Innovative Vliese mit gutem finanziellem Polster

Die Vliesstoffe für die unterschiedlichsten Anwendungen werden in großen Ballen verschickt. Foto: Norafin

Mit technisch anspruchsvollen textilen Vliesen hat sich die Norafin Industries (Germany) GmbH zu einem mittelständischen Nischenanbieter entwickelt. Gemeinsam mit VR Equitypartner geht das Unternehmen jetzt im In- und Ausland auf Wachstumskurs.

Wenn für die Feuerwehrleute Kaliforniens die Bekämpfung von Waldbränden körperlich einigermaßen erträglich wird, liegt das daran, dass ein spezielles Vlies in ihren Anzügen eingenäht ist. Die Temperaturen durch die Hitze von außen und der Schweiß von innen werden durch spezielle Fasern reguliert. Andernorts sorgt ein Vliesstoff dafür, dass Sitzbänke in öffentlichen Nahverkehrszügen nicht mehr von Vandalen mit einem Taschenmesser aufgeschlitzt werden können. Den beiden Vliesstoffen ist eines gemeinsam: Sie wurden entwickelt von der Norafin Industries (Germany) GmbH aus dem sächsischen Mildenau, einem kleinen Dorf mitten im Erzgebirge.

Wechselvolle Geschichte

In dieser Anlage werden Vliesstoffe unter hohem Druck mit Wasser verfestigt. Foto: Norafin

Ende der 1970er-Jahre begann in der damaligen DDR-Textilhochburg Karl-Marx-Stadt – dem heutigen Chemnitz − ein Forschungsinstitut mit der Verfestigung von Fasern zu Vliesstoff mithilfe von hohem Druck und Wasser. Diese Vliesstoffe dienen oft als eine Art Zwischenstoff zwischen textilen Oberflächen- und Zierstoffen und haben vielfältige Aufgaben: Dämmung, Wärmespeicherung, Kälteabsorption, aber auch die Abwehr von Flammen. Dank starker Wasserbestrahlung und einer speziellen Webtechnik konnten ihnen äußere Einflüsse nicht viel anhaben. Noch vor dem Fall der Mauer entstand in der Nähe des heutigen Standorts eine erste Industrieanlage für die zunehmend auch international begehrten Vliesstoffe. Später wurde der Betrieb privatisiert, 1997 dann am Standort Mildenau neu gebaut. Zu den ersten Kunden gehörten Hersteller von Kunstleder, die ihre Produkte mit den sächsischen Vliesstoffen polsterten, und von Elektromotoren, die sie zur Isolierung nutzten. Im selben Jahr kam der heutige Mitgesellschafter und Geschäftsführer André Lang ins Unternehmen.

André Lang, Geschäftsführer und Mitgesellschafter Norafin Industries (Germany) GmbH. Foto: Norafin

Nach Inhaberwechseln in den Jahren 2000 und 2006 veräußerte der damalige dänische Eigentümer seine Anteile an die Private-Equity-Firma Pinova Capital. „Es war eine gute Konstellation. Wir haben immerhin von 2012 bis 2016 eine weitere Produktionslinie aufgebaut, den Umsatz verdoppelt und unser Produktportfolio erweitert“, erzählt Lang. „Aber bei Pinova handelte es sich um einen geschlossenen Fonds, der zu einem bestimmten Zeitpunkt seinen Exit festlegen musste. Deswegen wollten sie aussteigen.“ Pinova hatte allerdings ein Prinzip: Das Management sollte mitbeteiligt werden. „Und so habe ich in dieser Zeit mit drei Kollegen 10% der Anteile übernommen.“ Seine Motivation: „Ich verhalte mich schon immer wie ein Unternehmer und weniger wie ein Angestellter“, sagt er lächelnd und ergänzt: „Aber natürlich habe ich für die damaligen und späteren Anteile Haus und Hof an die Bank verpfändet.“

Großer Auslandsumsatz in den USA

Weil die Umsätze im Ausland und insbesondere in den USA weiter stiegen, prüfte Lang den Aufbau einer Produktionsstätte in den Vereinigten Staaten: „Unser Auslandsumsatz lag mittlerweile bei 80%, der größte Teil davon in den USA. Dies alles von Deutschland aus zu koordinieren gestaltete sich zunehmend schwierig. Allerdings ist ein neuer Standort auch sehr teuer“, so Lang.

Mit VR Equitypartner fand er schnell einen neuen leistungsfähigen Investor für sein Unternehmen, der mit 44,7% einstieg. Ein weiterer größerer Anteilseigner wurde die Münchner Maxburg Capital Partners, die unter anderem das Stiftungskapital der Ruhrkohle AG (RAG) verwaltet. Lang und seine Prokuristin Dagmar Neubert blieben weiter Minderheitsgesellschafter im Unternehmen. „Der Vorteil der Partnerschaft mit VR Equitypartner ist, dass deren Beteiligung als Eigenkapital gilt.“ Dadurch konnte Norafin den Aufbau seiner Produktionsstätte in Mills River im Bundesstaat North Carolina im Rahmen einer klassischen Finanzierung realisieren: „Eigenkapital plus Fremdkapital von den Banken“, sagt Lang. Mittlerweile zählt der Standort in North Carolina 46 Beschäftigte.

Andere Venture-Capital-Geber beteiligen sich

Nunmehr geht es darum, die frei gewordenen Kapazitäten im erzgebirgischen Stammhaus weiter zu nutzen. In den letzten Jahren hat Norafin viel in Forschung und Entwicklung investiert und zahlreiche neue Produkte entwickelt: Sei es etwa ein intelligenter Gullyeinsatz, der – mit einem Vlies versehen – abfließende Abwässer ökologisch reinigt, oder eine Art mitdenkende Tapete, die sich mittels KI auf verschiedene Weise an die künftigen Anforderungen einer digital gesteuerten Smart-Home-Wohnung anpassen kann. Für dieses Projekt konnte sogar der Berliner Wagniskapitalgeber Peppermint Holding gewonnen werden. Es stecken noch zahlreiche Ideen in der Pipeline, die in Serie überführt werden können. Doch zunächst konzentriert sich Norafin erst einmal auf seine stärksten Umsatzbringer, wie die Schutzkleidung.


„Gemeinsame Idee eines Produktionsstandorts in den USA“

Interview mit Peter Sachse, Geschäftsführer VR Equitypartner GmbH

Peter Sachse, Geschäftsführer, VR Equitypartner GmbH, Frankfurt/Main. Foto: VR Equitypartner

Unternehmeredition: Herr Sachse, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Norafin?
Peter Sachse:
Vor sechs Jahren haben wir eine Minderheitsbeteiligung an der Norafin GmbH übernommen. Uns reizte die Idee, gemeinsam international zu expandieren und einen Produktionsstandort in den USA zu errichten.

Weshalb war ein solches Werk erforderlich?
Norafin hatte in den USA nennenswerte Umsätze erzielt – da war es naheliegend, direkt vor Ort zu produzieren und zu vertreiben. Gleichzeitig wurden damit Produktionskapazitäten am sächsischen Standort frei, die für weiteres Wachstum genutzt werden konnten.

Welche gemeinsamen Projekte sind geplant?
Wir wollen jetzt gemeinsam klar und stringent die künftige Strategie umsetzen, die wir seit Juli dieses Jahres implementiert haben. Das bedeutet in den nächsten Jahren organisches Wachstum in den Kernfeldern. Im zweiten oder dritten Schritt könnte dann zu einem späteren Zeitpunkt Wachstum durch einen neuen Standort oder durch einen Zukauf erfolgen. Dabei ist es für uns vorteilhaft, dass wir nicht an ein bestimmtes Datum für einen Exit gebunden sind, sondern unsere Beteiligung über Jahre hinweg halten können.

Vielen Dank für das gute Gespräch.


Kurzprofil Norafin Industries (Germany) GmbH

Gründungsjahr: 1983 (Neugründung 1995)
Firmensitz: Mildenau/Sachsen
Branche: technische Textilien
Mitarbeiter: 231
Umsatz: 39 Mio. EUR (2020)

www.norafin.com

Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition 3/2021 erschienen.

Autorenprofil

Torsten Holler ist Gastautor.

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