Private-Equity-Investoren rechnen trotz weiterhin herausfordernder Rahmenbedingungen mit einem ansteigenden M&A-Geschehen auf dem Feld der europäischen Industrieunternehmen. Das zeigt die aktuelle MP Industrial Private Equity (MPiPE) Studie, die MP Corporate Finance für das erste Halbjahr 2025 herausgibt.
Die Ergebnisse basieren auf einer Umfrage unter 4.000 europäischen Senior-PE-Professionals und Erkenntnissen aus der Tätigkeit von MP als europaweit führendem M&A-Beratungshaus für die Industrie. Fast drei Viertel der Befragten (72%) erwarten ein zunehmendes Interesse von Private-Equity-Investoren an Industrieunternehmen und fast 60% denken, dass auch die Deal-Aktivität in diesem Bereich zunimmt. Der aus den Befragungsergebnissen gebildete „MP Industrial PE (MPiPE) Indicator 1H25“ liegt bei 48 von möglichen 100 Punkten und reflektiert damit eine verhalten optimistische Haltung der Investoren – wie sie sich bereits vor rund einem Jahr in der vorigen Befragung abgezeichnet hat.
Vorsichtiger Optimismus bei Private-Equity-Unternehmen
Der vorsichtige Optimismus der Investoren fußt auf einem weitgehend ausgeglichenen Verhältnis der Interessen von Käufern und Verkäufern. Erstere sind vor allem an operativer Wertschöpfung interessiert, Verkäufer dagegen wollen ihre Portfolios optimieren. Auch die Erwartungen für die Internal Rate of Return (IRR) von Industrieinvestments halten sich weitgehend die Waage: Mit 54% erwartet etwas mehr als die Hälfte der Befragten eine Verbesserung der IRR. Gleichzeitig bleibt das Finanzierungsumfeld für Transaktionen anspruchsvoll, auch weil sich die deutlichen Zinssenkungen der EZB und anderer europäischer Zentralbanken noch nicht signifikant auf die mittel- bis langfristigen Zinsen ausgewirkt haben. Zudem sind die Banken weiterhin restriktiv in der Kreditvergabe. „Die Industriekonjunktur in Europa hat sich über die letzten Quartale weiter abgekühlt und das Finanzierungsumfeld für Transaktionen bleibt angespannt. Dennoch herrscht von Seiten der Private-Equity-Investoren reges Interesse an Unternehmenskäufen und -verkäufen im Industriesektor. Darin sehen wir ein starkes Zeichen für die Robustheit des M&A-Markts über den Konjunkturzyklus hinweg“, kommentiert Roman Göd, Managing Partner und Mitgründer von MP, die Ergebnisse.
Verändertes Finanzierungsumfeld treibt strategische Neuausrichtungen von Private-Equity-Investoren
In einem weiterhin anspruchsvollen Finanzierungsumfeld positionieren sich die Private-Equity-Häuser neu. 61% und damit eine klare Mehrheit der Befragten erwarten eine Abnahme des Verschuldungsgrads der Industrieunternehmen, und das obwohl 59% mit besser verfügbarem Fremdkapital rechnen. Das abnehmende Interesse an Schuldenfinanzierungen bei gleichzeitig hohen Return-Erwartungen deutet auf einen Strategiewechsel der Investoren hin: Diese setzen immer weniger auf Finanzoptimierung, sondern bemühen sich, den Wert ihrer Beteiligungen durch Investitionen und operative Verbesserungen nachhaltig zu erhöhen. Der Trend wird auch durch eine weiterhin angespannte Fundraising-Situation bei Private-Equity-Häusern befördert. So ging mit 48% der Befragten nur eine Minderheit von einer Verbesserung des Umfelds für Einwerbung frischen Eigenkapitals aus. „Die Studienergebnisse decken sich mit unseren Beobachtungen aus der Praxis. Private-Equity-Unternehmen konzentrieren sich heute mehr denn je auf die rasche Umsetzung von Wertsteigerungsinitiativen. Gleichzeitig sehen wir weiterhin einen Exit-Stau, dessen Auflösung mittelfristig zu einem steigenden Dealflow beitragen sollte“, erklärt Roman Göd.
Steigende Due Diligence-Komplexität erhöht den Bewertungsdruck
Die weiterhin hohen Zinsen und die vor allem im DACH-Raum schwächelnde Wirtschaft verstärken zudem den Bewertungsdruck, der auf den zum Verkauf stehenden Unternehmen lastet. Entsprechend rechnen die Befragten im Schnitt mit einem Rückgang der zur Bewertung von Unternehmen herangezogenen Multiples. Zugleich erwartet eine überwiegende Mehrheit von 95% der Befragten, dass die Komplexität der Due-Diligence-Prüfungen weiter zunimmt. So müssen immer mehr behördliche Auflagen erfüllt werden; Käufer verlangen zudem immer tiefere Einblicke in operative Abläufe und Szenarioanalysen, um die Auswirkungen des volatilen Marktumfelds und Risiken in der Lieferkette besser einschätzen zu können. „Die immer längeren Due-Diligence-Prozesse verstärken den Bewertungsdruck und entwickeln sich zu einem echten Hemmnis für den M&A-Markt – trotz hohen Interesses an Transaktionen. Auf Käuferseite übersteigt das Sicherheitsbedürfnis momentan den Wunsch, Deals rasch zum Abschluss zu bringen und mit der Integration des Unternehmens zu beginnen“, erläutert Gregor Nischer, Managing Partner und Mitgründer von MP.
DACH-Raum: Operative Optimierungen und M&A als wichtige Wertreiber
Das Interesse an Industrie-Targets liegt im DACH-Raum etwa auf demselben Niveau wie in Europa insgesamt. 69% der Befragten erwarten ein steigendes Interesse, 59% auch eine steigende Deal-Aktivität in diesem Sektor. Aufgrund der schwachen Konjunktur in Deutschland und Österreich erwarten jedoch nur 41% eine Verbesserung der IRRs und damit weniger als in den anderen europäischen Wirtschaftsräumen. Entsprechend setzen Private-Equity-Häuser im DACH-Raum besonders häufig auf Optimierungen im Betrieb als Strategie zur Wertsteigerung. Zudem nimmt im DACH-Raum die Bedeutung von M&A als Wertsteigerungsinstrument zu. „In den deutschsprachigen Ländern beobachten wir ein gestiegenes Interesse an Carve-out-Transaktionen. Industriegruppen fokussieren sich zunehmend auf ihr Kerngeschäft und gliedern angrenzende oder unprofitable Geschäftszweige aus. PE-Häuser und Strategen nutzen die Gelegenheit, den strategischen Wert dieser Assets durch synergetische Zukäufe zu erhöhen“, so Gregor Nischer.
Die Bedeutung von Carve-outs nimmt auch in den BENELUX-Ländern und in Südeuropa zu. In diesen Regionen und im DACH-Raum sind Carve-Outs der am zweithäufigsten erwartete Transaktionstyp im Industriebereich. Die Primaries rücken in den Nordics und im DACH-Raum jeweils einen Platz nach vorne und sind damit in allen fünf Wirtschaftsräumen der am häufigsten erwartete Transaktionstyp. Dagegen nimmt die erwartete Bedeutung von Secondaries in vier von fünf Regionen ab, ein weiterer Hinweis auf den verstärkten Fokus der Investoren auf operative Verbesserungen. Deren Wertsteigerungspotenzial ist bei vormals inhaber- und familiengeführten Unternehmen besonders groß, was PE-Investoren nutzen, um solche Unternehmen nach einer umfassenden Professionalisierung für große Industriegruppen als neue, permanente Eigentümer interessant zu machen. Entsprechend sind strategische Käufer in allen europäischen Regionen der meistgenannte Exit-Kanal für Industrie-Assets.