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Russland – Geschäfte trotz Sanktionen

Der Russlandhandel zieht wieder an, trotz Sanktionen. Das Land entkommt der Rezession und bietet neue Anreize. Dabei sollten deutsche Unternehmen genau schauen, welche Form des Markteintritts für sie jeweils die beste ist.

Russland ist anders, als man denkt. So mag es überraschen, dass das Land dieses Jahr auf Platz 35 des World Bank Doing Business Ranking steht. Vor fünf Jahren war Russland auf Platz 120. Dennoch sind Unternehmer mit Investitionen in Russland viel vorsichtiger als noch 2012. Damals waren die Beziehungen eingebettet in die Modernisierungspartnerschaft. Auf ihrem Zenit erreichte der deutsch-russische Handelsumsatz 2012 fast 60 Mrd. Euro.

Sinkende Rohstoffpreise, Rubelverfall, Sanktionen

Schwache Rohstoffpreise sind für Russland strukturell eine doppelte Herausforderung. Doch wenn es um die Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen geht, ist der gefühlte Hauptfaktor ein anderer: Am 31. Juli 2014, nachdem über dem Donbass ein malaysisches Passagierflugzeug abgeschossen wurde, erließ die Europäische Union weitreichende sektorale Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Wichtig ist, zwischen den unterschiedlichen „Sanktionstypen“ zu unterscheiden. Es waren nicht die ersten Sanktionen, die erlassen wurden, aber die relevantesten. Vorher waren wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim personalisierte Sanktionen gegen russische Politiker verhängt worden sowie Handel und Investitionen in, mit und auf die Krim verboten worden.

Was bedeuten die Sanktionen?

Die Wirtschaftssanktionen beinhalten Zugangsbeschränkungen zum Kapitalmarkt für einige russische Banken, ein Waffenembargo und Handelsbeschränkungen für sogenannte Dual-Use-Güter. Diese können sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden. Ebenso betrifft es die für die Erdölförderung nötige Ausrüstung. Das für Deutschland wichtige Erdgas war hier ausgenommen. Gleiche Maßnahmen wurden von den USA verhängt. Diese Sanktionen treffen auch viele Maschinen- und Anlagenbauer. Zähneknirschend akzeptierte der VDMA 2014 das von Bundeskanzlerin Merkel ausgegebene „Primat der Politik“. Immerhin wurden Industriezweige, die Pumpen herstellen oder Teile exportieren, auf Lobbying des Verbandes hin von den Sanktionen ausgenommen.

In der Praxis macht eine Ausfuhrbeschränkung den Export nicht unmöglich, beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) muss eine Genehmigung eingeholt werden. Für Unternehmer bedeutet das neben größerem Zeitaufwand vor allem Unsicherheit. Das ist auch das Hauptproblem bei den neuesten, sehr vage formulierten Sanktionen aus den USA. Diese schließen russische Energieprojekte mit Drittstaaten ein und behalten sich vor, europäische Unternehmen zu sanktionieren. Listen, die sie komplettieren sollten, fehlen oft noch. Die konkreten Risiken für Maschinenbauer werden aber inzwischen als vergleichsweise gering eingeschätzt.

Der Russlandhandel zieht wieder an, trotz Sanktionen. Das Land entkommt der Rezession und bietet neue Anreize. Dabei sollten deutsche Unternehmen genau schauen, welche Form des Markteintritts für sie jeweils die beste ist.

Russland hat reagiert und neben dem Einfuhrverbot für bestimmte Lebensmittel ein weitreichendes Importsubstitutionsprogramm für die Industrie aufgelegt. Öffentliche Vergabeverfahren und Preisgestaltung stellen dabei wichtige Hebel dar: Um in Ausschreibungen nicht benachteiligt zu werden, muss die Produktion zu großen Teilen lokal erfolgen. Es gibt aber auch Lokalisierungsanreize und Subventionen, wie im Sonderinvestitionsvertrag, wo Großinvestitionen individuell verhandelbare Vergünstigungen erhalten (Beispiel: Claas).


“In den ersten neun Monaten 2017 haben die deutschen Exporte nach Russland schon fast das Niveau des gesamten Vorjahres erreicht.”


Markteintritt? Und wie!

In den ersten neun Monaten 2017 haben die deutschen Exporte nach Russland schon fast das Niveau des gesamten Vorjahres erreicht. Für den Markteintritt bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Viele Unternehmen nutzen Marktstudien, um einen Überblick über die Chancen ihres Produkts zu bekommen oder mögliche Kunden und Partner zu sondieren. Danach besteht der klassische Weg meist in der Einfuhr und dem Verkauf von Maschinen über lokale Distributoren oder in der Gründung einer russischen Tochtergesellschaft. Letzteres ist vor allem bei Ausschreibungen wichtig. Für kleinere Firmen oder um den Markt risikofrei zu testen, lohnt sich „Outstaffing“. Dabei beschäftigt eine lokale Firma im Namen des deutschen Unternehmens dessen Mitarbeiter und übernimmt alle rechtlichen Verantwortlichkeiten, wobei der Mitarbeiter von der deutschen Firma übertragene Aufgaben ausführt. Eine weitere Option kann die Zusammenarbeit mit Vertragsherstellern sein, etwa im Automobilbereich.

Fazit

In Russland gibt es nach wie vor, und bei ansteigender Wirtschaftsleistung wieder mehr, Bedarf nach deutschen Produkten, insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau. Trotz verschiedener Hürden, samt der Sanktionen, die verstanden werden wollen, bietet die russische Politik auch verschiedene Anreize für Investitionen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich eine erfolgreiche Präsenz auf dem Markt aufzubauen. Sinnvoll ist es dabei immer, auf Expertise vor Ort, die auch ihre Firmenkultur versteht, zurückzugreifen, um unnötige Risiken zu vermeiden – beim Firmenaufbau, der Partnersuche sowie bei rechtlichen Fragen und Sanktionschecks.


Zur Person

Jakobine Freytag ist Senior Project and Public Affairs Manager der SCHNEIDER GROUP. Freytag arbeitet seit 2010 in und mit Russland, zuvor im Energiesektor.
Die SCHNEIDER GROUP ist ein One-Stop-Partner für deutsche Unternehmen im russischsprachigen Raum und in Polen.

www.schneider-group.com

 

 

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