Unternehmensnachfolge: „Die Vermittlung sollte zielgerichtet und vertraulich sein“

Interview mit Frank Bartelsen, Projektleiter Nachfolgezentrale Mecklenburg-Vorpommern (MV), Schwerin

Foto: © AdobeStock_Kiattisak

Mecklenburg-Vorpommern hat im Vergleich zu anderen Bundesländern wenig große Familienunternehmen, aber dafür viele kleine und mittlere. Mit der „Nachfolgezentrale MV“ wurde hier vor vier Jahren eine der ersten Matchingplattformen zur Vermittlung von Unternehmensnachfolgen speziell für ein Bundesland ins Leben gerufen. Wir sprachen mit Projektleiter Frank Bartelsen. 

Unternehmeredition: Herr Bartelsen, Sie und Ihr Team haben 2018 die Nachfolgezentrale MV ins Leben gerufen. Warum?

Das Team der Nachfolgezentrale MV: v. li. Frank Bartelsen, Barbara Steinbrueckner und Beate Somschor; Foto: © Ecki Raff

Frank Bartelsen: Die Vermittlung ist ein sehr zentrales Thema. Es gibt das bundesweite Portal nexxt change und darüber hinaus zahlreiche kommerzielle Portale. Allerdings reichen diese vorhandenen Instrumente bei Weitem nicht aus. Das Problem ist, dass die Unternehmen ihren Fall nicht an die große Glocke hängen möchten. nexxt change ist inseratsbasiert und da Nachfolgeinteressierte tendenziell keine Inserate aufgeben, mangelt es schlichtweg an Angeboten.

Die kommerziellen Portale weisen ebenfalls Defizite auf. Weil sie kommerziell sind, empfangen sie Aufträge nicht in der Breite. Und es sind Hemmschwellen da, weil man sich nicht sicher sein kann, dass ein Angebot seriös ist. Häufig ist auch eine Motivation damit verbunden, Beratungsmandate zu generieren. Deshalb werden diese Portale nicht besonders intensiv genutzt. Hinzu kommt, dass sich das Angebot schwerpunktmäßig an größere Unternehmen richtet, kleine und mittelständische Unternehmen sind weniger von Interesse.

Ein erheblicher Teil der Unternehmerschaft schreckt auch davor zurück, die Anzeige anonym zu schalten. Der Grund: Innerhalb weniger Tage und Wochen werden sie massiv kontaktiert. Dabei besteht die Schwierigkeit, seriöse von unseriösen Anfragen zu unterscheiden. Mit jeder Kommunikation, auf die sich Unternehmer einlassen, laufen sie zudem Gefahr, ihre Identität preiszugeben und Mitarbeiter, Kunden oder Lieferanten zu verunsichern.

Was machen Sie besser?

Aus dieser Erkenntnis heraus haben wir unser Konzept entwickelt mit dem Ziel, eine zielgerichtete und vertrauliche Vermittlung zu schaffen. Zielgerichtet bedeutet für uns, dass wir den Erfolg nicht dem Zufall überlassen und nicht Leute aufeinander loslaufen lassen, die gar nicht zueinander passen, sondern wir steuern das ganze durch persönliche Man-and-Woman-Power, aktuell sind wir ein vierköpfiges Team. Wir verstehen uns dabei als Suchmanager. Beide Seiten können uns über das Portal, das wir selbst entwickelt haben, gemeinsam mit ihrem Dienstleister Suchaufträge erteilen. Das betrifft sowohl Unternehmer und Nachfolgeinteressierte, aber auch das breite Netzwerk rund um die Unternehmerschaft: dazu gehören Steuerberater, Kreditinstitute und Wirtschaftskammern.

Was kostet Ihre Dienstleistung?

Durch öffentliche Förderung und Beiträge der Kammern wie der Bürgschaftsbank Mecklenburg-Vorpommern als Projektträgerin bieten wir diese Dienstleistung allen Beteiligten derzeit noch kostenfrei an. Grundsätzlich ist jedoch nicht einzusehen, warum Profiteure unserer Dienstleistung nicht auch einen Beitrag zahlen sollten. Wir haben jetzt einen Zeitpunkt erreicht, wo sich das Projekt gut etabliert hat, sich herumgesprochen hat, dass es funktioniert, und wir sehr viele Empfehlungen bekommen. Wir planen deshalb, ab nächstem Jahr ein Bezahlmodell einzuführen, das jedoch nur von Unternehmerseite und auch nur im Erfolgsfall gezahlt werden soll.

Was sind Ihre Matchingkriterien und wie funktioniert die Vermittlung bei Ihnen?

Zu den Eckdaten, die wir abfragen, zählen etwa die Branche, die geografische Lage, die geografische Präferenz, die Betriebsgröße, der Umsatz, die Mitarbeiter, die Kaufpreisvorstellung. Weitere Details sind zum Beispiel, ob Immobilieneigentum mitverkauft werden soll, eine Einarbeitung ermöglicht wird et cetera. Solche Angaben lassen sich elektronisch sehr gut abgleichen. Für die Matches werden dann Punkte vergeben. Die Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung wird in Matchlisten angezeigt. Dann beginnt der Kontaktanbahnungsprozess.

Als Berater nehmen wir uns diese Matchlisten vor und bilden uns unsere eigene Meinung dazu. Innerhalb von 24 Stunden nach Auftragseingang nehmen wir persönlichen Kontakt auf und vereinbaren einen Interviewtermin. Im Gespräch mit dem Unternehmer lassen wir uns erklären, welche Fähigkeiten und Qualifikationen der Nachfolger idealerweise mitbringen sollte. Dem Nachfolgeinteressierten stellen wir das Unternehmen zunächst anonym vor. Wenn der Nachfolger grundsätzlich interessiert und bereit ist, stellen wir ihn dem Unternehmer vor, das heißt der Unternehmer bekommt eine E-Mail mit der Vorstellung des Interessierten. Nachfolgeinteressierte bekommen ebenfalls eine E-Mail mit den Kontaktdaten und weiteren Infos zum Unternehmen. Außerdem muss eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterzeichnet werden. In 95% der Fälle trifft man sich. Wir koordinieren noch den Termin und überlassen das Gespräch dann den Beteiligten. Unsere Tätigkeit in der konkreten Sache endet damit. Aber natürlich suchen wir stetig weiter und stehen als neutrale Instanz weiter beratend zur Seite.

Sie sind nun vier Jahre am Markt. Wie ist Ihre Erfolgsbilanz?

Wir sind seit unserem Start permanent gewachsen und zählen heute 500 Inserenten auf Unternehmerseite und 1.200 Kontakte auf Nachfolgerseite, wobei die beiden Zahlen stetig steigen. Seitdem haben wir 810-mal Nachfolgesuchende mit potenziellen Nachfolgern an einen Tisch gebracht. Kamen anfangs ein- bis zweimal im Monat Treffen zustande, sitzen inzwischen 25- bis 40-mal im Monat Leute auf unsere Vermittlung hin an einem Tisch. Mit den Übergaben klappt es zwar noch nicht ganz so häufig, aber auch hier verzeichnen wir ein Wachstum. Insgesamt haben wir bis jetzt 34 Übergaben erfolgreich auf den Weg gebracht mit steigender Tendenz: 2022 waren es 15 und im Jahr 2023 bereits drei erfolgreiche Übergaben. Energiekrise und Ukrainethematik haben eine Reihe von Anbahnungen hinausgezögert. Außerdem muss man sich natürlich im Klaren darüber sein, dass eine solche Vermittlungsarbeit ein Langstrecken- und kein Kurz- oder Mittelstreckenlauf ist.

Mecklenburg-Vorpommern ist hier ja Vorreiter. Haben sich inzwischen ähnliche Plattformen in anderen Bundesländern etabliert?

Es gab etliche Interessenbekundungen. Vor Corona haben Hamburg und Schleswig-Holstein bei uns angefragt, später Sachsen, Rheinland-Pfalz und Berlin-Brandenburg. Die Gründe, dass es bis jetzt noch nicht funktioniert hat, liegen im Organisatorischen. Es ist nicht so leicht, alle Wirtschaftskammern eines Bundeslandes unter einen Hut zu bringen und es gibt auf Bundeslandebene viele bürokratische Hürden. Wir sind auf jeden Fall offen dafür, unser Konzept vorzustellen und gegen Gebühr eine Softwarelizenz zu vergeben. Wenn es so etwas überregional gäbe, würde das dem Projekt helfen und seine Strahlkraft erhöhen.

Herr Bartelsen, wir danken Ihnen für das Gespräch!


ZUR PERSON

Frank Bartelsen ist Projektleiter bei der Nachfolgezentrale MV. Der Bankfachwirt war jahrelang im Bankbereich tätig und verfügt über große Erfahrungen im Privat- und Firmenkreditgeschäft.

www.nachfolgezentrale-mv.de

 

 

Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 1/2023 mit Themenschwerpunkt “Unternehmensnachfolge”.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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