Neuerungen für die frühzeitige Sanierung

Verschiedene Werkzeuge zur Sanierung: Künftig soll der präventive Restrukturierungsrahmen weitere Möglichkeiten für eine frühzeitige Sanierung schaffen. © nanuvision - stock.adobe.com
Verschiedene Werkzeuge zur Sanierung: Künftig soll der präventive Restrukturierungsrahmen weitere Möglichkeiten für eine frühzeitige Sanierung schaffen. © nanuvision - stock.adobe.com

Eine neue EU-Richtlinie fordert von den Mitgliedstaaten die Einführung von Restrukturierungsrahmen, die vor einer Insolvenz die frühzeitige Sanierung von Unternehmen erleichtern sollen. Dies ist neu für Deutschland und wird hier sowie in den übrigen Mitgliedstaaten der EU spannende neue Spielräume für frühzeitige und präventive Unternehmenssanierungen eröffnen.

In Kürze wird mit der Veröffentlichung der vom EU-Parlament am 28. März 2019 verabschiedeten EU-Richtlinie zur „Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren“ im Amtsblatt der EU gerechnet. Anschließend haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in das nationale Recht umzusetzen. In diesem Zusammenhang könnte ein Wettlauf der Mitgliedstaaten um das beste Forum für präventive Sanierungen entstehen, denn die Richtlinie setzt zwar maßgebliche Leitplanken, räumt aber durchaus große Freiräume bei der Umsetzung in das nationale Recht ein.

Das deutsche Recht kennt außerhalb des Schuldverschreibungsgesetzes bislang keine besonderen vorinsolvenzrechtlichen (präventiven) Restrukturierungsregeln zur Unternehmenssanierung. Vielmehr hatte sich der deutsche Gesetzgeber im Zuge des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) bewusst gegen solche Regeln entschieden.

Präventiver Restrukturierungsrahmen bei „wahrscheinlicher Insolvenz“

Die Richtlinie gibt vor, dass Schuldner „bei einer wahrscheinlichen Insolvenz“ Zugang zu einem präventiven Restrukturierungsrahmen haben sollen, der es ihnen ermöglicht, sich zu restrukturieren und gleichzeitig die Kontrolle über ihre Vermögenswerte und den täglichen Betrieb des Unternehmens (also in Eigenverwaltung) zu behalten – gegebenenfalls begleitet durch einen sogenannten Restrukturierungsbeauftragten.

Dabei obliegt es dem deutschen Gesetzgeber, festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die vorgezeichneten präventiven Restrukturierungswerkzeuge zur Verfügung stehen sollen. Eine Herausforderung wird dabei sein, einen Missbrauch zu vermeiden – insbesondere durch bereits insolvente Gläubiger. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber das vorgegebene Abstandsgebot zur Insolvenz einhalten. Diese Vorgabe wird in Deutschland schwierig umsetzen sein aufgrund der ohnehin schon weit vorgelagerten und in weiten Teilen deckungsgleichen Insolvenzeröffnungsgründe der „Überschuldung“ und „drohenden Zahlungsunfähigkeit“. Es ist daher damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber auch das Insolvenzrecht (insbesondere die Insolvenzantragspflichten) reformieren wird.

Moratorium von bis zu zwölf Monaten möglich

Die Richtlinie verlangt, dass Schuldner für Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan von Gläubigern betriebene Vollstreckungsmaßnahmen aussetzen lassen können. Grundsätzlich können alle Gläubigergruppen in ein solches Moratorium einbezogen werden. Dies gilt für Arbeitnehmer jedoch nur, wenn ihre Forderungen auf vergleichbarem Schutzniveau erfüllt werden. Die Regeldauer des Moratoriums ist nach der Richtlinie auf vier Monate begrenzt, was jedoch aufgrund der regulatorischen Vorgaben für Banken schon eine Eigenkapitalunterlegung erforderlich machen würde. Auf Antrag des Schuldners kann eine Verlängerung auf insgesamt bis zu zwölf Monate Gesamtdauer vorgesehen werden.

Suspendierung von Insolvenzantragspflichten

Entsteht während der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen eine Insolvenzantragspflicht des Schuldners, so hat diese nach der Richtlinie zu ruhen. Allerdings kann der nationale Gesetzgeber unter Wahrung des allgemeinen Gläubigerinteresses und weiteren bestimmten Voraussetzungen Ausnahmeregelungen hiervon schaffen.

Restrukturierungspläne und Überstimmung von Akkordstörern

Kernstück des präventiven Restrukturierungsrahmens ist der sogenannte Restrukturierungsplan. In einem solchen kann ein weites Spektrum von Maßnahmen vorgesehen werden, die auf die Restrukturierung des Schuldnerunternehmens abzielen. Insbesondere können (i) die Änderung der Zusammensetzung, der Bedingungen oder der Struktur der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines Schuldners, (ii) ein Verkauf von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen sowie (iii) alle erforderlichen operativen Maßnahmen oder eine Kombination dieser Elemente geregelt werden. Dabei hat der sanierungswillige Schuldner die Möglichkeit, lediglich einzelne ausgewählte Gläubigergruppen zu beteiligen, denn es handelt sich – anders als bei einem Insolvenzplan – um kein Instrument der Gesamtvollstreckung. Es darf entsprechend auch nur in die Rechte jener Parteien eingegriffen werden, die am Plan beteiligt werden.

Zur Abstimmung über den Restrukturierungsplan werden die am Plan beteiligten Parteien jeweils in Gruppen mit übereinstimmenden Interessen eingeteilt. Der Plan gilt als angenommen, wenn in jeder Gläubigergruppe eine qualifizierte Summenmehrheit der Forderungen und – sofern ein europäischer Mitgliedstaat dies vorsieht – die Kopfmehrheit den Plan angenommen hat. Ein Restrukturierungsplan, der nicht in jeder Abstimmungsgruppe eine Mehrheit gefunden hat, kann – unter bestimmten Voraussetzungen – gerichtlich bestätigt und damit gleichwohl für alle beteiligten Parteien verbindlich werden (sogenannter gruppenübergreifender Cramdown). Damit bietet der neue Restrukturierungsrahmen ein besonderes Instrument, obstruierende Parteien auch außerhalb einer Insolvenz zur Mitwirkung an einer Sanierung zu zwingen. Bedingung ist dabei aber stets, dass durch den Plan keine betroffene Partei schlechter gestellt wird „als im nächstbesten Alternativszenario“.

Ob durch den Restrukturierungsplan im Wege des Cramdowns auch in die Anteilseignerrechte eingegriffen werden kann, soll nach der Richtlinie den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Allerdings sollte der deutsche Gesetzgeber dabei bedenken, dass der präventive Restrukturierungsrahmen aus Gesellschaftersicht unattraktiv würde, wenn gegen ihren Willen in Gesellschafterrechte eingegriffen werden könnte. Besser erscheint es daher, das Gesellschaftsrecht nachzuschärfen, sodass eine qualifizierte Mehrheit der Anteilseigner hinreichend schnell die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen beschließen und Minderheitsgesellschafter überstimmen kann.

Privilegierung von Finanzierungen und Transaktionen

Die Richtlinie legt fest, dass neue finanzielle Hilfen bevorzugt werden sollen, die den Betrieb des Schuldnerunternehmens während der Verhandlungen oder Umsetzung des Restrukturierungsplans unterstützen. Insbesondere sollen die betroffenen Kreditgeber vor Insolvenzanfechtungen und persönlicher Haftung wegen Gläubigerbenachteiligung geschützt werden. Missbrauch soll dadurch vermieden werden, dass die neue finanzielle Unterstützung angemessen und unverzüglich notwendig sein muss oder im Restrukturierungsplan vereinbart wurde.

Sonstige Transaktionen sollen nur vor Insolvenzanfechtungen geschützt und im Übrigen privilegiert werden, wenn sie für die Verhandlungen oder die Umsetzung des Plans angemessen und unmittelbar notwendig sind.

Fazit

Mit der Einführung des von der EU-Richtlinie vorgegebenen präventiven Restrukturierungsrahmens wird die frühzeitige Sanierung von Unternehmen erheblich erleichtert. Die europäische Sanierungslandschaft wird sich damit erneut erheblich verändern. Einzelne Staaten haben erkennbar das Ziel, hierbei zum zentralen Sanierungsforum zu werden. Es wäre daher schön, wenn in Deutschland kein Insolvenzverfahren light, sondern ein möglichst informeller Rahmen für eine gemeinsame Kompromissfindung zwischen den beteiligten Parteien eingeführt würde, bei dem die Legitimation für Eingriffe in Gläubigerrechte primär durch Mehrheitsbeschlüsse erfolgt.


Zur Person

Dr. Uwe Goetker ist Rechtsanwalt sowie Partner bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP und Co-Leiter der deutschen Praxis für Restrukturierung & Insolvenz. Goetker ist im Bereich Corporate/M&A tätig und unter anderem auf die Vorbereitung und Durchführung von Sanierungen spezialisiert.

www.mwe.com/de

 

Autorenprofil

Uwe_GoetkerDr. Uwe Goetker ist Rechtsanwalt und Partner bei McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP in Düsseldorf. Goetker ist im Bereich Corporate/M&A tätig und unter anderem auf die Vorbereitung und Durchführung von Sanierungen/Restrukturierungen spezialisiert.

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