Supply Chain Finance

Der kleine Zulieferbetrieb profitiert also von der Bonität des Herstellers und von günstigeren Kreditkonditionen – hier spricht man auch von einer Bonitätsleihe. Dennoch muss der Lieferant einen Abschlag vom ursprünglichen Rechnungsbetrag hinnehmen. Die Gebühr liegt z.B. beim Supply-Chain-Finance-Programm von Siemens bei 1,3 Prozent pro Jahr plus aktuell gültigem Euro-LIBOR-Zinssatz.

Dennoch lohnt sich sich die Teilnahme an einem solchen Programm für Lieferanten. Sogar dann, wenn die Firma keine finanziellen Schwierigkeiten hat, meint Prof. Dr. Armin Schwolgin, Studiengangsleiter BWL-Spedition, Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach: „Der Mittelständler kalkuliert oft die Eigenkapitalkosten nicht. Aber gebundenes Eigenkapital kostet auch Geld, sodass es durchaus für ein gut aufgestelltes Unternehmen mit hoher Eigenkapitalquote Sinn macht, Supply Chain Finance zu nutzen und so seinen Cashflow zu optimieren.“

„Die Lücke überbrücken“ – mit Bestandsfinanzierung

Der Begriff Supply Chain Finance wird in der Regel mit dem Bereitstellen eines Programms in Verbindung gebracht, das den Zahlungsverkehr zwischen einkaufendem Unternehmen, dessen Lieferanten und der Bank regelt. Siemens, die HypoVereinsbank und einige unabhängige Anbieter haben z.B. Plattformen eingerichtet, wo Lieferanten ihre Forderungen einstellen können. Mehrere Banken, Finanzinstitute oder Investoren können diese Forderungen dann über diese Plattform finanzieren.

Daneben bieten auch Logistikdienstleister oder Finanzierungsdienstleister eine Bestandsfinanzierung an. Sie nehmen dafür die physische Lieferkette und die Beziehungen zwischen den Supply-Chain-Partnern genau unter die Lupe, bewerten die Risiken und finanzieren einen Teil der Lieferkette, z.B. indem sie Bestände kaufen. Hier schaltet sich ein Dienstleister zwischen Einkäufer und Lieferant. Indem er die Bestände dem Lieferanten abkauft, schließt er die zeitliche Lücke zwischen Warenauslieferung und dem Zeitpunkt, an dem das Geld fließt. Der Lieferant erhält sein Geld sofort und hat freies Kapital zur Verfügung, um weitere Aufträge anzunehmen. Der Käufer gibt die Verantwortung für die operative Beschaffung ab und kauft die Teile, die er für seine Produktion benötigt, erst dann dem Dienstleister ab, wenn sie gebraucht werden.

Noch viel Aufklärungsbedarf

Laut Professor Henke herrscht in Deutschland zwar großes Interesse am Einsatz von Supply Chain Finance, aber auch noch viel Aufklärungsbedarf. Gerade die sprachlichen Hürden bei der Umsetzung sind nach seiner Ansicht nicht zu unterschätzen: „Sie müssen bei einem Instrument wie Supply Chain Finance viele unterschiedliche Ansprechpartner ins Boot holen und es als cross-funktionales Thema begreifen, das über die Unternehmensgrenzen hinausgeht“, erklärt er. Damit ein Projekt nicht am Widerstand einer Abteilung scheitert, müssen laut Henke nicht nur die Kollegen im Einkauf, der Logistik und in der Finanzabteilung von den Vorteilen überzeugt werden, sondern man muss auch frühzeitig die Vertreter der Lieferanten und Banken einbinden. „Die große Kunst liegt dann darin, eine Sprache zu sprechen, die wir alle verstehen.”


Zur Person

Dr. Torsten MalléeDr. Torsten Mallée ist seit 2004 bei AEB und leitete als General Manager von 2007 bis 2012 das Tochterunternehmen der AEB in Singapur, die AEB (Asia Pacific) Pte Ltd. Heute verantwortet er am Hauptsitz in Stuttgart die Internationalisierungsstrategie und den Ausbau des internationalen Geschäfts der AEB. Seit Oktober 2013 ist Dr. Mallée Regionalgruppensprecher der BVL-Regionalgruppe Baden-Württemberg. www.aeb.de

Autorenprofil

Dr. Torsten Mallée ist seit 2004 bei AEB und leitete als General Manager von 2007 bis 2012 das Tochterunternehmen der AEB in Singapur, die AEB (Asia Pacific) Pte Ltd. Heute verantwortet er am Hauptsitz in Stuttgart die Internationalisierungsstrategie und den Ausbau des internationalen Geschäfts der AEB. Seit Oktober 2013 ist Dr. Mallée Regionalgruppensprecher der BVL-Regionalgruppe Baden-Württemberg.

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