“Sparkassen brauchen keine staatliche Unterstützung wie andere Marktteilnehmer” (Ausgabe 2/2010)

Interview mit Heinrich Haasis, Präsident, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V.

Der Finanzverbund der Sparkassen-Finanzgruppe umfasst 620 Unternehmen, beschäftigt rund 377.000 Menschen und weist eine kumulierte Bilanzsumme von rund 3,6 Billionen Euro auf. Im Interview spricht DSGV-Präsident Heinrich Haasis über Auswirkungen der Krise, die Situation der Landesbanken und die aktuelle Kreditvergabepolitik der Sparkassen.

Der Finanzverbund der Sparkassen-Finanzgruppe umfasst 620 Unternehmen, beschäftigt rund 377.000 Menschen und weist eine kumulierte Bilanzsumme von rund 3,6 Billionen Euro auf. Im Interview spricht DSGV-Präsident Heinrich Haasis über Auswirkungen der Krise, die Situation der Landesbanken und die aktuelle Kreditvergabepolitik der Sparkassen.

Unternehmeredition: Herr Haasis, wie haben sich die Sparkassen bisher in der Finanz- und Wirtschaftskrise gegenüber den Großbanken geschlagen?
Haasis:
Die Sparkassen haben sich sehr gut geschlagen. Ihr an der Realwirtschaft und auf die jeweilige Region ausgerichtetes Geschäftsmodell hat dazu geführt, dass die Institute in schwieriger Zeit stabilisierend auf die gesamte Volkswirtschaft eingewirkt haben. So konnten die Sparkassen im vergangenen Jahr ein Vorsteuer-Ergebnis von 4,6 Mrd. EUR erwirtschaften. Davon führen sie 2,3 Mrd. EUR gewinnabhängige Steuern ab. Sparkassen brauchen keine staatliche Unterstützung wie andere Marktteilnehmer, sondern haben sogar noch erhebliche Leistungen zur Unterstützung anderer Kreditinstitute erbracht. All dies sehen auch unsere Kunden. Sie haben in der Finanzkrise sehr genau zwischen Sparkassen und Banken zu unterscheiden gelernt und das Vertrauen in die Sparkassen noch einmal gestärkt. Andere haben dagegen deutlich an Vertrauen verloren. Die Sparkassen haben eine hervorragende Ausgangsposition, um ihre Kunden im jetzt hoffentlich beginnenden konjunkturellen Aufschwung zu begleiten.

Unternehmeredition: Die Landesbanken waren allerdings auch sehr stark von der Krise betroffen. Hat dieses Modell überhaupt noch eine Zukunft?
Haasis: Alle international tätigen Banken sind von der Krise betroffen – das gilt in unterschiedlicher Weise auch für die Landesbanken. Eine ganze Reihe von ihnen ist vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, etwa die NordLB, die Helaba, die Landesbank Saar, die Bremer Landesbank, die DekaBank oder die Berliner Landesbank. Andere Landesbanken hatten Probleme, vor allem durch risikoreiche internationale Geschäfte. Die Betroffenheit ergibt sich nicht aus der rechtlichen Struktur, sondern aus einem besonderen Engagement auf internationalen Finanzmärkten. Daraus sollten die Träger von Landesbanken – Politik und Sparkassen – gemeinsam die Schlussfolgerung ziehen, dass sich die Landesbanken künftig stärker auf Geschäfte mit realwirtschaftlicher Grundlage konzentrieren und weniger auf reine internationale Finanzgeschäfte. Auf keinen Fall darf übersehen werden, dass die Landesbanken mit knapp 20% Marktanteil bei Krediten an Unternehmen und Selbstständige einer der Hauptfinanziers der deutschen Wirtschaft sind. Leider wird diese stabilisierende Rolle als wichtige Kreditgeber in der Öffentlichkeit immer wieder unterschlagen. Und auch die Sparkassen brauchen Landesbanken als Partner und Dienstleister im operativen Tagesgeschäft. Die Begleitung von mittelständischen Firmenkunden der Sparkassen ist hier nur ein Beispiel von vielen.

Unternehmeredition: Wie hat sich die Kreditvergabe der Sparkassen im Firmenkundengeschäft 2009 entwickelt? Wie ist Ihre Einschätzung für dieses Jahr, ist generell mit einer Kreditklemme zu rechnen?
Haasis: Die Sparkassen haben im vergangenen Jahr 62,1 Mrd. EUR an Krediten für Unternehmen und Selbstständige neu zugesagt und damit das Rekordjahr 2008 noch einmal deutlich – nämlich um 5,5 Prozentpunkte – übertroffen. Diese hohe Steigerungsrate zeigt, dass die Unternehmen größere Teile der eingeräumten Kreditlinien noch gar nicht abgerufen haben. Zusammen mit den außergewöhnlich hohen Unternehmenseinlagen stehen den Firmen allein hier liquide Mittel in Höhe von 74,1 Mrd. EUR zur Verfügung. Mit den hohen Volumina an Neuzusagen im Unternehmenskreditgeschäft haben die Sparkassen einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass es in Deutschland nicht zu einer Kreditklemme gekommen ist. Wir rechnen auch im laufenden Jahr nicht mit einer Verknappung der Kreditmittel in der Breite der Wirtschaft. Die meisten der 431 Sparkassen haben uns bestätigt, dass sie, verglichen mit 2009, Mittel in gleicher Höhe oder noch darüber hinaus ausreichen wollen.

Unternehmeredition: Wie stark sind Ihre Firmenkunden von der Krise betroffen?
Haasis:
Insgesamt haben rund drei Viertel aller deutschen Unternehmen eine Geschäftsbeziehung zu einem Institut der Sparkassen-Finanzgruppe. Wir haben also einen sehr guten Überblick über die Situation der deutschen Wirtschaft. Unsere erst jüngst wieder erschienene Studie “Diagnose Mittelstand 2010” belegt, dass die deutsche Wirtschaft sehr unterschiedlich von der Krise betroffen ist: 35% der Unternehmen geben an, überhaupt nicht von der Krise betroffen zu sein oder sogar von ihr profitiert zu haben. 45% sind “leicht betroffen”, das heißt, sie kommen derzeit selbstständig mit den Folgen der Krise zurecht. 20% sind “schwer betroffen”. Ein Viertel davon – 5,6% – ist massiv in seiner Existenz gefährdet. Unsere Anstrengungen als Sparkassen und Landesbanken konzentrieren sich darauf, gerade diesen Unternehmen – so weit wie möglich – über die schwierige Wegstrecke hinwegzuhelfen.

Unternehmeredition: Einige Experten der Finanzbranche vermitteln bereits den Eindruck, das Schlimmste sei überstanden und die Märkte würden sich langsam wieder erholen. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Haasis: Die Unternehmen sind in der Regel mit einem erheblichen Kapitalpuffer in das Rezessionsjahr 2009 gegangen, von dem sie dann allerdings kräftig zehren mussten. Wir beobachten daher nicht ohne Sorge, dass es inzwischen zu einem deutlichen Eigenkapitalverzehr bei vielen Unternehmen kommt. Hier könnte es im 2. Quartal dieses Jahres zu Problemen kommen. Die deutschen Sparkassen und Landesbanken planen daher, über ihre Beteiligungsgesellschaften in diesem Jahr 550 Mio. EUR neues Eigenkapital für Unternehmen zur Verfügung stellen. Gegebenenfalls können die Mittel noch weiter aufgestockt werden. Insgesamt gesehen ist aus unserer Sicht für die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr aber verhaltener Optimismus angebracht.

Unternehmeredition: Wie beurteilen Sie staatliche Hilfsaktionen wie den 40 Mrd. EUR starken Deutschland Fonds? Sollte der Staat Ihrer Meinung nach noch weitergehen und wie von anderen Banken gefordert Bürgschaften für Kreditverbriefungen übernehmen?
Haasis: Es ist richtig, wenn neben der Kreditwirtschaft auch die Politik ihre Energie darauf richtet, den Unternehmen über die schwierige Wegstrecke der nächsten Monate zu helfen. Der Deutschland Fonds ist ein richtiges Instrument hierfür. Von dem Kreditrahmen in Höhe von 40 Mrd. EUR ist bis Anfang März aber erst etwa ein Sechstel in Anspruch genommen worden. Es sollte überlegt werden, wie die Wirkung noch erhöht werden kann. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen sollten aber direkt auf die Unternehmen ausgerichtet bleiben. Die staatliche Verbürgung von Kreditverbriefungen wäre dagegen in erster Linie eine weitere Bankenhilfe. Dabei würden die Banken zwar Eigenkapitalspielräume gewinnen. Ob dies letztlich wirklich in neue Unternehmenskredite mündet, ist angesichts der Erfahrungen mit den Banken, die Staatshilfen erhalten haben, eher zweifelhaft.

Unternehmeredition: Herr Haasis, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de

Zur Person: Heinrich Haasis
Heinrich Haasis ist seit 2006 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes e.V., des Dachverbandes der Sparkassen-Finanzgruppe. Zum Verband gehören unter anderem 431 Sparkassen und sieben Landesbankkonzerne. Haasis ist außerdem u.a. Mitglied in den Verwaltungsräten von KfW und BaFin, Stellv. Präsident der Europäischen Sparkassenvereinigung (ESV) sowie Mitglied im Vorstand des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. www.dsgv.de

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