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Rezession ist noch nicht abgesagt

Foto: © tippapatt_AdobeStock

Selten zuvor war die Unsicherheit über den künftigen Konjunkturtrend so groß wie Anfang 2023. Auf der einen Seite geistert nach wie vor das Rezessionsgespenst umher. Auf der anderen Seite haben jedoch speziell in Europa die rückläufigen Gaspreise und das Ende der Null-Covid-Strategie in China neue Zuversicht geweckt. Viele Analysten rechnen daher bereits im Jahresverlauf mit einer weltweiten konjunkturellen Belebung. Ist dieser Optimismus gerechtfertigt?

Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst die Ausgangslage geklärt werden. In den USA hat sich die Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2022 überraschend robust gezeigt. Allerdings deuten die jüngsten Rücksetzer bei der Industrieproduktion und den Einzelhandelsumsätzen sowie der Einbruch bei den Baudaten darauf hin, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Quartal schrumpfen wird. Aus unserer Sicht ist das jedoch nur der Anfang eines längeren konjunkturellen Abschwungs, der das ganze Jahr über anhält und dabei noch an Schärfe gewinnt.

Der wichtigste Grund dafür ist der Zins- und Kostenschock des vergangenen Jahres, dessen Gift nach und nach alle Bereiche der Wirtschaft erreicht. Das zweite Opfer nach den Bauinvestitionen werden die Investitionen in Maschinen und Anlagen sein. Darauf deuten inzwischen nicht nur schwache Umfrageergebnisse hin. Zahlreiche US-Unternehmen haben den Worten Taten folgen lassen und Kostensenkungsprogramme angeschoben. In der Folge werden auch umfangreiche Entlassungen nicht ausbleiben, worunter wiederum die Konsumnachfrage leidet. Die konjunkturelle Abwärtsspirale gewinnt so an Fahrt. Alles in allem rechnen wir in den USA für 2023 mit keinem Soft Landing, sondern einer ausgeprägten Rezession. Dieser negative Ausblick spiegelt sich auch in unseren weit vorauslaufenden Frühindikatoren, die bis Anfang 2014 steil abwärtsgerichtet sind.

Konjunkturaufhellung in der Eurozone

Anders als in den USA hat sich das Konjunkturbild in der Eurozone etwas aufgehellt. Noch Mitte 2022 war die Angst groß, dass in diesem Winter Gas und Strom knapp werden könnten und die Energiepreise explodieren. Dieses Schreckensszenario ist jedoch ausgeblieben. Das Aufatmen darüber war zuletzt auch in den Stimmungsindikatoren zu sehen, die sich seit Ende 2022 erholt haben. Aus unserer Sicht steht diese Belebung jedoch auf tönernen Füßen und dürfte bald wieder in sich zusammenfallen. Für einen tragfähigen Aufschwung bedarf es weiterer Impulse, die jedoch nicht in Sicht sind – ganz im Gegenteil. So sind die europäischen Firmen mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie ihre Konkurrenten aus den USA.

Investitionskürzungen unvermeidbar

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Ganz besonders der deutsche Mittelstand sieht sich heftigem Gegenwind ausgesetzt. Die kräftig anziehenden Löhne und anhaltend hohen Energiekosten sind ebenso ein Belastungsfaktor wie die zunehmende Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe. Gleichzeitig dürfte sich die Nachfrage aus den USA und den europäischen Nachbarländern abkühlen, was bereits in den Auftragseingängen aus dem Ausland sichtbar wird (siehe Abbildung 1). In der Folge werden Investitionskürzungen auch in den Reihen der mittelständischen Unternehmen unvermeidbar sein. Anders als derzeit erhofft, ist somit die Rezession in Deutschland und der Eurozone keineswegs abgesagt, sondern nach wie vor das wahrscheinlichste Szenario im Jahr 2023.

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Viele verweisen nunmehr auf China als Retter in der Not. Nach der Aufgabe der Null-Covid-Strategie dürften sich im Reich der Mitte in der Tat im laufenden Jahr Nachholeffekte entladen – wie einst in den westlichen Industrieländern. Allen voran werden Freizeitaktivitäten einen Boom erleben und der Immobilienmarkt wird ein Comeback feiern. Dies dürfte die Binnenkonjunktur in China kräftig ankurbeln. Aus unserer Sicht reicht das jedoch nicht aus, um den international negativen Konjunkturtrend umzukehren. Die weltweit restriktiven Impulse der Geldpolitik und die Rezession in den USA wiegen schwerer als der Post-Corona-Boom in China. Dies spiegelt sich auch in unserem Global Liquidity Indicator, der einen Vorlauf von neun Monaten vor der Realwirtschaft hat (siehe Abbildung 2).

Was bedeutet dieses Szenario für die Finanzmärkte? Kurzfristig dürfte die Kontroverse über den künftigen Pfad der globalen Konjunktur anhalten. Speziell das Zwischenhoch in der Eurozone bestärkt derzeit viele Investoren darin, dass es doch noch zu einem Soft Landing der Weltwirtschaft kommt. Die Rallye an den Aktienmärkten könnte in Anbetracht dessen zunächst fortbestehen. Gleichzeitig wird die EZB die Gelegenheit beim Schopfe packen, um die Leitzinsen auf 3,00% anzuheben.

Rückschlagpotenzial an den Aktienmärkten

Spätestens im Frühsommer sollten sich die Hoffnungen auf eine konjunkturelle Belebung jedoch als Trugschluss erweisen. Stattdessen dürfte das Ausmaß des Abschwungs immer klarer zu Tage treten. In der Folge wird sich eine Risk-off-Stimmung unter den Anlegern breitmachen. Die Analysten werden nicht umhinkommen, ihre derzeit viel zu optimistischen Schätzungen für die Unternehmensgewinne nach unten zu korrigieren. Die Aktienmärkte dürften somit wieder deutlich nachgeben. Wir sehen – ausgehend vom aktuellen Kursniveau – ein Rückschlagpotenzial an den europäischen und amerikanischen Aktienmärkten von 20% bis 30%. Der DAX sollte mithin bis Ende 2023 in einen Korridor zwischen 10.500 und 12.000 Punkten zurückfallen. Besser werden sich – dank Chinas Wiederbelebung – voraussichtlich die asiatischen Aktienmärkte halten.

In einem Umfeld wachsender Rezessionsgefahren und rückläufiger Inflationsraten werden auch die Notenbanken eine 180-Grad-Wende vollziehen. Wir gehen davon aus, dass die EZB und die Fed im Frühjahr ihre Leitzinserhöhungszyklen beenden und im zweiten Halbjahr dann sogar die Geldpolitik wieder lockern. In Anbetracht dessen werden die Renditen von Staatsanleihen spürbar unter Druck geraten. Für zehnjährige deutsche Bundesanleihen erwarten wir zum Jahresende ein Renditeniveau von 1,25% (aktuell rund 2,20%), bei zehnjährigen US-Treasuries von 2,50% (aktuell rund 3,50%).

FAZIT

Die Hoffnungen auf eine nachhaltige Belebung der Weltwirtschaft werden sich 2023 nicht erfüllen. Vielmehr wird sich das Konjunkturbild wieder spürbar eintrüben – gerade auch in der Eurozone und Deutschland. Das aktuelle Risk-on-Umfeld an den Finanzmärkten hat somit ebenfalls kein Bestand. Mit Blick auf die Aktienmärkte ist nochmals mit heftigen Rückschlägen zu rechnen. Gleichzeitig können jedoch mit Top-Staatsanleihen wieder hohe Erträge eingefahren werden.

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