Umsetzung der globalen Mindeststeuer in Deutschland

Bundestag beschließt Gesetz zur Umsetzung der Mindestbesteuerungsrichtlinie / Bundesrat soll noch 2023 zustimmen

Globale Mindeststeuer: Am 10. November 2023 beschloss der Bun­destag das Gesetz zur Umsetzung der Min­dest­be­steue­rungs­richt­li­nie.
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Am 10. November 2023 beschloss der Bun­destag das Gesetz zur Umsetzung der Min­dest­be­steue­rungs­richt­li­nie. Da­mit wird kon­kret, wel­che Vor­ga­ben große Un­ter­neh­mens­grup­pen im Rahmen der globalen Mindeststeuer in Deutsch­land ab grundsätzlich 2024 zu erfüllen haben. Es handelt sich um die wohl größte Steuerreform der letzten Jahrzehnte mit einem vollkommen neuen und in Teilen hochkomplexen Regelwerk. Betroffene Unternehmen sehen sich umfassenden und ressourcenintensiven Compliance-Verpflichtungen gegenüber.

Im Rah­men des BEPS 2.0 Pro­jekts der OECD ha­ben sich 2021 rund 140 Staa­ten auf die Einführung ei­ner glo­ba­len Min­dest­steuer ge­ei­nigt, auch be­kannt un­ter der Be­zeich­nung „Glo­bal Anti-Base Ero­sion Ru­les“ (GloBE) oder Pil­lar 2.

Um eine ein­heit­li­che Einführung und Aus­ge­stal­tung der An­wen­dung der glo­ba­len Min­dest­steuer im EU-Raum si­cher­zu­stel­len, be­schloss der Rat der Eu­ropäischen Union am 15. Dezember 2022 die Min­dest­be­steue­rungs­richt­li­nie (Richt­li­nie (EU) 2022/2523, Abl L 328 vom 22. Dezember 2022, S. 1, be­rich­tigt in ABl. L 13 vom 16. Januar 2023, S. 9). Darin wer­den die EU-Mit­glied­staa­ten ver­pflich­tet, die Vor­ga­ben die­ser Richt­li­nie bis 31. Dezember 2023 in na­tio­na­les Recht um­zu­set­zen.

Mit dem nun am 10. November 2023 be­schlos­se­nen Ge­set­z zur Um­set­zung der Richt­li­nie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewähr­leis­tung ei­ner glo­ba­len Min­dest­be­steue­rung und weiterer Begleitmaßnahmen (Min­dest­be­steue­rungs­richt­li­nie-Um­set­zungs­ge­setz) wird geregelt, wie die globale Mindeststeuer in Deutsch­land konkret zur Anwendung kommt. Um Gesetzeskraft zu erlangen, bedarf das Gesetz der Zustimmung des Bundesrats, mit der noch 2023 zu rechnen ist.

Das nun beschlossene Gesetz be­inhal­tet neben der Einführung ei­nes neuen Stamm­ge­set­zes zur Gewähr­leis­tung ei­ner glo­ba­len Min­dest­be­steue­rung für Un­ter­neh­mens­grup­pen (Min­dest­steu­er­ge­setz, kurz Min­StG) zudem eine Herabsenkung der Niedrigsteuerschwelle von 25% auf 15% im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff AStG und der Lizenzschranke nach § 4j EStG.

Um was geht es bei der globalen Mindeststeuer?

Große Un­ter­neh­mens­grup­pen werden dazu ver­pflich­tet, erst­mals in dem nach dem 30. Dezember 2023 be­gin­nen­den Wirt­schafts­jahr zu prüfen, ob die Gewinne al­ler Grup­pen­mit­glie­der in den Ju­ris­dik­tio­nen ih­rer Ansässig­keits­staa­ten ei­ner Be­steue­rung von ef­fek­tiv min­des­tens 15% un­ter­liegen. Wird die­ser ef­fek­tive Min­dest­steu­er­satz un­ter­schrit­ten, ist grundsätz­lich auf Ebene der obers­ten Mut­ter­ge­sell­schaft eine zusätz­li­che Steuer in Höhe der Dif­fe­renz zum Min­dest­steu­er­satz von 15% zu zah­len.

Wer ist betroffen?

Der glo­ba­len Min­dest­steuer un­ter­lie­gen mul­ti­na­tio­nale so­wie na­tio­nale Kon­zerne mit einem Ge­samt­jah­res­um­satz von min­des­tens 750 Mio. EUR in min­des­tens zwei der vier vor­an­ge­hen­den Ge­schäfts­jah­re. Ist eine Kon­zern­ein­heit ei­nes sol­chen Kon­zerns in Deutsch­land be­le­gen, kommt grundsätz­lich das neue Min­StG zur Anwendung. Aus dem An­wen­dungs­be­reich aus­ge­nom­men sind al­ler­dings unter anderem Non-Pro­fit Or­ga­ni­sa­tio­nen, staat­li­che Ein­hei­ten, in­ter­na­tio­nale Or­ga­ni­sa­tio­nen und Pen­si­ons­ein­hei­ten.

Was ist zu ermitteln?

Um prüfen zu können, ob die Ge­schäfts­ein­hei­ten der Un­ter­neh­mens­gruppe, die in einem Steu­er­ho­heits­ge­biet ansässig sind, ei­ner Steu­er­be­las­tung in Höhe von min­des­tens 15% un­ter­lie­gen, sind die „an­ge­pass­ten er­fass­ten Steu­ern“ und der für Zwecke der Min­dest­steuer an­ge­passte Ge­winn (sogenannter Min­dest­steuer-Ge­winn bzw. -Ver­lust) her­an­zu­zie­hen. Das Verhält­nis hier­aus er­gibt den ef­fek­ti­ven Steu­er­satz. Meh­rere Ge­schäfts­ein­hei­ten in einem Steu­er­ho­heits­ge­biet sind dazu zu­sam­men­zu­fas­sen (Ju­ris­dic­tio­nal Blen­ding).

Die „angepassten er­fass­ten Steu­ern“ und der Min­dest­steuer-Ge­winn bzw. -Ver­lust wer­den auf der Grund­lage des Er­geb­nis­ses ermittelt, das in dem nach einem an­er­kann­ten Rech­nungs­le­gungs­stan­dard auf­ge­stell­ten Kon­zern­ab­schluss (z.B. IFRS oder HGB) aus­ge­wie­sen ist (HB II-Ergebnis). Al­ler­dings sind noch zahl­rei­che An­pas­sun­gen vor­zu­neh­men. Die im HB II-Ergebnis aus­ge­wie­se­nen er­fass­ten Steu­ern umfassen auch la­tente Steu­ern. Laufende wie latente Steuerpositionen sind um zahlreiche Hinzurechnungen und Kürzungen zu modifizieren. Auch zur Be­rech­nung des Min­dest­steuer-Ge­winns bzw. -Ver­lusts sind zahl­rei­che An­pas­sun­gen an dem in der HB II aus­ge­wie­se­nen Er­geb­nis vor­zu­neh­men.

Hin­weis: In dem nun im Bundestag beschlossenen Gesetz wurden in Ergänzung zum ursprünglichen Gesetzentwurf noch einige Regelungen aufgenommen, mit denen den zwischenzeitlich ergangenen Vorgaben und Verlautbarungen auf OECD-Ebene Rechnung getragen wird.  Zudem wurden Öffnungsklauseln ergänzt, um das MinStG an künftige international beschlossene Standards anpassen zu können.

Wie erfolgt die Mindestbesteuerung?

Un­ter­schrei­tet der ef­fek­tive Steu­er­satz von Ge­schäfts­ein­hei­ten der Gruppe in einem Steu­er­ho­heits­ge­biet den Min­dest­steu­er­satz von 15%, ist nach der sogenannten Primärergänzungs­steu­er­re­ge­lung grundsätz­lich die ober­ste Mut­ter­ge­sell­schaft ver­pflich­tet, einen ent­spre­chen­den Steu­er­erhöhungs­be­trag ab­zuführen. Im Falle ei­ner in Deutsch­land be­le­ge­nen obers­ten Mut­ter­ge­sell­schaft wäre diese so­mit zur Steu­er­zah­lung ge­genüber dem deut­schen Fis­kus ver­pflich­tet.

Im MinStG wird zu­dem von der Möglich­keit Ge­brauch ge­macht, eine na­tio­nale Ergänzungs­steuer ein­zuführen. Soll­ten die im In­land be­le­ge­nen Ge­schäfts­ein­hei­ten eines ausländischen Konzerns ei­ner ef­fek­ti­ven Steuer von un­ter 15% un­ter­lie­gen, kommt die na­tio­nale Ergänzungs­steuer zur An­wen­dung. Auf Ebene der im Ausland ansässigen obers­ten Mut­ter­ge­sell­schaft kann es dann grundsätzlich zur Berücksichtigung die­ser na­tio­na­len Ergänzungs­steuer kommen.

So­fern die Primärergänzungs­steu­er­re­ge­lung nicht greift, weil im Ansässig­keits­staat der obers­ten Mut­ter­ge­sell­schaft keine ent­spre­chende Re­ge­lung be­steht und die Min­dest­be­steue­rung auch nicht auf Ebene ei­ner zwi­schen­ge­schal­te­ten Mut­ter­ge­sell­schaft er­folgt, sieht das Gesetz als Auf­fan­gre­ge­lung die Se­kundärergänzungs­steu­er­re­ge­lung vor, die erst­mals auf nach dem 30. Dezember 2024 be­gin­nende Ge­schäfts­jahre an­zu­wen­den ist. Dazu ist den im In­land steu­er­pflich­ti­gen Ge­schäfts­ein­heiten ein an­tei­li­ger Steu­er­erhöhungs­be­trag für die ge­samte Gruppe zu­zu­rech­nen.

Welche Erklärungen sind zu übermitteln?

Jede steu­er­pflich­tige Ge­schäfts­ein­heit im In­land hat dem Bun­des­zen­tral­amt für Steu­ern grundsätz­lich bis spätes­tens 15 Mo­nate (bzw. im Erst­jahr der An­wen­dung 18 Mo­nate) nach Ende des Ge­schäfts­jah­res einen Min­dest­steuer-Be­richt zu über­mit­teln. Darin müssen alle für die Be­rech­nung ei­nes et­wai­gen Steu­er­erhöhungs­be­trags er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen ent­hal­ten sein.

Eine in Deutsch­land ansässige Mut­ter­ge­sell­schaft, die Grup­penträger ei­ner sogenannten Min­dest­steu­er­gruppe (be­ste­hend aus al­len im In­land be­le­ge­nen Ge­schäfts­ein­hei­ten) ist, hat bis zum Ab­lauf der vor­ge­nann­ten Frist für alle inländi­schen Ge­schäfts­ein­hei­ten eine Steu­er­erklärung ab­zu­ge­ben, in der sie den Steu­er­erhöhungs­be­trag selbst zu be­rech­nen und in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Über­mitt­lung der An­mel­dung zu ent­rich­ten hat.

Gibt es Erleichterungen?

Befristete Safe Har­bour-Re­ge­lun­gen, die sich auf Da­ten aus dem Coun­try-by-Coun­try-Re­por­ting (CbCR) be­zie­hen, se­hen vor, dass auf An­trag für ein Steu­er­ho­heits­ge­biet ein Steu­er­erhöhungs­be­trag von Null Euro an­ge­nom­men wird, wenn für die­ses Steu­er­ho­heits­ge­biet ei­ner der fol­gen­den drei Tests erfüllt ist:

  • „De-Mi­ni­mis-Test“: Um­sat­zerlöse von we­ni­ger als 10 Mio. EUR und Ge­winn vor Steu­ern von we­ni­ger als 1 Mio. EUR laut CbCR
  • „Ver­ein­fach­ter Ef­fec­tive Tax Rate-Test“: Ef­fek­ti­ver Steu­er­satz be­rech­net auf Ba­sis der CbCR-Da­ten und des maßgeblichen Ertragsteueraufwands (nebst be­stimm­ter Mo­di­fi­ka­tio­nen) von min­des­tens 15% (in 2024), 16% (in 2025) bzw. 17% (2026)
  • „Sub­stanz­test“: Ge­winn vor Steu­ern laut CbCR ent­spricht ma­xi­mal dem sogenannten sub­stanz­ba­sier­ten Frei­be­trag (er­mit­telt an­hand von Lohn­kos­ten und ma­te­ri­el­len Vermögens­wer­ten).

Diese Er­leich­te­run­gen gelten für eine Überg­angs­zeit, die in der Regel die Wirtschaftsjahre 2024, 2025 und 2026 umfassen.

Übt die Un­ter­neh­mens­gruppe nur in un­ter­ge­ord­ne­tem Um­fang in­ter­na­tio­nale Tätig­kei­ten aus, ist zu­dem un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen eine Be­frei­ung in den ers­ten fünf Jah­ren der An­wen­dung der Min­dest­steuer vor­ge­se­hen. Beschlossen wurde fer­ner eine Safe Harbour- Regelung für den Fall, dass auf Ebene ausländischer Tochtergesellschaften be­reits eine anerkannte na­tio­nale Ergänzungs­steuer er­ho­ben wird. Im Vergleich zur vorherigen Entwurfsfassung sieht das vom Bundestag beschlossene Gesetz einige verschärfende Voraussetzungen für diese Safe Harbour-Regelung bei anerkannter nationaler Ergänzungssteuer vor.

Hinweis: Auch wenn diese temporären Vereinfachungsregelungen greifen, sind grundsätzlich die oben dargestellten Deklarationspflichten zu erfüllen. Das MinStG sieht hierzu gleichwohl eine Öffnungsklausel vor, wonach das BMF mit Zustimmung des Bundesrats u. a. den Umfang und die nähere Ausgestaltung des Mindeststeuer-Berichts regeln kann. Auf OECD-Ebene wurden bereits im Juli 2023 Vereinfachungen in der Deklarationstiefe beschlossen, die insbesondere zur Anwendung gelangen sollen, wenn von den oben genannten CbCR basierten Safe Harbour-Regelungen Gebrauch gemacht werden kann. Es bleibt zu hoffen, dass das BMF die OECD-Vorgaben entsprechend umsetzt.

Zeitlich unbegrenzt ist zudem für unwesentliche Geschäftseinheiten vorgesehen, dass sich der Steuererhöhungsbetrag auf Null Euro reduziert, wenn ein Antrag gestellt und die Voraussetzungen dazu erfüllt sind. Als unwesentliche Geschäftseinheit gilt dabei eine Gesellschaft, die nach Wesentlichkeitserwägungen nicht in den testierten Konzernabschluss einbezogen wird. Zudem muss einer von drei alternativen Tests erfüllt sein, die wiederum auf vereinfachten Berechnungen auf Basis von CbCR-Daten fußen. Diese unbefristeten Tests entsprechen jedoch nur auf den ersten Blick den zeitlich begrenzten CbCR basierten Safe Harbour-Regelungen.

FAZIT

Be­trof­fene Un­ter­neh­men müssen sich − soweit nicht bereits geschehen − in­ten­siv mit den Vor­ga­ben zur Er­mitt­lung der Be­rech­nungs­grund­la­gen für die Prüfung des ef­fek­ti­ven Steu­er­sat­zes aus­ein­an­der­set­zen. Da­bei kann der im je­wei­li­gen Steu­er­ho­heits­ge­biet vor­ge­se­hene No­mi­nal­steu­er­satz nicht mehr als nur einen groben Hin­weis auf et­waig zu zah­lende Ergänzungs­steu­ern ge­ben. Denn durch die um­fang­rei­chen An­pas­sun­gen so­wohl des maßgeb­li­chen Mindeststeuer-Ge­winns als auch der zu berück­sich­ti­gen­den Steu­ern können sich hier er­heb­li­che Ab­wei­chun­gen er­ge­ben. Un­erläss­lich zur Er­mitt­lung der Be­rech­nungs­grund­la­gen wird da­bei ein ent­spre­chend an­ge­pass­tes kon­zern­in­ter­nes Re­por­ting sein, das weit über die bis­he­ri­gen Re­por­ting Pa­cka­ges im Zu­sam­men­hang mit der Kon­zern­rech­nungs­le­gung hin­aus­geht.

Autorenprofil
Dr. Daniel Zöller

Dr. Daniel Zöller ist Steuerberater und Partner bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen insbesondere im internationalen Steuerrecht. Daneben berät er bei Umstrukturierungen mittelständischer Unternehmen und begleitet anspruchsvolle Betriebsprüfungen. Weitere Themenschwerpunkte liegen im Bereich der Quellensteuern, des Außensteuerrechts, der Wegzugsbesteuerung und der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten. Darüber hinaus ist der Autor zahlreicher Fachpublikationen sowie Mitglied im Aus­schuss für steu­er­li­che Markt­ent­wick­lung bei RSM Ebner Stolz und im Center of Com­pe­tence In­ter­na­tio­na­les Steu­er­recht.

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