmerischen Funken zu zünden sowie das Lernen aus Fehlern zu unterstützen.

„Innovation und Unternehmertum sind wichtig, um Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit zu finden“, sagte Gastgeber Helmut Schöneberger, CEO und Gründer von UnternehmerTUM. „Unsere Mission ist es, eine perfekte Plattform für Innovation zu bieten.“

Die Gründerin von Tanso Technologies, Gyri Reiersen, brachte ihren Standpunkt so auf den Punkt: „Es geht nicht um das Überleben der Stärksten und Klügsten, sondern der Anpassungsfähigsten.“

Den Menschen in den Fokus rücken

In einem zweiten Plenumspanel diskutierten die Unternehmerin und Gründerin von UnternehmerTUM Susanne Klatten und die NextGens Anna Hörmann und Philipp Dreyer über die Rolle der nachfolgenden Unternehmergeneration bei der Umsetzung nachhaltiger Transformationen in den Unternehmen.

„Wir müssen Wandel ermöglichen, indem wir unsere Mitarbeitenden dazu befähigen“, sagte Anna Hörmann, deren Vater das Familienunternehmen Hörmann Industries vor 65 Jahren gegründet hat. Es sei wichtig, die Menschen dabei in den Fokus zu stellen. Seit April dieses Jahres hat Hörmann ein Büro bei UnternehmerTUM bezogen und verfolgt dort ein gemeinsames Projekt, um die Digitalisierung des Unternehmens voranzutreiben. Niemand könne den Wandel allein schaffen, es bedürfe dafür neuer Fähigkeiten und Prozesse sowie Zusammenarbeit. Familienunternehmen könnten von Start-ups lernen, betonte Susanne Klatten.

Deep Dive: NextGen 2042

„Familienunternehmen stellen 58% aller Beschäftigten und sichern unseren Wohlstand“, sagte Christian Mohr zur Eröffnung des von ihm moderierten Vertiefungsworkshops mit dem Thema „NextGen 2042“. Aktuell seien die Herausforderungen größer denn je. Deutschlandweit benötigen 600.000 Unternehmen einen Nachfolger bis 2026. „Aktuell haben nur 50% eine Lösung gefunden“, sagte Mohr. Es gehe also darum, eine Lücke von 300.000 benötigten Nachfolgern zu schließen.

Katharina van Delden; © UnternehmerTUM

„Die Unternehmen müssen ihre Rollen und Prozesse neu definieren“, sagte Impulsrednerin Katharina von Delden, CEO von innosabi, einem Technologieanbieter für Agile Innovation. Um zu überleben, müssten sich die Unternehmen ständig weiter fortentwickeln, ihren Mitarbeitern ein kontinuierliches Lernen ermöglichen, immer schneller reinvestieren und Resilienzen aufbauen. Sie stünden in einem Wettbewerb um Innovationen. Erfolgsfaktor Nummer eins seien die Menschen und das Ökosystem.

„Familienunternehmen spielen eine sehr wichtige Rolle für die bayerische Wirtschaft“, sagte die zweite Impulsrednerin Judith Gerlach, Staatsministerin im Bayerischen Digitalministerium. Ein Drittel des bayerischen Regionalprodukts käme von kleinen und mittleren Unternehmen. „Im Rahmen unserer Digitalinitiative NextGen4Bavaria investieren wir 70 Mio. EUR in die Digitalisierung von Bayern“, betonte Gerlach. Unternehmensnachfolge sei eine große Herausforderung und zugleich Chance: „Bis 2026 suchen 35.000 Unternehmen in Bayern einen Nachfolger.“ Von deren Erfolg würden der Wohlstand und das Wachstum der Zukunft abhängen.

Konzepte für die Zukunft

„NextGens müssen sich klar darüber werden, was sie wollen“, sagte Steffi Czerny, Geschäftsführerin von  DLD Media und Mitbegründerin der DLD-Konferenz im anschließenden Panel.

„Es gibt eine umfangreiche Pipeline an Ideen, um die Unternehmen voranzubringen“, betonte die Wirtschaftswissenschaftlerin Ann-Kristin Achleitner. Diese gelte es nun zu entwickeln. Risikobereitschaft, Langzeitvisionen und Geschwindigkeit stünden dabei im Vordergrund.

v.li.: Ann-Kristin Achleitner, Steffi Czerny, Fabian Kienbaum, Sebastian Kuss; © UnternehmerTUM

„Familienunternehmen haben ähnliche Probleme wie Start-ups“, sagte Sebastian Kuss, Partner und Mitgründer des Investment Funds EMH. Beim Funding liefen sie jedoch häufig unter dem Radar. „Wir müssen mehr Mut aufbringen und Kapital bereitstellen, um Familienunternehmen zu unterstützen.“ Bei EMH stünden Minderheitsbeteiligungen im Vordergrund. Es gehe nicht darum, die Kontrolle zu übernehmen, aber es sei wichtig, den Status quo immer wieder in Frage zu stellen.

„Familienunternehmen brauchen Finanzierungen“, pflichtete ihm Fabian Kienbaum, der Geschätfsführer von Kienbaum Consultants International bei. Private Equity biete eine gute Möglichkeit, an Familienunternehmen zu partizipieren und auf diese Weise Kapital bereitzustellen.

Kooperationen mit Start-ups

Wie löst man das Nachfolgeproblem und wie sichert man die Innovationsfähigkeit im deutschen Mittelstand? Darüber diskutierten eine Reihe erfahrener NowGens mit NextGens-Anwärtern mit dem Moderator Dominik Wichmann, Looping-Group-Gründer und Ex-Stern-Chefredakteur.

Leopold von Schlenk-Barnsdorf, Carl Schlenk AG, und Christian Haub, Tengelmann, im Gespräch mit dem Moderator Dominik Wichmann; © UnternehmerTUM

„Familienunternehmen sind in sehr spezialisierten Bereichen unterwegs. Sie müssen kontinuierlich ihre Produkte verbessern und ihre Geschäftsmodelle an die äußeren Veränderungen anpassen“, sagte Leopold von Schlenk-Barnsdorf, der die fünfte Generation bei der 1879 gegründeten Carl Schlenk AG vertritt. Der Generationswechsel könne als Motor für Innovation und Wandel wirken.

 

„Mein Vater war ein klassischer Patriarch. Ich möchte ein neues Kapitel für unser Unternehmen eröffnen“, sagte NextGen Anna Hörmann. „Niemand von uns kann es alleine schaffen, wir alle brauchen Partner!“

Kooperationen mit Start-ups wurden als ein effektiver Weg zur Erneuerung diskutiert. „Als traditionelles Einzelhandelsunternehmen fühlten wir uns durch den E-Commerce bedroht“, sagte Tengelmann-Inhaber Christian Haub, „Wir haben dann in Zalando und in eine Reihe von Start-ups investiert, um uns beim Online-Shopping zu behaupten.“ Man dürfe sich nicht durch innere Zerwürfnisse vom Weg abbringen lassen, so Haub mit Blick auf den Rechtsstreit, in dem er sich mit seinem Bruder Georg befindet. Dem müssen man mit Offenheit und Transparenz begegnen.

Alexander Wottrich; © UnternehmerTUM

Der Geschäftsführer des Camping-Spezialisten Truma, Alexander Wottrich, berichtete von seinen Erfahrungen mit Open Innovation: „Die Analyse zum Status Quo nach meinem Einstieg ins Unternehmen 2018 hat gezeigt, dass der Druck auf uns doch spürbar gestiegen ist – Kundenanforderungen, Veränderungsgeschwindigkeit, Wettbewerb. Darauf haben wir Antworten gesucht und unter anderem eine eigene Innovationseinheit gegründet“. Die dort gewonnenen Erfahrungen würde er gerne weitergeben: „Ich bin in einem solchen Ökosystem aufgewachsen. Viel mehr Entscheidungsträger sollten eine solche Inspiration erfahren“, so Wottrich.

Im Anschluss an die Workshops präsentierten sich auf der Hauptbühne noch einige Partner von UnternehmerTUM mit ihren Erfolgsgeschichten, darunter Befive, Siegenia und SAP.iO, Der Abend klang beim entspannten Networking aus.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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