Mit der vorgezogenen Neuwahl des Bundestags am 23. Februar 2025 werden die Karten in Berlin neu gemischt. Von der neuen Bundesregierung erwartet die Wirtschaft dringend erforderliche Impulse zur Belebung der Konjunktur. Besonders für den Mittelstand stehen steuerpolitische Weichenstellungen im Fokus. Denn wenn der vielgepriesene „Motor Mittelstand“ wieder rundläuft, dürfte dies der gesamten deutschen Wirtschaft neuen Schwung verleihen.
In den letzten Jahren sahen sich Unternehmen zahlreichen wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber: Verwerfungen der Lieferketten und Geschäftsbeziehungen, steigende Energiepreise, technologische Veränderungen und der Fachkräftemangel waren und sind zu bewältigen. Steuerpolitisch wurde diesen Herausforderungen in der nun frühzeitig endenden Legislaturperiode nur durch punktuell wirkende Steuererleichterungen Rechnung getragen.
Rufe nach mehr steuerlichen Impulsen werden in jüngster Zeit aber immer lauter. Von Wirtschaftsverbänden etwa wird eine deutliche Absenkung des Körperschaftsteuersatzes sowie eine Entlastung über den progressiven Einkommensteuertarif gefordert, um die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und das Nachfrageverhalten ihrer Geschäftspartner zu stärken. Auch könnte eine geringere steuerliche Belastung von Unternehmensgewinnen dazu beitragen, die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland im internationalen Vergleich zu steigern.
Steuerpolitik ist auch eines der zentralen Themen in den Wahlprogrammen einiger Parteien zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Dies lässt erwarten, dass insbesondere die Unternehmensbesteuerung ein wichtiges Thema in der anstehenden Legislaturperiode werden dürfte.
Während einige Vertreter der Wissenschaft eine umfassende Reform und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts fordern, verfolgt die vom BMF eingesetzte Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ in ihrem am 12. Juli 2024 vorgelegten Bericht einen weniger radikalen Ansatz. Deren Mitglieder, die sich aus Unternehmensvertretern und Wissenschaftlern zusammensetzen, konzentrieren sich auf eher kurz- bis mittelfristig umsetzbare Verbesserungen an bestehenden Regelungen im deutschen Steuerrecht.
Die Diskussion um eine Senkung des Unternehmenssteuersatzes ist zu begrüßen und auch Überlegungen zu einer umfassenden Reform der Unternehmensbesteuerung sind wichtig und richtig. Aus Sicht von mittelständischen Unternehmen sollten aber auch kurzfristig umsetzbare Entlastungen in den Fokus gerückt werden, die geeignet sind, die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen zu meistern.
Innovationen und Investitionen stärken
Technologiewandel, kürzere Produktlebenszyklen und hohe Energiekosten sowie die geopolitischen Herausforderungen machen Innovationen und Investitionen erforderlich. Steuerrechtlich steht dazu bereits ein Baukasten bereit, dessen Anwendbarkeit erweitert werden sollte.
Für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben kann die Forschungszulage beansprucht werden, die in Höhe von 25% bzw. bei KMU sogar von 35% der Aufwendungen von jährlich bis zu 10 Mio. EUR gewährt wird. Mittelständische Unternehmen, und dabei nicht nur die Hidden Champions, betreiben zahlreiche förderfähige Innovationsprojekte. Die Förderquote von 25% beziehungsweise 35% für die Forschungsaufwendungen mag auf den ersten Blick hoch erscheinen. Tatsächlich ergeben sich aber aus Sicht des Fiskus nach erfolgreichem Abschluss eines Forschungsprojekts eine Vielzahl von steuererhöhenden Effekten, wie z.B. Umsatzsteuer auf zusätzliche Erlöse, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge für Mitarbeiter in Vertrieb, Produktion etc. und idealerweise auch Ertragsteuer auf Gewinne. Somit würde sich − zur Stärkung des Standorts Deutschland im internationalen Wettbewerb − auch eine deutlich großzügigere Förderquote von beispielsweise 50% und eine Anhebung des Höchstbetrags von derzeit 10 Mio. EUR für den Fiskus lohnen.
Sofern die Unternehmen keine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung haben, spielt die Auftragsforschung etwa mit universitären Einrichtungen eine große Rolle. Dabei anfallende Aufwendungen sind derzeit allerdings nur zu 70% begünstigungsfähig. Hier sollte der Satz optimalerweise auf 100% angehoben werden. Denn primäres Ziel der steuerlichen Forschungsförderung sollte sein, Innovationen zu fördern. Ob dazu eigenes Personal oder externes Know-how herangezogen wird, ist dabei zweitrangig.
Für Investitionen lassen sich Anreize durch Abschreibungsregelungen setzen, wenn also die Anschaffungs- und Herstellungskosten zügig gewinnmindernd berücksichtigt werden können. Ein bewährtes Mittel ist die degressive AfA (Absetzung für Abnutzung), bei der zu Beginn des Investitionszeitraums hohe Abschreibungsbeträge anfallen, die im weiteren Verlauf geringer werden. Die Gewinnminderung und damit auch Steuerentlastung durch die Anwendung der degressiven AfA greift damit gerade dann, wenn die Liquidität des Unternehmens durch die Investition belastet ist. Dabei sollten günstigere Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen auf Basis von längerfristig gültigen Regelungen gewählt werden können, da Unternehmen nur so entsprechend sinnvoll Investitionen planen und umsetzen können.
Planungssicherheit hinsichtlich Steuerbegünstigungen
Steuerbegünstigungen können ein adäquates Mittel sein, um die Konjunktur anzukurbeln. Allerdings sind dabei unter anderem die Beihilfevorgaben der EU zu beachten, so dass sich Regelungen oftmals nicht rechtssicher umsetzen lassen. Auch kann eine langwierig geführte politische Diskussion um mögliche Steuer-begünstigungen kontraproduktiv sein. Investitionsentscheidungen sowohl der Unternehmen als auch der Verbraucher werden angesichts des unklaren Ausgangs verschoben und fallen dann gegebenenfalls infolge der Preisentwicklung negativ aus.
Familiengeführte Unternehmen setzen auf langfristige Planungen und brauchen dazu Planungssicherheit. Erstrebenswert wäre deshalb ein klares und an die Unternehmen kommuniziertes Ziel, welches wirtschaftliche Verhalten staatlich gefördert wird. Ein solches Ziel sollte in für mehrere Jahre gültige Regelungen umgesetzt werden. Förderungen sollten als solche bezeichnet und gegebenenfalls auch im Rahmen der EU-rechtlichen Möglichkeiten an Unternehmen direkt ausgezahlt werden. Beabsichtigte Steuerbegünstigungen sollten klar verständlich formuliert und sorgfältig auf ihre Wirkungskraft überprüft werden. Dabei muss auch stets auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht geachtet werden, namentlich die verfassungs- und EU-rechtlichen Vorgaben.
Liquiditätsschub durch Ausweitung der Verlustnutzung
Durch die multiplen wirtschaftlichen Herausforderungen rutschen immer mehr Unternehmen in die Verlustzone. Ein Verlustrücktrag ist regelmäßig nur bis zu 1 Mio. EUR möglich. Zwar können Verluste dabei nicht nur ins Vorjahr, sondern auch in das dem Vorjahr vorgehende Jahr zurückgetragen werden. Angesichts der betraglichen Begrenzung wirkt sich diese zeitliche Ausdehnung aber kaum aus.
Um anstehende Investitionen meistern zu können, sind Unternehmen darauf angewiesen, ausreichend Liquidität zur Verfügung zu haben. Deshalb sollte die Möglichkeit des Verlustrücktrags deutlich ausgeweitet werden. So könnte z.B. mit einem Verlustrücktrag von bis zu 5 Mio. EUR, der optimalerweise auch für gewerbesteuerliche Zwecke ermöglicht wird, bei einer Kapitalgesellschaft mit einer Ertragsteuerbelastung von rund 30% zeitnah Liquidität von bis zu 1,5 Mio. EUR statt nach der aktuellen Regelung, die nur bei der Körperschaftsteuer einen Rücktrag vorsieht, 150.000 EUR freigesetzt werden.
Auch die durch die sogenannte Mindestbesteuerung in den Folgejahren gestreckte Nutzung vorgetragener Verluste ist zu hinterfragen. Ist ein Unternehmen nach einer Verlustphase wieder in der Gewinnzone, dient die zeitnahe Verrechnung vorgetragener Verluste mit dann erzielten Gewinnen der Stabilisierung und der weiteren Gesundung des Unternehmens.
Verzichtet werden sollte auf ein Auseinanderlaufen des Verlustvortrags für einkommen- bzw. körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Zwecke, wie dies derzeit in den Jahren 2024 bis 2027 der Fall ist. Dadurch wird zusätzlicher Verwaltungsaufwand ausgelöst und eine Fehlerquelle bei Steuerveranlagung angelegt.
Vereinfachung der Besteuerung von Personengesellschaften erforderlich
Zahlreiche mittelständische Unternehmen sind in der Rechtsform einer Personengesellschaft strukturiert, da diese Rechtsform unter anderem den Befugnissen und den Verantwortlichkeiten der Unternehmer oder der Unternehmerfamilie besser gerecht wird als die Rechtsform der Kapitalgesellschaft.
Zwischen den Besteuerungsregeln von Personen- und Kapitalgesellschaften bestehen bislang deutliche Unterschiede. So gestaltet sich die Gewinnermittlung bei Personengesellschaften durch das Institut des sogenannten Sonderbetriebsvermögens deutlich komplexer als bei einer Kapitalgesellschaft. Auch werden Rechtsbeziehungen zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern zivilrechtlich zwar durchaus anerkannt, steuerlich letztlich aber anders als bei Kapitalgesellschaften oftmals neutralisiert. Eine grundlegende Angleichung der beiden Besteuerungsregime würde eine komplette Überarbeitung des deutschen Unternehmensbesteuerungssystems erfordern − ein Mammutprojekt, das kaum zu bewältigen ist. Deshalb sollten angleichende Vereinfachungen vorgenommen werden, etwa durch den Verzicht auf das Institut des Sonderbetriebsvermögens und die steuerliche Abbildung von Rechtsbeziehungen zwischen der Personengesellschaft und den Gesellschaftern wie bei Kapitalgesellschaften.
Das geltende Recht sieht zwar bereits Regelungen vor, mit denen die steuerlichen Unterschiede zwischen den Rechtsformen abgeflacht werden sollen − allerdings mit bislang mäßigem Erfolg. Das sogenannte Optionsmodell erfreut sich trotz Nachbesserungen keiner großen Beliebtheit. Hier sollten bekannte Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Ebenfalls selten genutzt wird die Möglichkeit der Thesaurierungsbegünstigung, wodurch im Unternehmen belassene Gewinne einem geringeren Steuersatz unterliegen, die bei späterer Entnahme allerdings nochmals Steuern auslösen. Auch hier konnten viel kritisierte Stolperschwellen noch nicht beseitigt werden. Ein solches Hindernis für sich dynamisch entwickelnde mittelständische Unternehmen ist, dass bei Nutzung der Thesaurierungsbegünstigung selbst ein Formwechsel von der Personen- in eine Kapitalgesellschaft steuerneutral nicht mehr möglich ist, sondern vielmehr Steuern auf die thesaurierten Beträge auslöst. So mancher Mittelständler sieht sich dadurch in der bestehenden Rechtsform einer Personengesellschaft gefangen, obwohl wirtschaftliche Gründe einen Rechtsformwechsel oder eine Umstrukturierung nahelegen.
Umstrukturierungen vereinfachen und Hindernisse abbauen
Angesichts der disruptiven wirtschaftlichen Entwicklungen sind insbesondere mittelständische Unternehmen gefordert, sich ständig anzupassen. Umstrukturierungen, etwa durch die Neuordnung von Geschäftsbereichen durch Abspaltungen oder das Zusammenführen / Verschmelzen von Konzerneinheiten, können betriebswirtschaftlich angezeigt sein, um sich im Wettbewerb behaupten zu können.
Um erforderliche Umstrukturierungen steuerlich zu begünstigen, stehen mit dem Umwandlungssteuerrecht Regelungen zur Verfügung, die steuerneutrale Maßnahmen ermöglichen. Allerdings sind dabei enge Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Umwandlung und teilweise auch noch in der Folgezeit zu erfüllen. Für mittelständische Unternehmen besonders hinderlich zeigt sich dabei die Vorgabe, dass eine Umstrukturierung nur dann steuerneutral erfolgen kann, wenn ein sogenannter Teilbetrieb auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird. Der unbestimmte Begriff Teilbetrieb führt in der Praxis regelmäßig zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung. Für das betroffene Unternehmen folgt daraus Rechtsunsicherheit oder gar ein Umstrukturierungshindernis, wenn eine hohe drohende Steuerlast im Raum steht. Zwar kann diese Rechtsunsicherheit oftmals durch eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung reduziert werden, die nicht eindeutigen Kriterien erfordern jedoch regelmäßig einen ganz erheblichen Klärungsaufwand.
Dem sollte dringend entgegengewirkt werden, indem die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Umstrukturierung vereinfacht werden. Allen voran sollte auf das Teilbetriebserfordernis verzichtet werden. Auch sollte kritisch hinterfragt werden, inwieweit nachlaufend zu überprüfende Voraussetzungen und Sperrfristen erforderlich sind, und diese sollten zielgenauer ausgestaltet werden.
Gewerbesteuer reformieren
Derzeit löst die Ermittlung des Gewerbeertrags mit den zahlreichen Abweichungen von der Bemessungsgrundlage der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer enormen Steuerermittlungsaufwand aus. Aus Vereinfachungsgründen ideal wäre deshalb, die Gewerbesteuer vollständig in die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zu integrieren. Damit wäre auch das Problem gelöst, dass sich insb. mittelständische Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligt sehen. Denn im Ausland ist unsere Gewerbesteuer regelmäßig eine Unbekannte.
Sollte ein solch umfassender Schritt nicht umsetzbar sein, sollten zumindest die gewerbe-steuerlichen Hinzurechnungen deutlich reduziert werden. Insbesondere durch die Hinzurechnung von Finanzierungsentgelten kann es zu einer Steuerbelastung kommen, obwohl in dem betreffenden Jahr ein Verlust oder jedenfalls ein Gewinn erzielt wurde, der niedriger ist als die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage. Der Freibetrag von 200.000 EUR soll zwar solche Verwerfungen zumindest abschwächen. Gerade bei größeren mittelständischen Unternehmen wird dieser Freibetrag aber oftmals überschritten und es kommt zu einer Gewerbesteuerbelastung ohne entsprechenden Gewinn. Einfache Abhilfe könnte eine Streichung dieser substanzbesteuernden Hinzurechnungsvorschriften schaffen.
Als weitere Entlastung der Unternehmen − jedenfalls hinsichtlich des Bürokratieaufwands − sollte geprüft werden, ob eine bundesweit zuständige zentrale Stelle die Gewerbesteuerfestsetzungen im Auftrag für alle Gemeinden vornehmen könnte. Mindestens sollten die Steuerbescheide einheitlich gestaltet werden, um deren maschinelle Auslesbarkeit zu ermöglichen.
Internationales Steuerrecht vereinfachen
Die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte stellt sich seit jeher für die Unternehmen herausfordernd dar. Seit 2024 wurde dieser Regelungskomplex durch die Einführung der globalen Mindeststeuer und die nationale Umsetzung durch das Mindeststeuergesetz nochmals deutlich komplizierter. Zwar betrifft dies nur Unternehmensgruppen mit einem Gruppenumsatz von mindestens 750 Mio. EUR in zwei der vier vergangenen Geschäftsjahre. Jedoch wird durch das Mindeststeuergesetz deutlich, dass innerstaatliche Regelungen nicht in allen Bereichen aufeinander abgestimmt sind beziehungsweise sich mit derselben Regelungsmotivation überlappen.
Die Komplexität des internationalen Steuerrechts im Blick zu behalten und den Vorgaben gerecht zu werden, stellt insbesondere mittelständische Unternehmen angesichts begrenzter personeller Ressourcen in der Steuerabteilung vor enorme Herausforderungen.
Um Entlastung zu schaffen, sollte der Gesetzgeber in der kommenden Legislaturperiode dringend die umfassenden nationalen Vorgaben mit grenzüberschreitendem Bezug auf deren Notwendigkeit hin überprüfen und − unter Beachtung der EU-Vorgaben − reduzieren. Ein Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium lässt hier auf partielle Vereinfachungen hoffen. Dieser Weg sollte konsequent weiter beschritten werden.
Grundsätzlich sollten alle nationalen Regelungen, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten greifen, dahingehend überprüft werden, ob sie weiterhin sachgerecht und erforderlich sind. Auf EU-Ebene könnte sich Deutschland für Vereinfachungen innerhalb bestehender EU-Richtlinien einsetzen, um entsprechenden Spielraum für die nationalen Gesetzgeber zu schaffen, damit nicht mehr erforderliche Regelungen entfallen können.
Auf weitere Verschärfungen für Unternehmen sollte jedenfalls verzichtet werden, denn sie handeln wirtschaftlich motiviert und nicht primär mit dem Ziel, ihre Steuerquote zu reduzieren.
Digitale Kommunikation mit der Finanzverwaltung vorantreiben
Im Steuerdeklarationsprozess ist es längst Alltag, dass Daten elektronisch an die Finanzverwaltung übertragen werden. Die elektronische Bereitstellung von Steuerbescheiden, die ohne Medienbrüche eine elektronische Überprüfung der Daten ermöglicht, steht in den Startlöchern.
Doch zeigen sich noch zahlreiche Bereiche, in denen die Digitalisierung der Finanzverwaltung und damit auch der Datenaustausch zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen Mängel aufweist. Hemmend wirkt dabei, dass unterschiedliche technische Lösungen in den Bundesländern vorangetrieben und auch unterschiedliche Kommunikationswege genutzt werden.
Für Unternehmen, die in mehreren Bundesländern agieren, ergibt sich dadurch ein deutlicher Mehraufwand und eine hohe Fehleranfälligkeit. Kann mit der Finanzverwaltung eines Bundeslandes per E-Mail, in einem anderen Bundesland in einem gemeinsam genutzten Datenraum, z.B. als Sharepoint-Lösung, und wiederum in anderen Bundesländern nur postalisch kommuniziert werden, bindet das nicht nur Kapazitäten in den Unternehmen, sondern verhindert dort auch eine medienbruchfreie, digitale Bearbeitung.
Erforderlich ist deshalb, dass trotz Zuständigkeit der Bundesländer im Bereich der Steuerverwaltung einheitliche digitale Lösungen gesucht und bereitgestellt werden, um damit den gesamten Steuerdeklarationsprozess im digitalen Austausch mit den Unternehmern einheitlich abwickeln zu können. Das sollte von der Übermittlung der Steuerdeklaration bis zur Übermittlung der Betriebsprüfungsergebnisse reichen, so dass Daten jeweils durch die Finanzverwaltung und die Unternehmen medienbruchfrei digital bearbeitet werden können. Dadurch lassen sich auf beiden Seiten enorme Kapazitäten einsparen und die Prozesse beschleunigen.
Zeitnahe und beschleunigte Betriebsprüfungen erforderlich
Betriebsprüfungen, die erst Jahre nach der Steuerveranlagung beginnen und sich über mehrere Jahre erstrecken, führen bei den Unternehmen zu einem enormen Personal- und Verwaltungsaufwand bei der Bereitstellung der Daten und der Beantwortung von Fragen längst vergangener Sachverhalte. Auch fehlt es an Rechtssicherheit, welche Steuerlasten noch anstehen, inwieweit Zinsen anfallen und ob auch nachfolgende Sachverhalte von den Prüfungsfeststellungen betroffen sind.
Ab 2025 greifende Regelungen zeigen hier einen ersten Ansatz zur Beschleunigung von Betriebsprüfungen. So sollen in beratenen Fällen Betriebsprüfungen bis zum Ende des auf das Jahr des Steuerbescheids folgenden Jahres angeordnet werden. Erstreckt sich die Betriebsprüfung auf mehrere Besteuerungszeiträume (Regelfall), ist für alle Steueransprüche einheitlich der Zeitpunkt der Wirksamkeit des zuletzt ergangenen Steuerbescheids maßgeblich. Durch den schnelleren Ablauf von Verjährungsfristen soll zudem eine gewisse Beschleunigung bewirkt werden. Gleichwohl sind weiterhin jahrelange Prüfungsdauern zulässig. Ob dadurch Betriebsprüfungen spürbar beschleunigt werden, bleibt abzuwarten.
Realistischerweise dürfte das Ziel einer zeitnahen und zügigen Betriebsprüfung allerdings nur dadurch zu erreichen sein, dass Betriebsprüfer auf eine Schwerpunktprüfung übergehen. Das Pilotprojekt, wonach bei Vorliegen eines wirksamen Tax Compliance Management Systems eine solche risikoorientierte Schwerpunktprüfung für die Folgeprüfung möglich ist, zielt in diese Richtung. Dabei geht es nicht darum, auf Zufallsfunde zu setzen, sondern vielmehr die Prüfung auf fehleranfällige Bereiche mit einem gewissen Steuerrisiko zu fokussieren.
Dass dieser Weg zielführend ist, zeigt sich bereits in Nachbarländern. So setzen z.B. die Niederlande unter dem Begriff „Horizontal Monitoring“ darauf, dass Unternehmen, die neben einer Steuerstrategie selbst eine steuerliche Risikoanalyse vorweisen, zeitnah bis „in Echtzeit“ geprüft werden. Letztlich beruht dieser Ansatz auf dem Mindset eines Miteinanders anstelle der bisweilen konfrontativen Herangehensweise in Deutschland.
Zur Beschleunigung von Betriebsprüfungen sollten alle Möglichkeiten ausgelotet werden, Prüfungen zu entschlacken. Eine bessere Kooperation zwischen Prüfer und Unternehmen und eine risikoorientierte Prüfung könnten dabei der Schlüssel sein.
Bürokratielasten abbauen
Unternehmen ächzen unter den Bürokratielasten. Das trifft insbesondere mittelständische Unternehmen, bei denen kein großer Verwaltungsapparat vorhanden ist und somit teilweise die Kapazitäten von Geschäftsführern und leitendem Personal durch Verwaltungstätigkeiten gebunden werden.
Bürokratielasten werden dabei von den Wirtschaftsverbänden abseits vom Steuerrecht insbesondere bei Planungs- und Genehmigungs-verfahren, z.B. bei Bauvorhaben, kritisiert. Zu mehr Bürokratie führen aber auch die zuneh-menden Vorgaben im Bereich ESG. Zu nennen ist hier z.B. die Nachhaltigkeitsberichterstattung, das Lieferkettengesetz oder der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Steuerrechtlich schlagen unter anderem Meldepflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen und Reportingpflichten, die nicht nur gegenüber den Finanzbehörden zu erfüllen, sondern demnächst auch allgemein zu veröffentlichen sind, zu Buche. Die Rede ist hier vom Ertragsteuerinformationsbericht, auch Public CbCR (Country-by-Country Reporting) genannt, mit dem demnächst wesentliche Unternehmenskennzahlen allgemein zugänglich zu machen sind. Die Regelungen beruhen auf EU-Vorgaben, daher sind dem deutschen Gesetzgeber zugegebenermaßen die Hände ein Stück weit gebunden. Allerdings sollten sich die deutschen Vertreter auf der EU-Bühne stark machen, um hier Erleichterungen zu erzielen.
Zuletzt wurden noch die Vorgaben für die Verrechnungspreisdokumentationen belastend verschärft, was für international aufgestellte mittelständische Unternehmen zusätzlichen Verwaltungsaufwand auslöst. Dieses jüngste Beispiel zeigt, dass der Gesetzgeber Regelungen im Gesetzgebungsprozess auf deren Bürokratielasten im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung überprüfen sollte.
Entlastungen für Unternehmen, und das quasi zum Nulltarif für den Fiskus, könnten aber auch dadurch bewirkt werden, dass der Prozess der Steuerfestsetzung vereinfacht wird. So könnte z.B. die Gewerbesteuerfestsetzung durch Vereinheitlichung und digital in einen sogenannten One-Stop-Shop zu deutlich weniger Aufwand sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch der Finanzverwaltung führen. Auch im Verfahrensrecht zeigt sich Potential für schnellen Bürokratieabbau. So wäre z.B. eine Klarstellung wünschenswert, dass eingescannte und elektronisch archivierte Belege Papierbelege ersetzen. Berge an zu archivierenden Akten könnten so vermieden werden.
FAZIT
Steuerpolitisch warten auf die neue Bundesregierung und die neue Ministerin oder den neuen Minister für Finanzen enorme Herausforderungen. Eine Fortsetzung der bisherigen Steuerpolitik wäre eine zusätzliche Belastung für mittelständische Unternehmen in Deutschland, die vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen stehen. Zu hoch gegriffen wäre dabei die Erwartung, allein durch Steuerpolitik die Wirtschaft zu beleben. Steuerpolitik kann die Wirtschaftspolitik unterstützen, kann diese aber nicht − ganz oder zum Teil − ersetzen. Geht es um eine konjunkturelle Belebung des Mittelstands und der Wirtschaft insgesamt in Deutschland, braucht es zudem durchdachte wirtschaftspolitische Ansätze, die verlässlich und dauerhaft umgesetzt werden.