“Ich warne für das Jahr 2010 vor zu viel Optimismus” (Ausgabe 2/2010)

Interview mit Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer, vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.

Bertram Brossardt ist Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Im Interview spricht er über Maßnahmen zur Krisenbekämpfung, die Wirksamkeit staatlicher Konjunkturprogramme und darüber, wie die Finanzierung des Mittelstandes verbessert werden kann.

Bertram Brossardt ist Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Im Interview spricht er über Maßnahmen zur Krisenbekämpfung, die Wirksamkeit staatlicher Konjunkturprogramme und darüber, wie die Finanzierung des Mittelstandes verbessert werden kann.

Unternehmeredition: Herr Brossardt, wie bewerten Sie die aktuelle konjunkturelle Lage, und wann rechnen Sie wieder mit einem Konjunkturaufschwung?
Brossardt: Der konjunkturelle Tiefpunkt ist jetzt zwar überwunden. Es geht aufwärts, allerdings mit einem langsamen Tempo. Wir starten von einem niedrigen Niveau und haben einen langen Weg vor uns. Auch muss man sehen, dass sich zwar die Erwartungen der Unternehmen in den letzten Wochen aufgehellt haben. Die tatsächliche Entwicklung ist aber immer noch verhalten. So liegt die Auslastung der Industriekapazitäten lediglich bei 75%. Deshalb warne ich für das Jahr 2010 vor zu viel Optimismus. Den Status vor der Krise werden wir frühestens wieder im Jahr 2013 erreichen.

Unternehmeredition: Befürchten Sie für 2010 eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen für Unternehmer?
Brossardt: Zunächst möchte ich festhalten, dass wir derzeit keine allgemeine Kreditklemme haben. Nach einer kürzlich von der bayerischen Metall- und Elektroindustrie durchgeführten Umfrage erklären 85% der Unternehmer, dass sich die Kreditversorgung nicht verschlechtert hat. Viele konnten sogar in den letzten sechs Monaten eine leichte Verbesserung feststellen. Wenn die Konjunktur wieder in Fahrt kommt, brauchen die Unternehmen jedoch zur Finanzierung von Betriebsmitteln und Investitionen zusätzliche Mittel. Die Banken werden dann als Entscheidungsgrundlage der Kreditvergabe die Bilanzen des Jahres 2009 heranziehen, die bekanntermaßen schlecht aussehen. Insofern ist zumindest eine Verteuerung der Kredite zu erwarten und wahrscheinlich sogar eine Verschärfung der Kreditversorgung.

Unternehmeredition: Wie kann es Ihrer Meinung nach gelingen, die Finanzierung der Unternehmen trotz Krise sicherzustellen?
Brossardt: Das kann nur durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren geschehen. Zunächst muss der Verbriefungsmarkt in Deutschland wieder an Fahrt gewinnen. Das ist in erster Linie ein psychologisches Thema. Um Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, müssen die Banken bei der Verbriefung für mehr Transparenz sorgen und auch ein gewisses Risiko bei sich behalten. Die KfW sollte eine stimulierende Rolle im Verbriefungsmarkt übernehmen. Zudem müssen die Hilfsprogramme der KfW und der Förderinstitute der Länder nachhaltig von den Unternehmen in Anspruch genommen werden, weil sie eine Risikoentlastung der Banken bedeuten. Diese Maßnahmen könnten den Kreditfluss am Laufen halten. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die steuerlichen Entlastungen für Unternehmen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ihre volle Wirkung entfalten können und die Binnenfinanzierungskraft der Unternehmen erhöhen.

Unternehmeredition: Ist Ihre Forderung, die Verbriefungsmärkte wieder zu beleben, nicht sehr riskant, da die Finanzkrise ihre Ursachen ja gerade im Weiterverkauf von verbrieften Krediten hatte?
Brossardt: Nein, wenn gewisse Regeln beachtet werden. Zum einen sollten bei Verbriefungstransaktionen künftig mindestens 5% der Risiken bei den emittierenden Banken bleiben. Zum anderen brauchen wir einfach mehr Transparenz. Dazu sind Verbriefungsstrukturen zu vereinfachen und detaillierte Informationen über die zugrunde liegenden Forderungen und Sicherheiten offenzulegen. Wenn man genau weiß, was verbrieft ist, kann man auch die Risiken entsprechend einschätzen.

Unternehmeredition: Welche Rolle spielen staatliche Fördermittel bei der Bekämpfung einer drohenden Kreditklemme?
Brossardt: Die KfW und hier in Bayern die LfA haben in der Krise eine wesentliche Sicherungsfunktion übernommen. Die Konditionen sind nachhaltig verbessert worden. Im Betriebsmittelbereich ist die Haftungsfreistellung erweitert worden. Dank der raschen Risikoentlastung konnten die Banken, die ja selbst in starke Bedrängnis geraten sind, die Kreditversorgung aufrecht erhalten. Und das wird noch weiterhin nötig sein, um uns über die Krise hinweg zu bringen. Die Mittel sind noch nicht ausgeschöpft. Ich würde mir wünschen, dass diese Programme von Banken aktiver beworben und seitens der Unternehmen noch stärker nachgefragt und die Anträge schneller bearbeitet werden.

Unternehmeredition: Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit staatlicher Konjunkturprogramme, die bisher gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise ergriffen wurden?
Brossardt: Bei den staatlichen Konjunkturprogrammen mag das eine oder andere nicht notwendig gewesen sein, aber insgesamt waren sie wichtig, um der Krise entgegen zu wirken. Deutschland hat schnell und effizient reagiert und sich besser als andere Industriestaaten geschlagen. Auch durch die Kurzarbeit konnte der Arbeitsmarkt und damit auch der Konsum sicher gestellt werden. Dank dieser Kombination aus Konjunkturprogramm und Kurzarbeit sind wir trotz des 5-%igen BIP-Einbruchs recht gut über das Jahr 2009 hinweggekommen.

Unternehmeredition: Welchen Beitrag können alternative Instrumente zum klassischen Bankkredit bei der Mittelstandsfinanzierung leisten?
Brossardt: Was vor der Krise galt, gilt auch heute: Jedes Unternehmen sollte auf einen vernünftigen Finanzierungsmix achten. Zweifelsohne wird es künftig noch schwieriger, sich ausschließlich über Kredite zu finanzieren. So muss jeder für sich selbst entscheiden, welche alternativen Instrumente er nutzen kann und will. Eine Equity-Finanzierung etwa bedeutet auch, dass man ein Stück seines Unternehmens weggibt. Und diese Grundsatzentscheidung muss jeder für sich selbst treffen.

Unternehmeredition: Wie entwickelt sich Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern?
Brossardt: Bayern ist, neben Baden-Württemberg, in Deutschland am stärksten von der Wirtschaftskrise betroffen, da wir sehr exportorientiert sind und es hier große Einbrüche gab. Trotzdem konnten wir im deutschen Vergleich die besten Arbeitslosenzahlen in der Krise aufweisen – das zeigt, wie stabil die bayerische Wirtschaft insgesamt aufgestellt ist. Ich gehe davon aus, dass sie im Bundesvergleich weiterhin an der Spitze bleiben wird, weil sie einen gesunden Branchen- und Größenmix hat, weil wir sehr exportorientiert sind und dabei einen sehr starken Schwerpunkt auf die Emerging Markets legen. Insgesamt halte ich in Bayern für dieses Jahr ein Wachstum von bis zu 2% für möglich.

Unternehmeredition: Herr Brossardt, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.

Zur Person: Bertram Brossardt
Bertram Brossardt ist Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. Die vbw ist die branchenübergreifende Dachorganisation der bayerischen Wirtschaft und bündelt die Interessen von über 80 Mitgliedsverbänden mit mehr als 3,3 Mio. sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Außerdem ist Brossardt u.a. Hauptgeschäftsführer des vbm – Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie sowie Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit. www.vbw-bayern.de

Autorenprofil

Markus Hofelich ist Gastautor.

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