Dr. Guohong Ye, ZF China: Nachwuchs gesucht (Ausgabe 5/2008)

Wie man in China erfahrene Ingenieure gewinnen kann

Erfahrene Ingenieure mit Fremdsprachenkenntnissen sind in China rar, die Nachfrage groß. In China sind über 20 Mio. Studierende eingeschrieben, jährlich gibt es über 4 Mio. Hochschulabgänger, und rund ein Drittel studiert ein ingenieurwissenschaftliches Fach.

Erfahrene Ingenieure mit Fremdsprachenkenntnissen sind in China rar, die Nachfrage groß. In China sind über 20 Mio. Studierende eingeschrieben, jährlich gibt es über 4 Mio. Hochschulabgänger, und rund ein Drittel studiert ein ingenieurwissenschaftliches Fach. Unternehmen, bei denen der Bedarf an Ingenieuren besonders groß ist, setzen deshalb auf Hochschulabgänger. Dabei bieten einige Universitäten sogar deutsch-chinesische Studiengänge an: so etwa die Tongji-Universität (Chinesisch-Deutsches Hochschulkolleg) in Shanghai oder die University of Shanghai for Science and Technology (USST) in Kooperation mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg.

Fremdsprachenkenntnisse gefragt
Nach einem Jahr intensiven Sprachunterrichts müssen die Studierenden in der Lage sein, deutschen Vorlesungen zu folgen. Um Mitarbeiter zu finden, die auch zum Unternehmen passen, unterhalten die Unternehmen enge Kontakte zu den Hochschulen, Mitarbeiter halten regelmäßig Gastvorträge und Vorlesungen. Auch die jungen Mitarbeiter selbst unterstützen die Akquisition von weiteren Nachwuchskräften. Zahlreiche Jungingenieure halten regelmäßig Kontakt zu den Studierenden und betreuen Praktikanten.

Team-Player gesucht
Zu westlichen Firmen passen vor allem motivierte Team-Player, die selbstständig an Problemlösungen arbeiten und sich mit dem Unternehmen und seinen Produkten identifizieren. Wie schwierig es ist, solche zu finden, unterstreicht eine aktuelle Umfrage, bei der 60% der Personalmanager angeben, dass sie im laufenden Jahr nicht damit rechnen, die passenden Mitarbeiter zu finden. Chinesische Absolventen sind sehr motiviert, lern- und wissbegierig. Allerdings fehlt es oftmals am praktischen Können und am fächerübergreifenden Wissen. Dies liegt zum einen am Schul- und Hochschulsystem, das stark auf Auswendiglernen und wenig auf selbstständiges Arbeiten setzt. Zum anderen aber auch an der mangelnden praktischen Erfahrung. So besitzen nur wenige Chinesen einen Führerschein oder gar ein eigenes Auto. Mehr und mehr Mitarbeiter des Engineering Center lernen, selbst Auto zu fahren, denn wer aus eigener Erfahrung weiß, wie sich Anfahren, Bremsen oder Schalten anfühlt, entwickelt ein anderes Verhältnis zur Fahrzeugtechnik und zu möglichen Problemlösungen.

Perspektive bieten
Wichtig dabei ist es, den Mitarbeitern zu vermitteln, dass sie vollwertiges Mitglied der Unternehmensfamilie sind. Gemeinsame Unternehmungen wie Messebesuche oder zusammen zum Essen zu gehen sind enorm wichtig für das Arbeitsklima und fördern die Identifikation mit dem Unternehmen. Das hilft, Mitarbeiter zu binden – keine Selbstverständlichkeit in der Region mit einer der höchsten Mitarbeiterfluktuationen der Welt. Geschäftsreisen oder Fortbildungsaufenthalte in Deutschland sind ein weiterer wichtiger Anreiz für die Nachwuchsingenieure, denn gute Studenten möchten gerne im Ausland arbeiten. Auslandsreisen auf eigene Faust sind für Chinesen sehr teuer und es ist schwierig, ein Visum zu bekommen. Wichtig für die langfristige Zufriedenheit ist auch, dass die Mitarbeiter im Unternehmen selbst eine Perspektive für ihr Weiterkommen sehen. Auch in China muss man in die Schulung und Fortbildung seiner Mitarbeiter investieren.

Führungskräfte sind gefordert
Auch die deutschen Führungskräfte müssen sich anderen Anforderungen stellen und die fremde Kultur respektieren. Obwohl in internationalen Wirtschaftszentren wie Shanghai die westlichen Einflüsse sehr stark sind, spielt die Angst vor dem Gesichtsverlust noch eine große Rolle, und die Vorbildfunktion des Vorgesetzten ist ausgeprägter als im Westen. So muss eine Führungskraft stets die Beherrschung bewahren. Ein Temperamentsausbruch, der in Europa als völlig normal gilt, ist in China ein Zeichen der Schwäche und bedeutet somit den Gesichtsverlust. Auch Lob und Tadel müssen bedacht dosiert werden. Ja, sogar Lob: Denn wenn ein Team-Mitglied vor den Kollegen gelobt wird, schließen die anderen daraus sofort auf mangelhafte eigene Leistungen. In einem besonderen Punkt ist China Europa übrigens weit voraus: Ohne Quote und spezielle Programme entscheiden sich hier Frauen ganz selbstverständlich für ein technisches Studium.

Zum Autor: Dr. Guohong Ye
Dr. Guohong Ye ist Präsident von ZF China. Die ZF Friedrichshafen AG ist ein Automobilzulieferer in der Antriebs- und Fahrwerktechnik. ZF beschäftigt an 120 Standorten in 25 Ländern rund 60.000 Mitarbeiter, davon etwa 23.000 im Ausland. Im Jahr 2007 erzielte ZF einen Umsatz von 12.649 Mio. Euro. In China ist ZF seit 1980 vertreten und fertigt an 19 Produktionsstandorten u.a. Antriebs- und Fahrwerkkomponenten, Pkw- und Nutzfahrzeuggetriebe oder Achssysteme. www.zf.com

Autorenprofil

Dr. Guohong Ye ist Präsident von ZF China. Die ZF Friedrichshafen AG ist ein Automobilzulieferer in der Antriebs- und Fahrwerktechnik. ZF beschäftigt an 120 Standorten in 25 Ländern rund 60.000 Mitarbeiter, davon etwa 23.000 im Ausland. Im Jahr 2007 erzielte ZF einen Umsatz von 12.649 Mio. Euro. In China ist ZF seit 1980 vertreten und fertigt an 19 Produktionsstandorten u.a. Antriebs- und Fahrwerkkomponenten, Pkw- und Nutzfahrzeuggetriebe oder Achssysteme. www.zf.com

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