„Die Zeit ist reif“

Nach erfolgreichen Börsengängen in Deutschland und in den Vereinigten Staaten ein großes Ziel für 2014: Stephan Schambach erreichte zur Jahrtausendwende mit dem E-Commerce-Software-Anbieter Intershop zeitweise eine höhere Bewertung an der deutschen Börse als Stahlriese ThyssenKrupp. Als der Neue Markt zusammenbrach, gründete er 2004 in Boston Demandware. Mit der cloudbasierten Weiterentwicklung von Intershop gelang Schambach 2012 wieder eine erfolgreiche IPO, diesmal an der New York Stock Exchange. Seine Ziele fürs neue Jahr sind nicht minder spektakulär: die Reanimation der deutschen Tech-Börse.

Unternehmeredition: Herr Schambach, was macht das Unternehmertum für Sie zur ersten Wahl im Gegensatz zu einem Angestelltenverhältnis?

Stephan Schambach: Ich war zwar noch nie angestellt, aber ich genieße die Freiheit, mit der ich mein Leben und die Dinge, mit denen ich mich beruflich befasse, gestalten kann, ohne jemanden fragen zu müssen.

Wenn Sie mit Ihrer ersten Firma, Intershop, nicht erfolgreich gewesen wären, hätten Sie dann einen Angestelltenberuf ausprobiert?

Es gab Zeiten, in denen ich gerne die Sicherheit eines festen Gehaltes genossen hätte. Zu Beginn meiner Unternehmerlaufbahn hatte ich ein Konto mit Kredit bei der Sparkasse. Für 500.000 DM musste ich 17% Zinsen zahlen und bürgen. Als der Kredit dann ausgeschöpft war und es gerade nicht so gut im Unternehmen lief, wurde er sogar gekündigt. Damals wäre es schön gewesen, von einem festen Gehalt die Miete zahlen zu können. Aber ich lernte aus meinen Fehlern und das Unternehmen wurde sehr erfolgreich.

Sie sagen „aus Fehlern lernen“. In Deutschland nimmt man dafür gerne das Wort „scheitern“ in den Mund…

Das Wort „scheitern“ ist falsch…

Warum?

Es trifft überhaupt nicht zu. Unternehmer, die vorankommen wollen, müssen viel ausprobieren. Das ein oder andere funktioniert dabei nicht auf Anhieb. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Unternehmer sich von Nicht-Unternehmern nur dadurch unterscheiden, dass sie bestimmte Dinge etwas intensiver, länger und öfter ausprobieren.

Solange, bis es dann endlich mal klappt?

Es klappt selten beim ersten Anlauf. Aber damit habe ich überhaupt kein Problem. Ich habe einfach Spaß daran, wenn es nach dem dritten oder vierten Mal funktioniert.

Ist die deutsche Sichtweise auf unternehmerische Fehltritte und das Ausprobieren zu negativ?

Es wird in Deutschland negativer aufgenommen als in den USA. Für mich ist das nur eine Nuance unserer Kultur, dass hier oft ein Fehltritt mit Häme aufgenommen wird. Die Reaktion der Öffentlichkeit stört mich allerdings nicht. Irgendwann stumpft man ab.

Die Häme kommt oftmals nicht von Gleichgesinnten, sondern von Leuten, die das selbst nie gewagt oder versucht haben…

Nur wer etwas mehrmals auf unterschiedliche Weise probiert, kommt zu einem optimalen Ergebnis. Und manchmal geht es dabei auch schief. Aber dieser Lerneffekt ist notwendig, um zu einer wirklich guten Lösung zu kommen. Unternehmer sind Menschen, die es dann nochmal probieren.

Wird diese Art des unternehmerischen Denkens in Deutschland auch der neuen Generation Unternehmer beigebracht?

Das wird in den meisten öffentlichen Bildungseinrichtungen nicht systematisch getan. Es gibt gute Ausnahmen wie das Hasso-Plattner-Institut oder das Strascheg Center für Entrepreneurship in München. Aber das sind immer Privatinitiativen, selten staatliche Hochschulen.

Wie sollte die Lehre an staatlichen Hochschulen verbessert werden?

Den Ingenieuren müsste beigebracht werden, wie sie ihr Wissen auch unternehmerisch anwenden können. Ob sie es dann machen oder nicht, ist eine andere Frage. Das ist in den USA ganz anders. Unternehmerische Lehre ist dort praktisch überall verankert. Auch in der Medizin oder jedem anderen Studiengang.

Kann denn Unternehmertum systematisch gelehrt werden?

Vieles von dem, was Selfmade-Unternehmer durch Try and Error lernen, kann man systematisch an der Universität lehren. Dann würden sich auch mehr Studenten dazu berufen fühlen, sich selbst als Unternehmer zu versuchen.

Wie funktioniert dieses Lehrprinzip an amerikanischen Hochschulen?

Es gibt sehr viele externe Lehrkräfte, die als Unternehmer tätig sind. Sie werden eingeladen, um sich zu präsentieren und sich Fragen stellen zu lassen.

Haben Sie das auch gemacht?

Als ich in den USA war, regelmäßig. Ich wurde in Harvard oder beim MIT Sloan eingeladen. Hier in Deutschland finanziere ich seit 2004 mit Freunden zusammen einen Lehrstuhl für E-Commerce in Jena. Die Hälfte aller bisherigen Absolventen ist Unternehmer geworden und fast die andere Hälfte arbeitet bei ihnen. Die Bleibequote in Thüringen liegt bei diesen Absolventen bei 65%. Das ist die höchste Quote eines Studiengangs im gesamten Bundesland.

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