„Ohne uns fährt nichts“

Elring Klinger baut Dichtungen und Wärmeabschirmung für Automotoren genauso wie gewichtsreduzierte Ölwannen oder Ventilhauben aus Spezialkunststoff. Dank den Schwaben gehören Umweltverschmutzungen wie die hässlichen Ölflecken unter Fahrzeugen fast schon der Vergangenheit an. Weil spritsparende Motoren überlebenswichtig sind, werden Dichtungen aller Art immer entscheidender. Von Jahr zu Jahr hubraumkleinere, meist mit Turbos aufgeladene Motoren erreichen ihre Leistung nur mit mehr Druck und höheren Drehzahlen. Und jeder dieser neuen Wundermotoren ist nur so gut wie seine schwächste Stelle: die Dichtung, erforscht und hergestellt von Elring Klinger. Bis auf Toyota setzen alle anderen europäischen, amerikanischen, indischen oder asiatischen Autohersteller auf die Produkte des schwäbischen Automobilzulieferers. 25 Millionen Zylinderkopfdichtungen verlassen jedes Jahr die Produktionshallen. Damit ist Elring Klinger Weltmarktführer, wie auch andere fleißige schwäbische Unternehmen, die ihre Nische besetzen und es als Spezialist im Lauf der Jahre zum Weltmarktführer bringen. Die Umsatzrendite weltweit erfolgreichsten Autozulieferers und Dichtungsspezialisten mit Sitz im baden-württembergischen Dettingen/Erms liegt vor Steuern mit über 11% deutlich über den Branchenriesen Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen.

Walter Herwarth Lechler, Aufsichtsratsvorsitzender der Elring Klinger AG. Bild: Elring Klinger AG

Walter Herwarth Lechler gibt die Richtung vor
Dass das Unternehmen so prosperiert, ist ein Verdienst von drei Vorständen, die gut kooperieren. Vorstandsboss Stefan Wolf lenkt, er gilt als Medienfreund. Über ihn finden sich hunderte Artikel in den Wirtschaftsblättern. „Ohne unser Unternehmen fährt nichts“, sagt der Vorstandsvorsitzende und ist stolz. Was aber kaum einer weiß: Aufsichtsratsvorsitzender Walter Herwarth Lechler, 69, gibt die Richtung vor. „Wir sind zuverlässig, hoch spezialisiert, schnell, innovativ und bodenständig“, formuliert der Familieneigner in der vierten Generation. „Unsere Zurückhaltung liegt in der langen Tradition der Familie und ihrem früher pietistischen Hintergrund.“ Sein Urgroßvater Paul Lechler verkaufte 1878 seine Lackfabrik an die leitenden Angestellten, um sich zunehmend sozialen Aufgaben wie der Armenpflege in Stuttgart zu widmen. Gleichzeitig gründete er ein neues Handelsunternehmen, aus dem letztlich die heutige Elring Klinger AG hervorging. Als technische Produkte wurden Dichtungen und Flüssigkeitszerstäuber ins Programm aufgenommen.

Firmengründer Paul Lechler mit großem sozialen Gewissen

Um der oft großen Not in armen Familien in ländlichen Regionen zu begegnen, gründete Paul Lechler 1882 den Verein zur „Hilfe in außerordentlichen Notstandsfällen auf dem Lande“. Dieser Verein leistet heute noch Hilfe. Deutlich erkannte der Unternehmensgründer die soziale Wirklichkeit der Fabrikarbeiter, die meist in Armut lebten. Wenn der Ernährer einer Familie krank wurde, bedeutete dies große Not für die ganze Familie. Der tief gläubige protestantische Christ setzte sich für soziale Reformen ein und rief 1882 die erste private Arbeitsvermittlung in Stuttgart ins Leben. Paul Lechler gilt auch als ein Pionier des sozialen Wohnungsbaus und der Bausparkasse. Er verfasste Denkschriften zur Reform des Armenrechts und für eine umfassende nationale Wohnungsreform, machte Vorschläge für den Bau gesunder und preiswerter kleiner Wohnungen sowie deren Finanzierung. Die Paul-Lechler-Stiftung und ein eigens dafür eingesetzter Geschäftsführer spendet auch heute noch Millionenbeträge für „unmittelbar mildtätige, kirchliche und besonders förderungswürdige gemeinnützige Zwecke“. Der heutige Aufsichtsratschef Walter H. Lechler lebt die Familientradition gemeinnützigen Helfens fort. Er und sein verstorbener Onkel Klaus Lechner haben testamentarisch verfügt, ihre Anteile der Stiftung zu vererben. Die Familien Walter Herwarth Lechler und der Nachlass von Klaus Lechler halten 52% der Aktien, die Familie Klinger etwas unter 5%. Der Rest ist Streubesitz. Er möchte familienfremden Managern Spielräume erhalten, „damit das Unternehmen und die Arbeitsplätze nicht von den Genen der Erben abhängen“. Das ist durchaus kein Misstrauen in seine beiden Stiefsöhne.

Auch die Söhne sind gut ausgebildet
Die seien gut ausgebildet und könnten ohne Protektion ihren beruflichen Weg beschreiten. Der Jüngere hat gerade seinen Bachelor an der Uni abgeschlossen und arbeitet im Vertrieb bei Elring Klinger, will nun noch den Master draufsetzen. Der Ältere ist angestellter Unternehmensberater und war vor seinem Master-Abschluss als Praktikant in China und Mexiko im Unternehmen des Stiefpapas. Walter Lechler hat 1994 die Fusionierung mit dem Wettbewerber EIring zu Elring Klinger vorangetrieben. Ihr Dichtungsgeschäft betreibt die Klinger-Familie unabhängig davon weiter. „Das ist das Beste, was beiden Familien und dem Unternehmen passieren konnte“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende. „Beide Unternehmen haben optimal zueinander gepasst. Wir haben sehr gute Synergieeffekte gehoben. Diese Fusion war eine, die wirklich etwas gebracht hat“, erklärt Walter Lechler. Auf der Klinger-Seite hält Dr. Thomas Klinger-Lohr die Zügel in der Hand. Er ist ebenfalls Mitglied im Elring Klinger-Aufsichtsrat als Vertreter der Klinger-Familie. Die Lechlers hegen fast freundschaftliche Bande zur Familie Klinger. Beide besitzen im österreichischen Zell am See nicht weit voneinander entfernt ein Anwesen. Zwar siezt man sich, doch dann und wann fahren Walter Lechler und Dr. Thomas Klinger-Lohr gemeinsam Ski. Zusammen besuchen Lechlers und Klingers die Salzburger Festspiele.

Zehn Oldtimer in der Garage: „Alles Dichtungskunden“
Auch das Hobby von Walter H. Lechler passt zum Unternehmen. „Ich fahre bei meinen Oldtimern Fahrzeuge unserer Dichtungskunden“, sagt er lachend. Mercedes, Porsche, BMW und andere feine Raritäten – insgesamt zehn Fahrzeuge – stehen in der Garage. Gerade hat der 69-Jährige zusammen mit seinem Mechaniker in Mexiko einen seiner Oldtimer über die La Carrera Panamericana gejagt. Sie gilt als das härteste Oldtimer-Rennen der Welt; in sieben Tagen müssen auf teils abgesperrten Straßen 3.200 Kilometer bewältigt werden. Das Leben eines Rentners führt der Familienpatriarch also bei weitem nicht. Dass er den Überblick behalten kann, sorgt seine gute Ausbildung. Nach dem Abitur arbeitete er erstmal in einer Bank in den USA und machte bei einem Maschinenbau-Unternehmen ein technisches Praktikum. Die renommierte Kölner Universität verpasste ihm den Diplom-Kaufmann. In dieser Zeit hat der Schwabe etwas von der lockeren und unkomplizierten Mentalität der Rheinländer angenommen. Das schätzen Freunde und Geschäftspartner auch heute noch sehr an ihm. Weil sein Vater im Krieg gefallen war, war er schon in jungen Jahren Nachfolger in der Firmenhierarchie.

Familie verzichtet auf operative Führung: Keine Nachfolgeprobleme
Dass Stefan Wolf als familienfremder Top-Manager heute das Unternehmen führt, hat auch etwas mit Tradition zu tun. Seit jeher verzichten die Familieneigner auf die operative Führung bei Elring Klinger. Auf die Frage, warum das so sein muss, hat Walter H. Lechler eine ganz einfache Antwort: „Es gibt keine Nachfolge-Probleme und das Unternehmen bleibt für qualifizierte Führungskräfte attraktiv.“

Thomas Grether
redaktion@unternehmeredition.de

Kurzprofil Elring Klinger AG

Gründungsjahr: 1879
Branche: Automobilzulieferer
Unternehmenssitz: Dettingen/Erms, Baden-Württemberg
Mitarbeiterzahl 2011: 6.076
Umsatz 2011: 1,0328 Mrd. EUR
Internet: www.
elringklinger.de

Autorenprofil

Thomas Grether ist Gastautor.

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