Buy-and-Build-Strategie mit stiller Beteiligung

Zu einem der führenden Anbieter für Übersetzung und begleitende Services hat sich die German Translation Network AG (GEtraNet) entwickelt.
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Zu einem der führenden Anbieter für Übersetzung und begleitende Services hat sich in den vergangenen 13 Jahren die German Translation Network AG (GEtraNet) entwickelt. Dabei war dieser Weg zum umfassenden Komplettanbieter nicht vorgezeichnet und letztlich einem glücklichen Zufall geschuldet.

Arno Ruesch, German Translation Network

Wir bekamen das Angebot für den Kauf eines Übersetzungsbüros, das aufgrund guter Kontakte zu einem Großkonzern ein gesichertes Auftragsvolumen hatte“, erinnert sich CFO Arno Ruesch. Damals war er zusammen mit seinem Bruder Walter Ruesch noch als Familienunternehmen in der Verlagsbranche mit dem Themen­schwerpunkt Finanzen und Geldanlagen aktiv. Nach dieser Initialzündung beschäftigten sich die beiden Geschäftsführer intensiver mit der Situation der Übersetzungsfirmen in Deutschland. Sie stellten schnell fest, dass es sich um eine atomisierte Branche handelt, in der orga­nisches Wachstum nur schwer möglich sein wird.

Klassische Buy-and-Build-Strategie

Daher wurde zügig der Entschluss gefasst, weitere Firmen zu akquirieren. „Wir haben uns sehr viele Unternehmen angeschaut. Die Leistungsmöglichkeiten wurden mit unseren Angebotsmöglichkeiten und Kundenstrukturen verglichen. Auf der Basis dieser Analyse haben wir uns dann für oder gegen den Kauf entschieden“, so der CFO. Das klingt schon beinahe wie das Vorgehen eines klassischen Private-Equity-Investors – und das ist es wohl auch, denn den Aufbau des heutigen Unternehmens beschreibt Ruesch zutreffenderweise als Buy-and-Build-Strategie.

Ein gutes Dutzend Unternehmen akquiriert

So kam im Laufe der Jahre ein gutes Dut­zend Übersetzungsfirmen dazu. Dadurch wurde GTN zu einem national agierenden Full-Service-Anbieter mit einem um­fangreichen Dienstleistungsspektrum. Je­de der gekauften Firmen brachte speziel­les Know-how, Fachwissen zu bestimm­ten Ländern, spezielle Technologien und neue Kundschaft mit in den Pool. „Wir sehen uns nach einer Entwicklung von zehn Jahren inzwischen als LSP – ein Language Service Provider – mit einem umfassenden Leistungsspektrum mit großen technischen Möglichkeiten“, sagt Ruesch.

Stille Beteiligung biete zahlreiche Vorteile

Einer der größten Schritte dieser Wachs­tumsstory war nun die Übernahme der Kölner Lingua-World im Mai dieses Jahres. Die Firma war bis dahin der achtgrößte Anbieter von Sprach­dienst­leistun­gen in Deutschland. Bereits bei den ersten großen Übernahmen, der Tradex GmbH und der Sprachenmax UG, arbeitete ­GEtraNet mit der MBG Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württem­berg zusammen. 2014 erfolgte diese Über­nahme und die MBG unterstützte die Akquisition durch eine Mez­za­nine-­Be­tei­ligung. „U­nsere Buy-and-Build-Stra­tegie bedingt, dass wir einen ständig wiederkehrenden Kapitalbedarf haben. Das An­gebot der Mittelstän­dischen Betei­li­gungs­gesellschaft, sich in Form einer stillen Beteiligung an unserem Wachstumskurs zu beteiligen, brachte uns im Vergleich zur traditionel­len Bankfinanzierung viele Vorteile“, so Ruesch. Auch bei der großen Übernahme von Lingua-­World war die MBG Baden-­Württemberg wieder ein Partner. Im Gegensatz zu Venture-Capital-Angeboten müssten keine Anteile an eigenen Familienunternehmen abgegeben werden. Zu­dem ­gebe es keinerlei Einmischung oder Einflussnahme in die operative Führung des Unternehmens. Jedoch unterstützt die MBG bei strategischen Fragen und steht den Unternehmen als Sparringspartner zur Verfügung. Aus wirtschaft­licher Sicht sei es vorteilhaft, dass die stille Beteiligung über eine Laufzeit von zehn Jahren tilgungsfrei ist. Bei einer klassischen Bankfinanzierung über sechs oder sieben Jahre müsste hingegen jähr­­lich eine Tilgung von 15% berücksich­tigt werden.

Neues geschäftliches Standbein

Die Coronakrise hat auch bei der GTN-­Gruppe zu Veränderungen geführt. „Wir haben den Entschluss gefasst, dass man auf einem Bein nicht gut stehen kann, und daher unseren zweiten Unterneh­mens­bereich wesentlich verstärkt“, sagt Ruesch. So erfolgte im vergangenen Jahr der Entschluss zur Übernahme des Unternehmens ZVG Daten GmbH. Zusammen mit dem bereits vor einiger Zeit gekauften Informationsdienstleister „Großbau intern“ soll nun ein digitaler Kommunikations- und Medienbereich aufgebaut werden. Auch bei dieser Übernahme kooperierte die GTN Group AG mit der MBG Baden-Württemberg. Für das aktuelle Jahr sind keine weiteren Käufe geplant: „Wir haben durch die beiden Akquisitionen unseren Umsatz fast verdoppelt und müssen uns nun zuerst um die Integration der neuen ­Beteiligungen kümmern“, so Ruesch. In der Zukunft könne sich das aber auch schnell wieder ändern: Längere Pausen hat sich die GTN Group in ihrer lang­jährigen Buy-and-Build-Phase bislang nicht gegönnt.


„Wir spüren eine stärkere Nachfrage”

Interview mit Erik Eckhardt, Investmentmanager Private Equity, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg

Unternehmeredition:Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Rolle von Mezzanine-Finanzierungen in den vergangenen Jahren entwickelt?

Erik Eckhardt, Investmentmanager Private Equity

Erik Eckhardt: Aufgrund der hervorragenden Konjunktur konnten Unternehmen ihre Eigenkapitalquote deutlich ausbauen. Durch das anhaltend niedrige Zinsniveau wurde Fremdkapital von Banken attraktiver, sodass Wachstum und Innovationen vielfach durch günstige Kredite finanziert wurden. Damit gab es bei Mezzanine für die MBG eine Verschiebung hin zu Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen sowie größeren Sprunginvestitionen.

Wie sieht es aktuell mit der Nachfrage aus? Hat sich die Coronapandemie hier ausgewirkt?

Wir spüren jetzt eine deutlich stärkere Nachfrage. Die Krise hat ihre Spuren bei den Unternehmen hinterlassen – daher sind unsere langfristigen und flexiblen Unter­stützungsmöglichkeiten aus Unternehmersicht wieder interessanter geworden. 2020 haben sich viele Unternehmen vor allem mit Liquidität im Rahmen der Corona-Hilfsprogramme der KfW und auch der Landesförderinstitute versorgt. Auch die Bürgschaftsbank BW war sehr stark gefragt. In diesem Jahr beginnen nun die „Aufräumarbeiten“ in den Bilanzen und daher kommt auch die Eigenkapitalseite wieder stärker in den Blick. Es geht in vielen Fällen nun um Investitionen und Wachstumsfinanzierungen. Die Firmen blicken wieder nach vorn.

Aus welchem Grund sollte sich ein Unternehmer für eine Mezzanine-Finanzierung entscheiden?

Unser Mezzanine-Kapital steht den Unternehmen langfristig zur Verfügung und ­bietet damit entsprechende Sicherheit für kommende Unwägbarkeiten. Wir begleiten die Unternehmen nicht nur in guten, sondern auch in schwierigen Zeiten. Unsere Beteiligung wird als wirtschaftliches Eigenkapital bewertet und stärkt damit in der Regel das Rating. Fremdkapitalfinanzierungen werden auf diese Weise güns­tiger. Wir sehen uns nicht nur am Start, sondern auch auf der Strecke als ein strate­gischer Partner der Unternehmen.

Wie haben sich die Unternehmen aus ­Ihrem Portfolio in der Coronapandemie entwickelt?

Wir haben überraschenderweise bedeutend weniger Ausfälle, als wir ursprünglich befürchtet hatten. Die Corona-Hilfsprogramme von Bund und Land sowie die erweiterten Möglichkeiten der Kurzarbeit haben den Unternehmen sehr geholfen. Ich betreue aktuell fast 30 Unternehmen und ich sehe zahlreiche Fälle, bei denen die Corona­pandemie „überplant“ wurde und die negativen Prognosen nicht wie erwartet eingetreten sind. Und bei vielen Firmen sehe ich gute Zahlen aus dem ersten Quartal: Hier wurde die Krise als Chance genutzt, sich zu fokussieren. Statt mit Corona kämpfen viele Unternehmen inzwischen mit Lieferengpässen und Preissteigerungen für Vorprodukte.


Kurzprofil German Translation Network AG

Gründungsjahr: 2007

Branche: Full-Service-Übersetzungsanbieter

Unternehmenssitz: Freiburg i. Br.

Umsatz 2020: 11 Mio. EUR

Mitarbeiterzahl: 120

www.getranet.de

Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition 3/2021 erschienen.

Autorenprofil
Alexander Görbing

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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