Mit Innovation und Partnermanagement zum Weltmarktführer

Interview mit Michael Ulverich, COO, Koenig & Bauer

Koenig & Bauer ist der älteste Druckmaschinenhersteller der Welt, beherrscht fast alle Druckverfahren und ist im Bereich Verpackungen tätig.
Montage von Aggregaten inklusive Endmontage und Probelauf − alles in einer Halle; Foto: © Koenig & Bauer

Mit einer über 200-jährigen Geschichte ist Koenig & Bauer der älteste Druckmaschinenhersteller der Welt, beherrscht heute fast alle Druckverfahren auf nahezu allen Substraten und ist schwerpunktmäßig im Bereich Verpackungen tätig. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen konnte 2022 ein Umsatz von rund 1,2 Mrd. EUR und damit etwa 6% über dem Vorjahr sowie ein Gewinn von 22 Mio. EUR erzielt werden. Wir sprachen mit COO Michael Ulverich. 

Unternehmeredition: Herr Ulverich, wir sind aktuell nicht arm an Krisen. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen verläuft jedoch die Geschäftsentwicklung von Koenig & Bauer vergleichsweise positiv. Wie blicken Sie auf die Entwicklung der letzten Jahre?

Michael Ulverich: Als ich vor vier Jahren zu Koenig & Bauer kam – mein erster Arbeitstag war übrigens mitten im ersten Lockdown im April 2020 −, stand das Unternehmen unter dem Eindruck der Coronakrise. Dieser Moment war für Koenig & Bauer wie für viele andere Unternehmen eine echte Schocksituation. Unter diesem Eindruck haben wir das seit 2019 bestehende Effizienzprogramm „Performance 2024“ weiterentwickelt und ausgeweitet und in „Performance 2024 Extended“ (P24x) umbenannt. Dieses ist seit Sommer dieses Jahres nun offiziell durch das Erreichen der Einsparziele beendet. Nach der Coronapandemie war vor der Materialpreis- und Beschaffungskrise. Diese beiden Krisen liefen Hand in Hand, und wir haben diese gut gemeistert, indem wir eng mit unseren Partnern an Kostenpotenzialen und Teilesubstituten gearbeitet haben. Allerdings hat uns das auch ein Stück weit ausgebremst. Trotzdem haben wir unsere Ziele nicht aus den Augen verloren und alle Anstrengungen darauf ausgerichtet, diese zu erreichen. Natürlich ging aber alles langsamer voran als gedacht.

Zusätzlich sieht sich die Industrie der nächsten aufkommenden Krise gegenüber. Der deutsche Maschinenbau bekommt diese bereits in seinen Auftragsbüchern zu spüren, denn momentan gibt es nicht mehr das Hoch bei der Auftragsvergabe, das in der Phase nach COVID vorherrschte. Trotz schwieriger Materialpreissituation, Beschaffungsmarktproblemen und hoher Inflation hatten wir derart hohe Auftragseingänge, dass sie unsere Kapazitäten überstiegen. Jetzt dreht sich diese Situation und es gilt, das Unternehmen wiederum an dieser Stelle wetterfest zu machen.

Wie sehen Ihre Schätzungen für das Geschäftsjahr 2023 aus?

Wir erwarten einen Umsatz von rund 1,3 Mrd. EUR und ein EBIT von 25 Mio. bis 35 Mio. EUR.

Was waren bisherige Erfolgsfaktoren in der Krisenbewältigung?

Ganz klar zwei Dinge: Lieferantenbeziehung stärken und Modularisierung breit gefächert einführen. Die Umstrukturierung zog sich über 24 Monate hin, was einem Husarenritt gleichkommt. Heute sehen wir uns darin bestätigt, Ansätze der Modularisierung und Operational Excellence konsequent verfolgt zu haben. Unsere interne Fertigung hat sich noch mehr zu einem Gewinnbringer verwandelt. Zugute kam uns insbesondere, dass wir eine eigene Gießerei bei uns haben. In der Versorgungskrise war die Gießerei Gold wert.

Hohe Fertigungstiefe durch eigene Gießerei; Foto: © Koenig & Bauer

Im Bereich Konstruktion schaffen wir es mittlerweile dank unserer Modularisierungsbaukästen, große Synergien in der Produktentwicklung zwischen den Business Units von Koenig & Bauer zu nutzen. Jede unserer Maschinen benötigt Antriebe und Elektroschaltschränke, und am Ende muss das alles gleich konfigurierbar werden. Stellen Sie sich vor, Sie schaffen eine Konfigurationswelt, die Mechanik, Programmierung und Elektrik vereint. Wir entwickeln gerade so etwas gemeinsam mit unserem Lieferanten und Systempartner Siemens. Am Ende soll es eine Multi-Sourcing-Plattform werden, die so modern konstruiert sein wird, dass sie herstellerneutral konfigurierbar ist.

Wie zahlen diese Entwicklungen in die Unternehmensstrategie ein?

Wir haben drei Säulen in unserer Strategie: Digitalisierung, Modularisierung und Nachhaltigkeit. Und mit dem modularen Automatisierungsbaukasten zahlen wir auf die Themen Modularisierung und Digitalisierung ein. Am Ende wollen wir eine Maschine haben, um Echtzeitdaten für die frühzeitige Erkennung von Ersatzteil- und Reparaturbedarfen auswerten, aber auch Updates und mögliche Freigaben von besonderen Funktionen für unsere Kunden bereitstellen zu können. Unser Kunde kann damit besondere Nutzungsrechte erhalten, die er im normalen Betrieb nicht hätte. Denken Sie zum Beispiel an zeitlich begrenzte Overdrive-Funktionen. Solche digitalen Lösungen lassen sich dank der Cloudtechnologie unseres Partners Google perfekt realisieren.

Sie arbeiten offenbar nur mit den Größten und Besten zusammen.

Nicht nur, aber für strategische Entwicklungen ist die Zusammenarbeit mit Marktführern für Koenig & Bauer ein ganz wichtiger Punkt. Dazu gehören unter anderem Partner wie Siemens, Festo und Google.

Lässt sich das unter dem Label Industrie 4.0 verorten?

Industrie 4.0 – das hört sich immer so an, als würde hier alles noch einmal neu erfunden. Im Grunde versuchen wir aber nur, die Möglichkeiten, die uns die Umwelt gibt, in das industrielle Leben unserer Maschinen zu integrieren und die Fortschritte in der Digitalisierung unseren Kunden gewinnbringend anzubieten.

Dabei geht es vor allem um Effizienz, Kostenminimierung und Qualität?

Genau. Ich komme aus dem Truckbusiness – da waren wir Cent-pro-Kilometer-Optimierer. Und was konnte ich davon in die Druckindustrie mitnehmen? Bei Koenig & Bauer sind wir „Druckbogenoptimierer“. Um sicherzustellen, dass die Produktion bei unseren Kunden so effizient wie möglich läuft, optimieren wir das Verhältnis von Cents pro bedrucktem Meter, und das bei gleichbleibend hoher Qualität und geringem Ausschuss. Damit der Kunde mit seiner Maschine 365 Tage produzieren kann, müssen wir außerdem am besten schon vorher wissen, wann ein Bauteil durch Verschleiß auszufallen droht.

Die Digitalisierung ermöglicht Ihnen also, dem Kunden einen besseren Service anzubieten.

Ja, das ist der sogenannte Predictive-Maintenance-Ansatz. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch mal eine Stillstandzeit bei einer Maschine gibt, weil sie ein Problem hat; das erwartet auch keiner. Wenn aber beim Kunden die Maschine stillsteht, kommt es darauf an, diese so schnell wie möglich wieder in Gang zu setzen – und die Digitalisierung bietet uns die Möglichkeit, früh zu erkennen, was gerade passiert.

Sprechen wir einmal über Grundsätzliches. Worin liegt die DNA von Koenig & Bauer?

Koenig & Bauer ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die durch die Anteilseignerschaft der Gründerfamilien einen starken historischen Bezug hat. Was macht dieses Unternehmen aus? Es sind technische Exzellenz und Tradition, aber auch die Fähigkeit, sich ständig und stetig anzupassen. 200 Jahre seit Firmengründung ist schon ein langer Zeitraum – das ist mehr als die Lebensspanne eines Menschen. Und das Unternehmen hat schon sieben Generationen überdauert. Es herrscht ein starker Zusammenhalt und man ist stolz, ein „Köbauianer“ zu sein, wie man hier zu sagen pflegt.

Besonderes Augenmerk liegt auf einem neuen Logistik- und Bereitstellungskonzept; Foto: © Koenig & Bauer

In den letzten 15 Jahren hat man entschieden, den Weg vom Zeitungsdrucker hin zum Verpackungsdrucker zu gehen. Es ist dem Unternehmen gelungen, Erfahrungen und Kompetenzen auf neue Segmente der Druckbranche gewinnbringend zu übertragen. Heute sind wir einer der führenden Anbieter im Verpackungsdruck, weil wir so ziemlich jedes Substrat von Metall über Glas bis Papier bedrucken können.

Wie weit sind Sie mit der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und was tut sich im Bereich Nachhaltigkeit?

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Koenig & Bauer ein sehr werteorientiertes Unternehmen ist. Stichwort Lieferkettengesetz: Wir gehen dieses Thema nachdrücklich an. Unsere Compliance-Abteilung hat in Zusammenarbeit mit dem Einkauf ein gesamtheitliches Risikomanagementsystem aufgebaut und implementiert, das die gesetzlichen Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes erfüllt und die damit verbundene Wertewelt unterstützt.

Ansonsten sind wir in der Diskussion mit regionalen Energieversorgern, wie wir in die Energieversorgung mehr Regionalität reinbekommen, damit wir sicher sein können, dass das, was wir als grünen Strom einkaufen, am Ende auch grüner Strom ist. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir einen Stufenplan erarbeitet, mit dem wir das Thema gemeinsam voranbringen.

Und welche Strategie fahren Sie für das Auslandsgeschäft?

Wir haben uns im Zuge der Versorgungskrise auch noch einmal Gedanken gemacht, wie diesbezüglich die Strategie der Zukunft aussieht, auch im Sourcing und im Footprint. Wir haben das „Friendly Nation Strategy“ genannt und haben dafür sehr genau analysiert, was bei welchen Konflikten an politischer Blockbildung passieren könnte. Wir werden unsere bestehenden Geschäftsbeziehungen stärken, wollen darüber hinaus aber auch Chancen ausbauen, damit diese möglicherweise aufkommenden Konflikte keinen Schaden für das Unternehmen darstellen. Am Beispiel Indien sind erarbeiten wir derzeit, welche Vorteile eine breitere Diversifizierung unserer Lieferketten bringt.

Wo sehen Sie Koenig & Bauer in 20 Jahren?

Ich bin überzeugt, dass durch die Digitalisierung Kunden entstehen werden, die wir heute noch gar nicht kennen, weil es diese Firmen noch gar nicht gibt. Damit werden wir wachsen! Denn ich glaube, dass die Themen digitaler Druck und digitale Geschäftsmodelle einen immensen Wertbeitrag zu dem Gesamtumsatz beitragen werden.

Ich bewerte so eine tiefgreifende Veränderung auf Basis der Geschichte von Koenig & Bauer für uns als herausfordernd, aber machbar. Denken Sie daran, was mit dem Zeitungsdruck passiert ist. Wenn Sie unser Eingangsfoyer betreten, sehen Sie eine Menge alte Maschinen. Keine davon bauen wir noch. Das ist unser Museum. Wir sind heute 200 Jahre alt. 20 Jahre machen lediglich 10% der Firmengeschichte aus – und in 20 Jahren, wenn ich in Rente gehe, bin ich mir sicher, dass dieses Unternehmen weiterhin ein erfolgreiches und prosperierendes Unternehmen sein wird. Ich würde uns einen zu groß geratenen Mittelständler nennen, der es geschafft hat, sich am Weltmarkt zu behaupten und durch Innovationskraft und geschicktes Partnermanagement verstanden hat, seine Position als Hidden Champion weiter erfolgreich auszubauen.

Herr Ulverich, wir danken Ihnen für diese spannenden Einblicke!


KURZPROFIL Koenig & Bauer AG

Firmensitz: Würzburg

Standorte: Würzburg, Frankenthal, Radebeul, Maria Enzersdorf (AT)

Gegründet: 1814

Branche: Druckmaschinen

Mitarbeiter: 5.600

Umsatz 2022: 1,2 Mrd. EUR

Aktie (ISIN): DE0007193500

Marktkapitalisierung: 182,10 Mio. EUR (11.12.2023)

www.koenig-bauer.com


ZUR PERSON

Foto: © Koenig & Bauer

Michael Ulverich ist seit April 2020 Chief Operating Officer bei der Koenig & Bauer AG. Zu seinen Aufgaben zählen Materialwirtschaft, Einkauf, Logistik sowie die Produktionsgesellschaften „Industrial“ an den Standorten in Würzburg und Radebeul sowie das Tochterunternehmen in Frankenthal. Ulverich war zuvor Business Unit Leiter bei Man Truck & Bus und danach Chief Operating Officer bei  Krauss-Maffei Wegmann.

 

Dieser Beitrag ist in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 4/2023 mit Schwerpunkt “Unternehmervermögen” erschienen.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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