Über Crowdfunding zur Barfußkultur

Wie Wildling Shoes seine Minimalschuhe etabliert

Model mit Wildling-Schuhen: Bewegungsfreiheit über eine natürliche Fußmuskulatur

Durch eine neue Lebenssituation fand ein Ehepaar eine Marktlücke. Alles wurde auf eine Karte gesetzt. Am Ende war die Schwarmfinanzierung ein Schlüssel zum Erfolg für Wildling Shoes.

Eine unternehmerische Idee entsteht oft aus einem alltäglichen Bedürfnis: Die Familie Yona lebte über Jahre in Israel. 2013 kam der spontane Umbruch. Anna und Ran Yona zogen mit ihren Kindern nach Nordrhein-Westfalen. Die neue Lebenssituation verlangte zum einen berufliche Umorientierung, zum anderen eine Anpassung an eine andere Klimazone. Beides zusammen gab den entscheidenden Anstoß für eine Geschäftsidee. Während die Kinder im warmen Israel noch überall barfuß herumliefen, war es dafür gerade im deutschen Winter zu kalt. Doch die Eltern wollten den Kindern die Bewegungsfreiheit und die natürliche Entwicklung der Fußmuskulatur erhalten. Die Suche nach einem sogenannten Minimal- oder Barfußschuh, der den größtmöglichen Spielraum für Füße lässt und trotzdem vor Verletzungen und Kälte schützt, blieb erfolglos.

Dies war der Moment, in dem das Ehepaar beschloss, die Marktlücke zu schließen und Barfußschuhe für Kinder zu entwickeln. „Wir hatten ja beide erst gar keine Ahnung vom Schuhemachen“, gibt Anna Yona zu. Der Weg von der Idee bis zum ersten Prototypen war lang: Anderthalb Jahre bereiteten Anna und Ran Yona die Gründung vor. Sie wandten sich an entsprechende Fachleute, waren auf Messen und fanden ein altes Familienunternehmen in Portugal, das bereit war, die besonderen Schuhe herzustellen. Nachdem sich die Kompetenzen für Minimalschuhe über die Zeit bei den Yonas gebündelt hatten, war es im Frühjahr 2015 so weit – der Prototyp war fertig und wurde ausgiebig getestet. Die Geduld hat sich laut Anna Yona gelohnt: „Der erste Schuh war einfach gut, so, wie er sein sollte.“ Das war die Geburtsstunde von Wildling Shoes.

Die Finanzierung: Crowdfunding als finaler Schritt

Eine Marktlücke sowie Expertise sind die Voraussetzungen für eine Unternehmensgründung. Die Finanzierung steht aber auf einem anderen Blatt.

Ran Yona betrieb in Israel ein Fitnessstudio, doch dessen Verkauf reichte nicht als Startkapital, um den Prototypen herzustellen. Daraufhin beantragten Ran und Anna bei der KfW einen Gründerkredit. Mit Erfolg: Beide zusammen konnten nun mit einem Startgeld von 150.000 Euro das erste Modell zu entwickeln. Die Modellierung der Sohle und Formen eines Schuhmodells in verschiedenen Größen verschlang alleine 70.000 Euro. Dazu kamen Kosten für Geschäftsreisen nach Portugal, Materialsuche und Marketing.

„Das waren schon ordentliche Summen, die wir hier auf die Straße bringen mussten. Es kommt darauf an, wie viel Geld man auf der hohen Kante hat – bei uns hätte das nicht gereicht“, gibt Anna zu. Nun kam der buchstäblich finale und entscheidende Schritt, der zum erfolgreichen Start der Unternehmensgründung von Wildling führte: Crowdfunding.

Hingucker Barfußschuh: Entscheidend für die erfolgreiche Kampagne über Kickstarter war ein hochwertiges Video.

Wildling wollte mit der Schwarmfinanzierung mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Es ging unter anderem um den Austausch mit potenziellen Kunden und den ersten Absatz von Schuhen durch die Spender. Das Konzept ist simpel. Es gilt, in der Kampagne potenzielle Kunden von Wildling zu begeistern, damit diese für eine vorab gezahlte Spendensumme später einen physischen Gegenwert erhalten: in diesem Fall ein Paar Wildling-Schuhe. Es gibt einige Plattformen, die den Kontakt von Unternehmensgründern und Spendern ermöglichen. Wildling entschied sich für die Crowdfunding-Website Kickstarter. Kickstarter ist international ausgerichtet; dadurch versprach sich Wildling ein größeres Spektrum an Interessenten. „Entscheidend für eine erfolgreiche Kampagne ist ein hochwertiges Video, das die Marke direkt transportiert und Vertrauen schafft“, bekräftigt Anna Yona. Mit Herzklopfen wurde die Kampagne freigeschaltet – es besteht das Risiko, dass die Kampagne nicht zündet. Doch die Investition in ein teures Werbevideo hat sich ausgezahlt: Das angesetzte Funding-Ziel von 15.000 Euro erreichten die beiden bereits innerhalb von 24 Stunden. Der Vorverkauf von Schuhen lief weiter, bis die Schwarmfinanzierung schließlich 100.000 Euro einbrachte.

Gründer und Kunden wachsen zusammen

Das Risiko ist groß, dass das Funding-Ziel nicht erreicht wird und die Kampagne zu wenige Unterstützer findet. Karsten Wenzlaff, Geschäftsführer vom Bundesverband für Crowdfunding, muss es wissen: Für ihn sind die wichtigsten Faktoren für eine gelungene Schwarmfinanzierung Authentizität, die adäquate Höhe des Funding-Ziels und dass das Produkt innovativ ist sowie emotional begeistert.

Wenn diese Voraussetzungen stimmen, liegen Vorteile des Crowdfunding in der Verknüpfung von Finanzierung, Marketing, Marktforschung und dem Aufbau einer Community, die mehr bietet als den reinen Absatz. Anna Yona konnte dadurch etwa erfahren, dass ihre Unterstützer sich auch Barfußschuhe für Erwachsene wünschen. Heute sind die Erwachsenenschuhe bei Wildling das umsatzstärkste Segment .

Bei Wildling ist aus der Crowdfunding Fanbase heute, knapp vier Jahre später, ein gestandenes Unternehmen mit über 70 Mitarbeitern und rund 80.000 verkauften Schuhen im Geschäftsjahr 2018 geworden. Anna Yona ist überzeugt, dass der Kundenstamm der ersten Stunde noch heute den Kern der Community entscheidend prägt: „Von Anfang an als Unterstützer dabei zu sein schafft Identifikation. Wir pflegen nach wie vor eine sehr offene und transparente Kommunikation.“


„Wir sind raus aus der heißen Start-up-Phase“

Interview mit Anna Yona, Gründerin und Geschäftsführerin von Wildling Shoes GmbH

Frau Yona, welchen Unterschied bieten Ihre Barfußschuhe im Vergleich zu konventionellen Schuhen?

Wir sind mit unserem gesamten Bewegungsapparat darauf ausgerichtet, Barfuß zu laufen – auf natürlichen, flachen oder unebenen Untergründen. Je mehr der Fuß gedämpft wird, zum Beispiel durch eine dicke Sohle, desto weniger nimmt der Körper wahr, wie die Untergrundbeschaffenheit ist. Und während unser Körper von Natur aus ein perfektes Dämpfungssystem mitbringt, schalte ich das durch eine Sohlendämpfung quasi aus.

In Ihrem Portfolio stellen Sie die Naturverbundenheit des Menschen dar. Welche Rolle spielt in dem Zusammenhang eine faire und nachhaltige Produktion?

Für uns war von Anfang an klar, dass dies kein USP, sondern eine Selbstverständlichkeit ist.  Der Markenkern und die Funktion unserer Schuhe ist das, was in erster Linie überzeugt. Obwohl die nachhaltige Herstellung unserer Schuhe nie unser Alleinstellungsmerkmal sein sollte, heben wir uns damit natürlich von anderen ab. Es ist Teil des Konzepts, das es für viele Kunden rund macht.

Welche Zukunftspläne haben Sie für Wildling?

Unsere Vision ist es, etwas zu bewegen. Einerseits können sich die Menschen durch unsere Schuhe freier bewegen und andererseits bewegen wir etwas in den Köpfen. Wir sind innovativ und probieren viel aus. Jetzt, wo wir aus der heißen Start-up-Phase heraus sind, müssen wir nicht mehr nur reagieren, sondern können agieren – das bedeutet, nachhaltig fair zu handeln und dabei wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Als Schuhhersteller hinterlassen wir eben auch einen ökologischen Fußabdruck.

Kurzprofil Wildling Shoes GmbH

Gründungsjahr 2015
Branche Schuhbranche
Unternehmenssitz Gummersbach
Umsatz 2018
keine Angabe
Mitarbeiter
70

www.wildling.shoes

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