Sanierung durch Insolvenzplanverfahren

“Der Insolvenzverwalter kann Sanierungsmaßnahmen leichter umsetzen”
Interview mit Stefan Huber, Geschäftsführer, Helbling Corporate Finance Deutschland und Schweiz GmbH

Unternehmeredition: Herr Huber, Sie haben für Mayer & Cie. schon frühzeitig Sanierungskonzepte entwickelt. Warum konnten sie erst im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens wirklich umfassend umgesetzt werden?
Huber:
Mit dem ersten Restrukturierungsprogramm aus dem Jahr 2006 ist es uns gelungen, die Ertragskraft signifikant zu steigern. Das wurde von den Gläubigern akzeptiert, obwohl strukturelle Defizite wie die hohen Fixkosten und der geringe finanzielle Handlungsspielraum noch nicht behoben werden konnten. Als dann im Vorfeld der globalen Konjunkturkrise die Aufträge einbrachen, haben wir ein wirklich hartes Restrukturierungsprogramm erarbeitet. Es führte zu beachtlichen Erfolgen im operativen Bereich, scheiterte aber an den Problemen im Personalbereich und bei der Kapitalbeschaffung. Das Unternehmen hatte nicht mehr viele Alternativen. Eine übertragende Sanierung erschien angesichts der schlechten Marktverfassung der Textilmaschinenindustrie zu dieser Zeit wenig Erfolg versprechend. So blieb als beste Option das Insolvenzplanverfahren, an dessen Rahmenbedingungen wir unser Sanierungskonzept dann angepasst haben. Der neutrale Insolvenzverwalter hatte es nun wesentlich einfacher, die erarbeiteten Restrukturierungsmaßnahmen z.B. im Personalbereich umzusetzen. Er konnte das Unternehmen von Altlasten befreien und die Kosten auch insgesamt in einem Maß optimieren, wie es außerhalb der Insolvenz im Fall Mayer nicht möglich gewesen wäre.

Unternehmeredition: Warum wird das Insolvenzplanverfahren immer noch relativ selten für die Sanierung genutzt?
Huber:
Es eignet sich nur für im Kern gesunde Unternehmen, die den Turnaround aus eigener Kraft schaffen können und bei denen die Probleme – wie z.B. zu hohe Verbindlichkeiten etc. – primär auf der Passivseite der Bilanz liegen. Allerdings muss das Insolvenzplanverfahren sehr gut vorbereitet und umgesetzt werden. Viele Insolvenzverwalter scheuen zudem die potenziellen Haftungsrisiken. Hinzu kommt ein emotionaler Aspekt, weil die alten Eigentümer meist auch die Eigentümer der Zukunft sind. Bei Gläubigerbanken, die bei diesen Gesellschaftern eine Mitschuld für Fehlentwicklungen in der Vergangenheit suchen, bedarf es deshalb einer gewissen Portion Großmut.

Unternehmeredition: Wie schätzen Sie den Bedarf an Restrukturierungen aktuell ein?
Huber:
Die Anpassung an neue Gegebenheiten ist auch für gute Unternehmen eine Daueraufgabe. Man sollte trotz der aktuell positiven Wirtschaftsperspektiven nicht vergessen, dass um die Ecke schon die nächsten Gefahren warten. Denken Sie an die Eurokrise oder an das zum Teil bedrohlich hohe Niveau der Rohstoffpreise. Die anstehenden Rückzahlungen von Standard-Mezzanine werden viele Unternehmen zu einer Anpassung ihrer Finanzierungsstrukturen zwingen, und die Zahl der Banken am deutschen Markt ist auch nicht größer geworden. Nicht zuletzt nehmen die Belastungen zu, wenn die derzeit historisch niedrigen Zinsen wieder steigen. Auf Sicht von 18 bis 36 Monaten rechne ich wieder mit einer deutlichen Zunahme der Restrukturierungsfälle.

Unternehmeredition: Herr Huber, vielen Dank für das Gespräch.

Artikel und Interview: Norbert Hofmann
redaktion@unternehmeredition.de

Kurzprofil: Mayer & Cie. GmbH & Co. KG
Gründungsjahr: 1905
Branche: Strickmaschinen
Unternehmenssitz: Albstadt/Baden-Württemberg
Mitarbeiter: ca. 250
Umsatz 2010: ca. 60 Mio. EUR
Internet: www.mayercie.de

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