Nachhaltigkeit als Schlüssel zur Kapitalmarktkommunikation

Interview mit Tina Bloos, Partnerin, PwC Deutschland

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zunehmend an Bedeutung gewinnen, wobei immer mehr Länder den Standards des International Sustainability Standards Board folgen werden.
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Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) bringen neue Anforderungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung mit sich. Im Vergleich zur bisherigen Non-Financial Reporting Directive (NFRD) wurde der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich erweitert, sodass nun auch viele nicht-börsennotierte Firmen direkt oder indirekt betroffen sind. Welche Chancen der Kapitalmarkt bei der Erfüllung dieser neuen Berichtspflichten bieten kann, erläutert Tina Bloos, PwC-Expertin für Kapitalmarkt- und Nachhaltigkeitsberichterstattung. 

Unternehmeredition: Wie bewerten Sie die Bedeutung des Kapitalmarkts für Unternehmen im Zusammenhang mit den neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Tina Bloos: Nachhaltigkeit wird für Investoren immer wichtiger, besonders bei großen börsennotierten Unternehmen, die mit der CSRD gerade Pionierarbeit leisten. Die Vergleichbarkeit von Strategien und Zielen sowie Maßnahmen und Metriken, ermöglicht durch die ESRS, ist ausschlaggebend für Investitionsentscheidungen und bietet Vorteile für die Unternehmenssteuerung, etwa durch ein besseres Verständnis der Lieferketten. Vertrauen in die Qualität der Nachhaltigkeitsdaten ist dabei essenziell.

Sehen Sie signifikante Unterschiede in der Umsetzung der CSRD zwischen börsennotierten und nicht-börsennotierten Unternehmen?

Ja und nein. Börsennotierte Unternehmen haben aufgrund der bereits bestehenden NFRD-Berichtspflichten und der häufig erfolgten freiwilligen Prüfungen in der Vergangenheit mehr Erfahrung in der nichtfinanziellen Berichterstattung gesammelt. Sie sind daher besser darauf vorbereitet, sich mit der neuen Regulatorik auseinanderzusetzen, und haben oft schon Personal für diese Aufgaben aufgebaut. Im Gegensatz dazu müssen mittelständische und nicht-börsennotierte Unternehmen sich erst in diese Thematik einarbeiten. Der Gesetzgeber hat dies berücksichtigt und nicht-börsennotierten Unternehmen ein Jahr länger Zeit gegeben, die neuen Regeln umzusetzen.

PwC hat in einer Studie deutsche Unternehmen zur Umsetzung der CSRD befragt. Was kam dabei heraus?

 Demnach sehen rund 60% ihr Unternehmen sehr gut vorbereitet. Dieser Wert steigt sogar auf rund 70% bei jenen Unternehmen, die bereits für das Jahr 2024 berichten müssen. Aber: Alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Börsennotierung, stehen bei der Umsetzung der ESRS vor einem erheblichen inhaltlichen und organisatorischen Aufwand. Sie müssen innerhalb kurzer Zeit Daten aus verschiedenen Bereichen wie Umwelt, Personal, Einkauf und Unternehmensführung zusammenstellen, Prozesse definieren, Personal aufbauen und Klarheit schaffen, wie diese in ihre Unternehmensstrategie integriert sind.

Allerdings kann man dies auch als Chance für den großen deutschen Mittelstand begreifen, wenn man sich vor Augen führt, dass sie in Bezug auf die Transparenz von Nachhaltigkeitsdaten schon in wenigen Jahren auf dem Niveau börsennotierter Gesellschaften berichten werden. Das kann durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein, beispielsweise im Vergleich zu US-Unternehmen, an die keine vergleichbaren Anforderungen gestellt werden. Das sehen auch Unternehmenslenker so. In der erwähnten Befragung von Unternehmen gaben 45% an, aus der CSRD-Berichterstattung Wettbewerbsvorteile für sich zu erwarten. 44% versprechen sich eine effektivere Unternehmensführung und mehr als die Hälfte (51%) eine Risikominimierung.

Inwiefern sehen Sie den Kapitalmarkt als Plattform, um das Vertrauen von Investoren in die CSRD-konforme Berichterstattung zu stärken?

Der Kapitalmarkt spielt eine zentrale Rolle. In einer 2023 von PwC initiierten Umfrage unter internationalen Investoren gaben noch 94% der Befragten an, zu glauben, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung von [jedem beliebigen] Unternehmen mindestens eine unbelegte Behauptung enthält. Das ist viel.

Am Kapitalmarkt ist aber gerade das Vertrauen der Investoren in Qualität und Verlässlichkeit von Unternehmensdaten entscheidend, genauso wie das Vertrauen ins Management bei der Umsetzung nachhaltigkeitsbezogener Ziele und Strategien. Daher haben insbesondere börsennotierte Unternehmen ein starkes Interesse daran, hochwertige und verlässliche Nachhaltigkeitsdaten zu liefern. Dies trägt nicht nur dazu bei, das Vertrauen der Investoren zu gewinnen, sondern stärkt auch insgesamt das Vertrauen in die CSRD-konforme Berichterstattung.

Welche Vorteile bietet der Kapitalmarkt in Bezug auf die Transparenz von Nachhaltigkeitsberichten, die von der CSRD gefordert wird?

Der Kapitalmarkt ermöglicht Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen und deren Nachhaltigkeitsstrategien, was sowohl Investoren als auch Unternehmen bei der Bewertung und Verbesserung hilft. Offengelegte (potenzielle) Nachhaltigkeitsrisiken, zum Beispiel im Umweltbereich, und deren (mögliche) finanzielle Auswirkungen bieten Investoren ein klareres Bild, während nachhaltigere Unternehmen von geringeren Kapitalkosten profitieren können. Die CSRD-Transparenz fördert eine Kultur des Austauschs und der kontinuierlichen Verbesserung.

Inwiefern würde ein Börsenlisting nicht-börsennotierten Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung zu professionalisieren und gleichzeitig den Zugang zu kapitalmarktorientierten ESG-Investoren zu verbessern?

Eine Börsennotierung erfordert immer eine höhere Transparenz von hochqualitativen Informationen nach außen, was in vielen Bereichen eine Professionalisierung von Prozessen, Systemen und Strukturen mit sich bringt. Unternehmen müssen sich an strenge Berichtsanforderungen halten und sicherstellen, dass ihre Daten korrekt, konsistent und überprüfbar sind. Außerdem erwarten Stakeholder, dass diese Daten in der Unternehmensstrategie reflektiert werden, und beurteilen die Leistungen des Managements unter anderem auch danach. Die intensivere Zusammenarbeit im Unternehmen und der Austausch mit den Stakeholdern ermöglichen eine transparente, nachhaltige Unternehmenssteuerung und schaffen gegenseitiges Vertrauen.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den nächsten Jahren?

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zunehmend an Bedeutung gewinnen und sich global etablieren, wobei immer mehr Länder den Standards des von der IFRS Foundation gegründeten International Sustainability Standards Board (ISSB) folgen werden.

Ein zentraler Trend ist die Standardisierung: Während die ersten CSRD-Berichte noch uneinheitlich sein dürften, wird langfristig eine branchenweite Vergleichbarkeit erwartet, unterstützt durch eine verbesserte Datenverfügbarkeit.

Zudem wird Nachhaltigkeit – und die entsprechende Berichterstattung darüber – zunehmend integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Verbesserte Datengrundlagen ermöglichen ein effektiveres Management von Nachhaltigkeitszielen und Strategien. Auch für Stakeholder, insbesondere Investoren, steigt die Relevanz: Präzisere Berichte mit messbaren Kennzahlen und einer stärkeren Verknüpfung zu finanziellen Zielen erleichtern Investitionsentscheidungen und beeinflussen die Kapitalbeschaffung maßgeblich.

Wir sind stolz, hierzu einen Beitrag leisten zu können – denn letztendlich haben wir alle nur diese eine Welt, und die nachhaltige Entwicklung und Berichterstattung ist ein wichtiger Schritt, um sie zu schützen und zu bewahren.

Liebe Frau Bloos, wir danken Ihnen für diese wertvollen Einblicke!

👉 Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 4/2024 mit Schwerpunkt “Unternehmervermögen” erschienen. 


Unternehmen, die von der CSRD betroffen sind:

1. Börsennotierte, große Unternehmen (mehr als 500 Mitarbeiter):
Alle großen Unternehmen, deren Wertpapiere an einem regulierten Markt in der EU gehandelt werden, fallen unter die CSRD.
2. Nicht-börsennotierte, große Unternehmen:
Die CSRD erfasst nicht nur börsennotierte Unternehmen, sondern auch große Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen:
• Mehr als 250 Mitarbeiter.
• Eine Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. EUR.
• Ein Umsatz von mehr als 50 Mio. EUR.
3. Weitere Unternehmen: Auch viele nicht-börsennotierte Unternehmen
sind betroffen, sofern sie die oben genannten Kriterien erfüllen. Das bedeutet,
dass viele mittelständische und große Unternehmen, unabhängig von ihrer Börsennotierung, unter die neuen Regeln fallen. Indirekt sind über die
Lieferketten der berichtspflichtigen auch zahlreiche weitere Unternehmen
betroffen.


Hinweis: Die Antworten in diesem Interview basieren auf der geplanten Umsetzung der CSRD-Richtlinie in nationales Recht. Aufgrund der aktuellen Regierungslage ist eine Verabschiedung in diesem Jahr jedoch unsicher. Es wird dennoch erwartet, dass große börsennotierte Unternehmen für das Geschäftsjahr 2024 bereits nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) berichten und damit ein neues Rahmenwerk gegenüber der bisherigen Global Reporting Initiative (GRI) nutzen. Auch wenn eine verpflichtende Prüfung entfallen sollte, dürfte die freiwillige Prüfung für viele Unternehmen weiterhin eine erstrebenswerte Option bleiben.


ZUR PERSON

Foto: © PwC

Tina Bloos ist Partnerin bei PwC Deutschland. Sie berät Unternehmen zu Kapitalmarkttransaktionen wie IPOs, Kapitalerhöhungen und der Begebung von Fremdkapitalemissionen im In- und Ausland wie auch in der CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung.

www.pwc.de

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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